TE Vwgh Beschluss 1990/6/19 88/04/0068

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1990
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §47 Abs2 litb;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §56;
VwGG §58;

Betreff

N gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Jänner 1988, Zl. 309.094/2-III-3/88, betreffend Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (mitbeteiligte

Parteien: 1) A, 2) B, 3) C, 4) D, 5) E, 6) F, 7) G, 8)

H und 9) I)

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren hierüber eingestellt.

Die Anträge auf Aufwandersatz werden abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See hat mit Bescheid vom 5. August 1986 gemäß § 79 GewO 1973 für die Betriebsanlage des AN und der BN zur Ausübung des Gastgewerbes in X, Y-Straße, eine Reihe zusätzlicher Auflagen vorgeschrieben. Unter Pkt. 1) dieser Auflagen wurde die Betriebszeit des gegenständlichen Gastgewerbebetriebes auf die Zeit von 6.00 Uhr bis 1.00 Uhr beschränkt. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Betriebsinhaber und einiger Nachbarn hat der Landeshauptmann von Burgenland mit Bescheid vom 4. Dezember 1987 insofern Folge gegeben, als u. a. die Sperrstunde nunmehr mit 2.00 Uhr festgelegt und 15 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben wurden. Gleichzeitig wurde im Spruchteil II dieses Bescheides gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid allenfalls eingebrachten Berufung ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid erhob u. a. der Betriebsinhaber Berufung, die sich auch gegen den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung richtete. Mit Bescheid vom 29. Jänner 1988 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten u.a. der Berufung gegen die Ausschließung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Festlegung der Sperrstunde mit 2.00 Uhr keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - eine Gegenschrift.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1989 entschied der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufung des Beschwerdeführers sowie der Nachbarn gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 4. Dezember 1987 dahingehend, daß der angefochtene und der diesem zugrunde liegende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 5. August 1986 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See verwiesen wird.

Die hiezu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehörte beschwerdeführende Partei erklärte sich durch den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. Juni 1989 als klaglos gestellt, zumal sie in subjektiven Rechten nicht mehr verletzt sei. Sie beantragte neuerlich gemäß § 56 VwGG den Ersatz des Schriftsatzaufwandes.

Bei einer sogenannten Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann eine "Klaglosstellung" nur in einer formellen Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof verstanden werden (siehe den hg. Beschluß vom 9. April 1980, Slg. N. F. Nr. 10.092/A).

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch ein bei ihm anhängiges Verfahren wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen, wenn einerseits die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nicht vorliegen, andererseits aber auch kein Zurückweisungsgrund oder auch nicht Klaglosstellung im vorstehend angeführten Sinn vorliegt (vgl. den hg. Beschluß vom 24. Oktober 1985, Slg. N. F. Nr. 11.925/A). Der Verwaltungsgerichtshof ist zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen, wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer ohne objektiven Nutzen ist und die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen nur mehr theoretische Bedeutung besitzen. Fällt das Rechtsschutzinteresse im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weg, so führt dies zur Einstellung des Verfahrens (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1987, Zl. 86/12/0245).

§ 64 AVG 1950 lautet:

"(1) Rechtzeitig eingebrachte Berufungen haben aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen."

Durch die Behebung eines Bescheides im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG 1950 tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand. Die in unterer Instanz ergangenen Bescheide werden für die Zukunft, soweit sich aber behördliche Maßnahmen auf den Zeitraum des Berufungsverfahrens beziehen, auch für die betreffende in der Vergangenheit liegende Zeit aus dem Rechtsbestand beseitigt. Im Sinne dieser Beseitigungswirkung gehört mit dem Ergehen des Berufungsbescheides nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 - zufolge seines akzessorischen Charakters und seines durch § 64 Abs. 2 AVG 1950 gegebenen Inhaltes - nicht mehr dem Rechtsbestand an. Von der Beseitigungswirkung werden lediglich die behördlichen Maßnahmen, die auf Grund des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides in Verbindung mit dem nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 getroffenen Abspruch während der Dauer des Berufungsverfahrens rechtskräftig (z. B. rechtskräftiger Abschluß eines Verwaltungsstrafverfahrens) bzw. abschließend (z. B. eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung) getroffen wurden, nicht berührt (wobei es hinsichtlich rechtskräftiger Bescheide unter den Voraussetzungen der §§ 69 und 70 AVG 1950 allerdings zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kommen kann). Im übrigen aber ist ab der Behebung des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides durch die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 für die Zukunft und auch für den Zeitraum des Berufungsverfahrens, also für die Vergangenheit, davon auszugehen, daß der Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 aus der Rechtsordnung ausgeschieden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1979, Slg. N. F. Nr. 9968/A).

Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid mit der Erlassung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. Juni 1989, mit dem die Bescheide des Landeshauptmannes von Burgenland vom 4. Dezember 1987 und der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 5. August 1986 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben wurden, infolge seines akzessorischen Charakters aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Die vorliegende Beschwerde wurde somit gegenstandslos, ohne daß dies durch Klaglosstellung bewirkt worden wäre. Es war daher im Wege der Einstellung des Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit vorzugehen.

Der Einstellung des Verfahrens stehen auch keine allfälligen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes sich ergebenden - Bedenken entgegen, da im Hinblick auf die oben dargelegte Beseitigungswirkung des Ausspruches nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 im Hinblick auf bereits anhängige, jedoch noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren der Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 auch für die Vergangenheit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist und im Hinblick auf bereits rechtskräftige Bescheide unter den Voraussetzungen der §§ 69 und 70 AVG 1950 die Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht kommt. Weiters bestehen gegen die Einstellung des Verfahrens auch deswegen keine Bedenken, weil der angefochtene Bescheid - bei der im Beschwerdefall gegebenen Fallkonstellation - nicht auf seine Richtigkeit überprüft werden könnte. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren der Partei nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsbescheiden an sich, sondern auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist aber nicht das bestimmungsgemäße Ziel der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde selbst, sondern der Weg, auf dem die Aufhebung des Bescheides zu erreichen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 2. Dezember 1948, Slg. N. F. Nr. 612/A).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 VwGG. Wenn eine Beschwerde zwar gegenstandslos geworden, das Verfahren jedoch nicht wegen Klaglosstellung eingestellt wird, steht weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde noch den mitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Kostenersatz zu, weil weder die Bestimmung des § 56 VwGG anwendbar ist noch davon die Rede sein kann, daß die belangte Behörde sowie die mitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 Z. 2 in Verbindung mit § 47 Abs. 3 VwGG zu gelten haben (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 10. Jänner 1979, Slg. N. F. Nr. 9732/A).

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen istGültigkeit der Kostenbestimmungen InhaltlichMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere RechtsgebieteBelangte Behörde als nicht obsiegende NICHTOBSIEGENDE Partei Aufschiebende Wirkung DiversesEinstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §33 Abs1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988040068.X00

Im RIS seit

04.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten