TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 89/04/0277

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 Abs1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1 bis Z5;
GewO 1973 §74 Abs2 Z4 idF 1988/399;
VwRallg;

Betreff

N gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. September 1989, Zl. 311.600/1-III-3/89, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 GewO 1973 (mitbeteiligte Partei: A in X).

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 10. April 1987 wurde dem Beschwerdeführer in Ansehung der Betriebsanlage im Standort X, Y-Straße 62, gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1973 zu den bisher erteilten Auflagen nachstehende zusätzliche Maßnahmen vorgeschrieben:

"1.)

Sie haben wahlweise eine der drei nachstehend angeführten Möglichkeiten als Auflage zu erfüllen:

a)

Das Betriebstor ist während der Betriebszeit ständig offenzulassen.

b)

Das Einfahrtstor ist auf die Länge eines Lkw (mindestens 10 m) zurückzuversetzen.

c)

Am Tor ist ein ferngesteuerter Torantrieb anzubringen.

2.)

Der Bereich des Hofes, auf dem verkehrsuntüchtige

Fahrzeuge abgestellt sowie Motor- und Getriebeteile, bei denen grundwassergefährdende Stoffe ausfließen können, gelagert werden, ist öl- und flüssigkeitsdicht auszubilden."

Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 15. September 1988 insoweit Folge, als die mit dem erstbehördlichen Bescheid unter 1.) c) alternativ vorgeschriebene Auflage zu entfallen habe.

Einer auch dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 11. September 1989 gemäß § 79 GewO 1973 keine Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund von Beschwerden der mitbeteiligten Partei, wonach es beim Einfahren in die gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage des Beschwerdeführers in X, Y-Straße 62, durch das verschlossene Einfahrtstor immer wieder zu größeren Verkehrsstauungen und damit zu Lärm- und Abgasbelästigungen komme, da die Lkw-Fahrer ihre Fahrzeuge auf der Fahrbahn anhalten müßten, um auszusteigen und das Tor zu öffnen, sodaß die übrigen Fahrzeuge bis zur Einfahrt des Lkw warten müßten, habe die Erstbehörde am 1. April 1987 eine Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung gewerbetechnischer und verkehrstechnischer sowie ärztlicher Amtssachverständiger durchgeführt. Dabei habe die mitbeteiligte Partei Einwendungen im Sinne der in der Folge vorgeschlagenen Auflagen erhoben. Die Berufung des Beschwerdeführers bekämpfe den zweitbehördlichen Bescheid in dem Umfang, als die Auflagen unter Punkt 1.) lit. a) und b) bestätigt worden seien. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Gewerbebehörde dritter Instanz habe zu den Berufungsausführungen eine gutächtliche Äußerung (vom 6. Februar 1989) des gewerbetechnischen Amtssachverständigen eingeholt, welche wie folgt laute: Es sei festzuhalten, daß die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen von den Vorinstanzen erhoben worden seien. Diese ließen sich wie folgt zusammenfassen: Die an der Einfahrt des Betriebsareals vorüberführende Straße (Y-Straße) weise zwischen den Randsteinen eine Breite von 7,5 m auf. Die Straße sei in diesem Bereich eine Einbahn stadtauswärts. An beiden Seiten sei bis auf die Höhe des Hauses Nr. 62 Parken an beiden Seiten möglich. Auf Höhe des Hauses Nr. 62 teile sich die Fahrbahn in eine Linksabbiege- und eine Geradeausfahrspur, danach folge eine Kreuzung. In diesem Bereich, also offensichtlich nach der Einfahrt in das Betriebsareal, bestehe Halte- und Parkverbot. Das Unternehmen besitze neun Lkw, die für den Verkehr zugelassen worden seien. Das Einfahrtstor zum Betriebsareal sei zumeist geschlossen. Ankommende Lkw müßten anhalten und die Fahrer das Tor selbst öffnen. Für diese Zeitdauer müßten nachkommende Kraftfahrzeuge ebenfalls anhalten. Die Einfahrt der betriebseigenen Lkw erfolge überwiegend nachmittags. Die Zeitspanne zwischen Anhalten und Einfahren in das Betriebsareal sei bei geschlossenem Tor mit 40 bis 50 sec. ermittelt worden. Während dieser Zeit hätten maximal 15 Kraftfahrzeuge anhalten müssen (in der Zeit von 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr; in dieser Zeit sei die Straße von 591 mehrspurigen Kraftfahrzeugen befahren worden). Die obigen Feststellungen seien aus der Verhandlungsschrift vom 1. April 1987, aus der Verhandlungsschrift vom 22. Oktober 1987 und dem Gutachten der Abteilung B/4 des Amtes der NÖ Landesregierung vom 29. Juni 1988 (dieses enthalte das Ergebnis eines Augenscheines vom 14. Juni 1988) entnommen worden. Die Einwendungen des Beschwerdeführers ließen sich, soweit sie technische Fragen beträfen, wie folgt zusammenfassen: 1.) Der erhobene Zeitbedarf von 40 bis 50 sec. für das Einfahren sei ein Maximalwert;

2.) dieser Zeitbedarf sei mit der Dauer eines Ampelstops vergleichbar; 3.) auch ein normaler Einparkvorgang habe einen Zeitbedarf von 30 bis 60 sec.; 4.) im Gutachten vom 29. Juni 1988 sei ausgeführt worden, daß es am 14. Juni 1988 in der Zeit 15.55 Uhr bis 17.00 Uhr zu fünf Einfahrvorgängen gekommen sei. Es werde der Eindruck erweckt, daß somit über den ganzen Tag verteilt stündlich ca. fünf Lkw in das Betriebsareal einführten. Dies sei unrichtig; vielmehr würden die betriebseigenen Lkw nur einmal pro Tag und zumeist in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr die Einfahrt benützen. Hiezu sei zu bemerken: Wie aus dem Gutachten vom 29. Juni 1988 hervorgehe, sei ein Zeitbedarf von 41 und 47 sec. für das Einfahren bei vorher geschlossenem Einfahrtstor erhoben worden, wobei das Tor vom Fahrer habe selbst geöffnet werden müssen. In den anderen Fällen sei das Tor bereits offen gewesen oder es sei von einer anderen Person geöffnet worden. Es sei jedoch nur der ungünstigste Fall als maßgebend anzusehen, da die Möglichkeit bestehe, daß bei jedem Einfahrtsvorgang das Tor vom Fahrer selbst geöffnet werden müsse. Wie durch Zeitmessungen im täglichen Straßenverkehr habe festgestellt werden können, betrage die Dauer einer Rotphase einer Verkehrsampel durchschnittlich ca. 45 sec. Die durch das Anhalten der Lkw vor dem Einfahren in das Betriebsareal erzwungene Verzögerung für Nachkommende habe somit etwa die gleiche Dauer. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Rotphase einer Ampel eine beabsichtigte "Beeinträchtigung" der Flüssigkeit des Verkehrs darstelle. Bei einem üblichen Einparkvorgang eines Pkw werde der Fließverkehr nur wenig behindert. Das einparkende Fahrzeug müsse, wenn es die Straßenbreite zulasse, das Vorbeifahren nachkommender Fahrzeuge abwarten, und dürfe erst danach für den Vorgang die restliche Straßenbreite in Anspruch nehmen. Für nachkommende Fahrzeuge entstehe nur ein Zeitverlust durch eine eventuell erforderliche Verringerung der Fahrgeschwindigkeit. Dies sei auch bei den in der Albrechtstraße gegebenen Verhältnissen möglich. Pkw üblicher Bauart hätten Außenabmessungen von ca. 1,7 x 4,5 m. Bei einer vorhandenen Straßenbreite von 7,5 m wäre - bei beidseitig verparkten Fahrbahnrändern - ein Vorbeifahren an einem anhaltenden Pkw in Schrittgeschwindigkeit möglich. Es sei daher bei Bewertung des Einfahrens in das Betriebsareal der Vergleich mit einem normalen Einparkvorgang nicht zulässig. Die maximal möglichen Abmessungen eines Lkw betrügen 2,5 x 12 m; die tatsächlichen üblichen Abmessungen lägen zwar sicher unter diesen Werten, ein Vorbeifahren an einem anhaltenden Lkw scheine aber unter den gegebenen Verhältnissen und bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände nicht möglich. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob der Lkw parallel zum Fahrbahnrand oder schräg dazu und bereits teilweise auf dem Gehsteig vor der Einfahrt anhalte. Aus dem Akt gehe eindeutig hervor, daß die gegenständlichen Einfahrvorgänge überwiegend zum Zeitpunkt der "nachmittäglichen Verkehrsspitze" erfolgten. Sicherlich bestehe die Möglichkeit, daß betriebseigene Lkw mehrmals täglich das Betriebsareal anführen, da aber selbst die mitbeteiligte Partei in dem Schreiben vom 23. Juni 1987 von "ca. 10" Einfahrvorgängen pro Tag spreche, könne davon ausgegangen werden, daß in der Regel jeder der neun Betriebs-Lkw nur einmal pro Tag zur Betriebsanlage zurückkomme. Der Beschwerdeführer selbst führe aus, daß dies in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr erfolge. In der Zeit vor 17.00 Uhr komme es infolge der üblichen Büroschlußzeiten bereits zu einem verstärkten Verkehrsaufkommen. Auch sei nicht anzunehmen, daß die Lkw jeweils zu fixen Zeiten zur Betriebsanlage kämen. Es sei also möglich, daß sämtliche Lkw während einer kurzen Zeitspanne, die mit einem tageszeitlich bedingten starken Verkehrsaufkommen zusammenfalle, in die Betriebsanlage einfahren müßten. Lege man der Bewertung die jeweils ungünstigste Annahme zugrunde, so müsse zusammenfassend festgestellt werden, daß der Einfahrvorgang hinsichtlich Zeitdauer und Anzahl der betroffenen anderen Verkehrsteilnehmer durchaus keinen Regelfall eines "normalen Verkehrsgeschehens" darstelle. Es sei somit aus technischer Sicht eine wesentliche Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gegeben. Die bekämpfte Auflage könnte nur durch die Vorschreibung einer ständig anwesenden Person ersetzt werden, die bei Herannahen eines Betriebs-Lkw das Tor öffne. Da dies eine kaum praktikable Variante darstelle, verblieben die durch die Vorinstanzen angeordneten Maßnahmen als technische Lösungsmöglichkeiten. Dieses Gutachten sei den Verfahrensparteien gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 zur Kenntnis gebracht und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden, wovon nur der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht habe. Aus der Bestimmung des § 79 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhang mit der des § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973 ergebe sich, daß die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 leg. cit. auch im Interesse der Wahrung der Sicherheit, Leichtigkit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zulässig sei, wenn dieser ohne die vorzuschreibenden Auflagen wesentlich beeinträchtigt würde. Dem schlüssigen gewerbetechnischen Amtssachverständigengutachten der Behörde dritter Instanz sei zu entnehmen, daß es bei geschlossenem, nicht zurückversetztem Eingangstor, durch anhaltende Lkw des Beschwerdeführers infolge der Notwendigkeit, daß die Lkw-Fahrer aus dem Lkw ausstiegen und das Tor öffneten, zu einer wesentlichen Beeinträchtigkeit der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs komme, da der derzeitige Einfahrtsvorgang, insbesondere in Zeiten der nachmittäglichen Verkehrsspitze, hinsichtlich der Dauer und der Anzahl der betroffenen Verkehrsteilnehmer keinen Regelfall des normalen Verkehrsgeschehens darstelle. Dieser Zustand könne nur durch die im zweitbehördlichen Bescheid angeführten Alternativauflagen, die als bestimmt und geeignet zu bezeichnen seien, geändert werden. In diesem Zusammenhang sei der Begriff "wesentliche Beeinträchtigung" als naturwissenschaftlich-technische Quantifizierung und nicht als ein (für einen Sachverständigen unzulässige) rechtliche Wirkung anzusehen. Darüber hinaus werde durch die vorgeschriebenen Auflagen, da sie größere Verkehrsstauungen hintanhielten, auf den Schutz der Nachbarn vor unzumutbarer Belästigung durch Lärm und insbesondere Abgase stehender Kraftfahrzeuge Rechnung getragen, möge auch die bekämpfte Auflage ausschließlich bereits im Interesse der Leichtigkeit und Schlüssigkeit des Verkehrs vorzuschreiben sein. Dem Berufungsvorbringen sei zu entgegnen, daß die Ausführungen des ausgewiesenen Vertreters des Beschwerdeführers zu Verkehrsberuhigungskonzepten der Stadtgemeinde X nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens träfen und die Gewerbebehörde auch nicht in der Lage sei, Beschränkungen des Verkehrs auf öffentlichen Straßen zu verfügen, wie etwa Halte- und Parkverbote, sondern nur an den Konsenswerber bzw. Konsensinhaber bestimmte und geeignet Auflagen, zu deren Einhaltung er verpflichtet sei, zu richten habe. Die Gewerbebehörde habe dabei ausschließlich die Bestimmungen der Gewerbeordnung anzuwenden, im vorliegenden Fall insbesondere die §§ 74 Abs. 2 Z. 4 und 79 GewO 1973. Möge die Stadtgemeinde X zum Schutze der Bevölkerung insbesondere vor Lärm und im Interesse der Sicherheit des Verkehrs Verkehrsberuhigungsmaßnahmen setzen, so binde dies die Gewerbebehörde in keiner Weise und enthebe sie nicht ihrer Verpflichtung, bei der Genehmigung von Betriebsanlagen, aber auch im Verfahren gemäß § 79 GewO 1973 die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Zusammenhang mit gewerblichen Betriebsanlagen zu berücksichtigen. Der Vertreter des Beschwerdeführers vermenge unzulässigerweise die von der Stadtgemeinde als wünschenswert angesehene Beruhigung des Verkehrs, die durchaus einen homogenen Verkehrsfluß, allerdings bei niedriger Geschwindigkeit, herbeiführen solle. Daß der Beschwerdeführer in seiner Nutzung der Einfahrt durch eine Zurückversetzung des Tores oder ein Offenhalten in irgendeiner Weise gegenüber dem bisherigen Zustand durch die vorgeschriebenen Auflagen beeinträchtigt würde, vermöge er selbst nicht darzutun. Er werde auch keinesfalls in seinem Recht, seine Fahrzeuge anzuhalten, eingeschränkt, sondern es sei auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen spätestens in der Betriebsanlage erforderlich, die Lkw anzuhalten. Es solle dies jedoch in einer Weise erfolgen, die zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Verkehrs führe. Auch nach der vor dem 1. Jänner 1989 geltenden Rechtslage habe ein Nachbar im Verfahren nach § 79 GewO 1973 unter den gleichen Voraussetzungen wie in einem Verfahren nach §§ 77 oder 81 GewO 1973 Parteistellung erwerben können. Durch seine Erklärung in der Augenscheinsverhandlung vom 1. April 1987 habe die mitbeteiligte Partei jedenfalls zum Ausdruck gebracht, daß sie nur mit jenem Schutzstandard vor Immissionen, der bei Vorschreibung der in dieser Augenscheinsverhandlung vorgeschlagenen Auflagen gewährleistet sei, einverstanden sei, nicht jedoch mit einem geringeren Maß. Die Behörde sei im Rahmen des Parteiengehörs keineswegs verpflichtet, den Parteien den Gesamtakt zur Einsichtnahme zu übersenden, sondern es sei der Forderung des § 45 Abs. 3 AVG 1950 auch durch eine Verständigung, es könne in den Akt auch hinsichtlich der neu dazugekommenen Ermittlungsergebnisse zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort Einsicht genommen werden, Genüge getan. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung habe jedoch darüber hinaus im Interesse der Parteien das nunmehr einen neuen Bestandteil des Ermittlungsverfahrens darstellende Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen dritter Instanz den Parteien des Verfahrens auf schriftlichem Wege mit der Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Es sei dem Vertreter des Beschwerdeführers selbstverständlich offengestanden, während der Amtsstunden in den gesamten Akteninhalt Einsicht zu nehmen, sei es bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung oder beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, möge auch der bisherige Akteninhalt dem Vertreter des Beschwerdeführers bekannt gewesen sein. Dem Antrag des Vertreters des Beschwerdeführers auf Einsicht in den Gesamtakt sei daher bereits durch das bisherige Verfahren entsprochen worden, ohne daß er jedoch von seinem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch gemacht hätte. Dem Vertreter des Beschwerdeführers möge beigepflichtet werden, daß die konkrete, von ihm angeführte Ampel eine länger dauernde Rotphase als 45 sec. aufweise, nur stelle dies sicherlich nicht den Regelfall dar und es führe dies auch infolge der Dauer der Ampelphase häufig zu Verkehrsstauungen. Die Bezugnahme des Vertreters des Beschwerdeführers auf Einparkvorgänge sei schon deswegen nicht zulässig, weil die Gewerbebehörde im vorliegenden Fall Zufahrten der Lkw des Beschwerdeführers zum Betriebsareal zu beurteilen habe, nicht aber Einparkvorgänge von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, die in keinem Zusammenhang mit der konkreten Betriebsanlage stünden. Daß das Verkehrskonzept der Stadtgemeinde X für das vorliegende Verfahren ohne Belang sei, sei bereits ausgeführt worden; inwieweit der beantragte Zeuge Prof. Dr. B zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (und nicht zu dem erwähnten Verkehrskonzept) zusätzliche Angaben hätte machen können, werde auch in der Stellungnahme des Beschwerdeführers nicht dargetan. Mit seiner Argumentation, wonach eine Behinderung des Verkehrs im Sinne des erwähnten Konzeptes ein durchaus gewollter Zustand sei, werde der Beschwerdeführer in einem Verkehrsstrafverfahren betreffend das Halten oder Parken in zweiter Spur ebensowenig Erfolg haben, wie im vorliegenden gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren. Auf die gestellten Beweisanträge sei daher nicht einzugehen gewesen, da diese nicht geeignet seien, über den Gegenstand der Beweisaufnahme, nämlich die Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs durch das Zufahren der Lkw des Beschwerdeführers, einen Beweis zu liefern. Der mit 4. April 1989 datierten Stellungnahme mit Antrag des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, daß es sich beim vorliegenden Verfahren nicht um ein solches nach den §§ 77 und 81 GewO 1973, sondern um ein Verfahren nach § 79 leg. cit. handle. Der Grund der Vorschreibung der zusätzlichen Auflagen liege weder in einer unzumutbaren Belästigung noch in einer Gesundheitsgefährdung des Nachbarn, sondern in einer wesentlichen Beeinträchtigung des Verkehrs auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr; die Z. 4 des § 74 Abs. 2 GewO 1973 sei auch durch die Gewerberechtsnovelle 1988 nicht weggefallen. Es sei daher zusammenfassend im Rechtsbereich festzuhalten, daß ohne Vorschreibung der im Bescheid der Behörde zweiter Instanz enthaltenen und nunmehr bestätigten Auflagen eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs durch die Lkw des Beschwerdeführers erfolge, und dieser Zustand nur durch die vorgeschriebenen Auflagen geändert werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtvorschreibung der vom Abspruch des angefochtenen Bescheides erfaßten Auflagen verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, zentrale Frage der Beurteilung sei die "wesentliche Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs", die von der belangten Behörde gesetzwidrig gelöst worden sei. Abgesehen davon werde als Vorfrage zu klären sein, ob nicht der verfassungsmäßig gewährleistete Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz insofern verletzt sei, als Parkmanöver nichtbetrieblicher Fahrzeuge auf Straßen öffentlichen Verkehrs ebenfalls die gleichen Rückstauwirkungen hätten, daß also eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen dem "normalen Straßenbenützer" und einem "Straßenbenützer, der einen Gewerbebetrieb betreibt" erfolgt sei. Zuletzt habe die belangte Behörde dem Parteiengehör nicht ausreichend Rechnung getragen, "da eine uneingeschränkte Einsichtsmöglichkeit in den Akt durch 'Vorzensur' geschehen ist". Seinem Vertreter sei nämlich nur eine Kopie der gutachtlichen Äußerung des Sachbearbeiters C vom 3. Februar 1989 übermittelt worden, ohne daß er oder sein Vertreter die Möglichkeit gehabt hätten, zu prüfen, ob dies eine Teilkopie sei oder ob der komplette Akt damit übersendet worden sei. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid, es wäre dem Beschwerdeführer oder seinem Vertreter anheimgestellt gewesen, während der Amtsstunden in den gesamten Akteninhalt Einsicht zu nehmen, gehe insofern ins Leere, als ein derartiger Antrag gestellt worden sei, und zwar durch Übersendung des Aktes an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung/Außenstelle Klosterneuburg, daß aber diesem Antrag nicht Folge gegeben worden sei. In weiterer Folge enthält die Beschwerde Ausführungen darüber, daß ein normaler Einparkvorgang länger dauere als der hier in Rede stehende Betriebsvorgang und als solcher auch gleichartige Folgen hätte. Ausgehend davon habe aber die belangte Behörde den Begriff einer "wesentlichen Beeinträchtigung", der ausschließlich auf die Ortsüblichkeit abzustellen sei, unrichtig gelöst. Insbesondere liege eine Beantwortung dieser Frage auch nicht im Aufgabenbereich eines Sachverständigen. Der Vergleich mit den örtlichen Gegebenheiten sei Voraussetzung für eine gesetzeskonforme Beurteilung der angeblichen "Behinderung". Die zum Anlaßfall genommenen Verkehrsvorgänge, ausgelöst durch seine Lkw, stelle sich, da ja keine unmittelbare Immission der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 gegeben sei, so dar, daß die Lkw, solange sie die Fahrbahn der Y-Straße (öffentlicher Verkehr) benützten, eben wie andere Verkehrsteilnehmer zu behandeln seien. Ob nun der Lenker dieses Lkw etwa 43 bis 47 sec. brauche, um das Einfahrtstor aufzusperren und der Lkw in diesem Zeitraum den Nachfolgeverkehr zum Stillstand bringe, oder ob dieser Lkw, wie andere öffentliche Verkehrsteilnehmer einparken wolle, und dafür rund 30 bis 60 sec. benötige, und während dieser Zeit, also bis 60 sec. den Nachfolgeverkehr blockiere, sei bei Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes daher für die Beurteilung, ob eine Auflage im Sinne der Gewerbeordnung zu erteilen sei, irrelevant. Werde durch andere Verkehrsteilnehmer eine gleiche Behinderung des Verkehrs zulässigerweise erzeugt, dürfte dies auch der gewerblich genutzte Lkw. Abgesehen davon habe die belangte Behörde, obwohl rechtzeitig Beweisanträge gestellt worden seien, das Gesamtverkehrskonzept der Stadtgemeinde X, also die örtlichen Verhältnisse, die als Verkehrswerte heranzuziehen seien, nicht überprüft. Danach sei aber eine absichtliche Verlangsamung und Beruhigung des Verkehrs durch Rückbauten, "Engermachen", Einbauten von Schikanen (gerade in der Y-Straße) durchgeführt worden. Ob nun eine derartige Verlangsamung absichtlich oder im gegenständlichen Fall durch die Einfahrvorgänge hervorgerufen sei, sei in der Auswirkung unerheblich. Die in Rede stehenden Auflagen seien daher unzumutbar. Letztlich sei darauf hingewiesen, daß rein technisch eine Zurückversetzung des Tores nicht möglich sei, weil sich hier in der geforderten Tiefe des Einfahrtstores die Brunnenanlage für das Haus Y-Straße 60-62 befinde, und bautechnisch eine derartige Maßnahme nicht realisierbar sei.

Was die materielle Rechtslage betrifft, sind die in der Folge angeführten Bestimmungen unter Bedachtnahme auf Art. VI Abs. 1 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in ihrer hier im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 anzuwenden.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid und im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Gemäß § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit den Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1973 bereits in seinem Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 89/04/0004, unter Bezugnahme auf die dort angeführte weitere hg. Rechtsprechung dargelegt hat, ist die Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1973 immer schon dann gegeben, wenn die im § 74 Abs. 2 leg. cit. genannten Auswirkungen nicht auszuschließen sind, und zwar selbst dann, wenn es sich um Auswirkungen handelt, die für gewerbliche Betriebsanlage nicht spezifisch sind, sondern auch tatbestandsmäßig ohne Zusammenhang mit solchen Anlagen auftreten können.

Ausgehend von der sich so darstellenden, den Regelungsbereich der Gewerbeordnung betreffenden Rechtslage ergeben sich somit für den Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken für eine mangelnde Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmung, die ihn zu einer entsprechenden Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlassen würden. Sofern aber der Beschwerdeführer die Verletzung des "Gleichheitsgrundsatzes" durch den angefochtenen Bescheid geltend macht, wird darauf hingewiesen, daß die Prüfung eines individuellen Verwaltungsaktes unter einem derartigen Gesichtspunkt nicht in den Kompetenzbereich des Verwaltungsgerichtshofes fällt.

Der Beschwerde kommt aber im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

Bei dem Tatbestandsmerkmal einer "wesentlichen Beeinträchtigung" der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973 handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der sich an normativen Inhalten - hier dem Regelungsbereich der Gewerbeordnung - zu orientieren hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1972, Slg. N.F. Nr. 8230/A, u.a.). Solche Begriffe haben einen objektiven und nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Sinn, in dem sie auf Maßstäbe und Vorstellungen Bezug nehmen, die sich in bestimmten Lebens- und Sachbereichen herausgebildet haben (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1953, Slg. N.F. Nr. 2932/A). Daraus folgt aber, da im Regelungsbereich der Gewerbeordnung nicht etwa Verkehrsvorgänge als solche zu regeln sind, daß die Beantwortung der Frage der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales unter Bedachtnahme auf die konkreten Gegebenheiten der Betriebsanlage sowie auf die damit im örtlichen Zusammenhang vorgefundenen, den Verkehrsablauf bestimmenden Umstände zu beantworten ist.

Ausgehend davon und unter Berücksichtigung der in sachverhaltsmäßiger Hinsicht dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Feststellung, wonach die Zeitspanne zwischen Anhalten und Einfahren in das Betriebsareal bei geschlossenem Tor mit 40 bis 50 sec. ermittelt worden sei, und daß während dieser Zeit maximal 15 Kraftfahrzeuge hätten anhalten müssen (in der Zeit von 16.00 bis 17.00 Uhr), wobei während dieses Zeitraumes die Straße von 591 mehrspurigen Kraftfahrzeugen befahren worden sei, und weiters der Bescheidannahme, es sei in der Regel davon auszugehen, daß jeder der neun Betriebs-Lkw nur einmal pro Tag zur Betriebsanlage zurückkomme, kann auch unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, wonach es "möglich sei, daß sämtliche Lkw während einer kurzen Zeitspanne, die mit einem tageszeitlich bedingten starken Verkehrsaufkommen zusammenfalle, in die Betriebsanlage einfahren müßten", allein noch nicht erkannt werden, daß durch die betrieblichen Vorgänge eine in Bezug auf das zu berücksichtigende gesamte Verkehrsaufkommen in dem in Rede stehenden Bereich eine "wesentliche Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs" gegeben sei.

Abgesehen davon wäre es aber der belangten Behörde entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 79 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 auch oblegen, die Verhältnismäßigkeit der im Zusammenhang mit § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973 ins Auge gefaßten Auflagen sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht einer Erörterung zu unterziehen. Auch in dieser Hinsicht bieten die Darlegungen in der Bescheidbegründung keine ausreichende Grundlage für eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof.

Dafür, ob aber etwa unabhängig davon auch Nachbarinteressen (§ 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973) die Vorschreibung der in Rede stehenden Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1973 rechtfertigen würden, ergeben sich - abgesehen von der Frage der Zulässigkeit eines derartigen "Sachabspruches" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 (vgl. hiezu sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/04/0172) - aus den Bescheiddarlegungen gleichfalls keine entsprechenden Anhaltspunkte.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040277.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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