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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991/431;Betreff
Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 15. November 1985, Zl. 6/1-1232/85, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1982 sowie Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1980 bis 1983 der mitbeteiligten Partei S
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligte erzeugt Schmuckstücke aus Edelmetallen und Edelsteinen, wobei sie das Material selbst einkauft. Gelegentlich bearbeitet sie auch beigestelltes Material und führt Reparaturen an Schmuckstücken durch. Ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit erklärte sie als solche aus selbständiger Arbeit. Die Umsätze unterzog sie dem für die Tätigkeit als Künstler vorgesehenen ermäßigten Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG.
Für die Jahre 1980 bis 1982 fand bei der Mitbeteiligten eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß die Lieferung der Schmuckwaren dem erhöhten Umsatzsteuersatz des § 10 Abs. 4 UStG (nach der damaligen Rechtslage: 30 v.H.) unterläge, während Reparaturen und die Bearbeitung von beigestelltem Material mit dem Normalsteuersatz zu versteuern seien. Einkommensteuerlich lägen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, von denen auch Gewerbesteuer zu entrichten sei.
Das Finanzamt folgte dem Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung. Sie habe in der Modeschule Hetzendorf die Spezialklasse für Goldschmiede absolviert. Es werde nicht bestritten, daß ihr in dieser Zeit die handwerksmäßig erlernbaren Fähigkeiten vermittelt worden seien. Es seien aber auch ihre schöpferischen Fähigkeiten gefördert worden, zumal damals (1945 bis 1950) keine andere Institution zur Erlernung der Goldschmiedekunst bestanden habe. Die Mitbeteiligte sei ihm Rahmen ihres "Kunstgewerbe-Ateliers" als Künstler schöpferisch tätig, indem sie ausgehend von der geistigen Idee über den niedergelegten (gezeichneten) Entwurf mit Hilfe von Edelmetallen und Edelsteinen künstlerische Schmuckstücke erzeuge. Diese seien Unikate und nicht reproduzierbar. Der künstlerische Charakter ihrer Tätigkeit werde auch durch ein Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht unterstrichen, mit dem ihre Qualifikation als bildender Künstler im Zusammenhang mit der Prüfung der Sozialversicherungspflicht bejaht worden sei. Weiters sei sie Mitglied der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Von den vereinnahmten Entgelten entfalle der überwiegende Teil auf das Material. Die Umsatzbesteuerung habe daher nach § 10 Abs. 4 und nicht nach § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG zu erfolgen. Außerdem handle es sich um eine handwerkliche Tätigkeit. Die daraus erzielten Einkünfte seien daher solche aus Gewerbebetrieb.
Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie sei seit Abschluß ihrer Ausbildung ohne Unterbrechung "freischaffend" tätig gewesen. Die rückwirkende Aberkennung ihrer Künstlereigenschaft verstoße gegen Treu und Glauben. Zur Erhärtung der Berufungsausführungen sei das Bundesministerium für Unterricht ersucht worden, eine "kommissionelle Prüfung der Zuerkennung der künstlerischen Tätigkeit" durchzuführen.
Mit Schreiben vom 30. Mai 1985 übermittelte das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport dem Finanzamt ein Gutachten aus dem Jahr 1981, das nach Einholung der gemäß § 115a GSPVG errichteten Kommission erstattet worden war. Das Gutachten lautete wie folgt:
"...
Die Genannte wurde gemäß § 8 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 145/1960 zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert. Sie ist dieser Aufforderung gefolgt und hat folgende Beweismittel übermittelt: Eine Mappe mit Fotos eigener Arbeiten. Diese Beweismittel wurden der Kommission gemäß § 115a GSPVG in ihrer Sitzung am 20. März 1961 vorgelegt. Aus dem Sitzungsprotokoll geht hervor, daß die Kommission diese Beweismittel geprüft und folgendes festgestellt hat:
Die vorgelegten Beweise lassen neben handwerksmäßiger Fertigkeit gewisse schöpferische Gestaltung in der Komposition erkennen. Bei der anschließenden Abstimmung hat die Kommission die Frage, ob eine freiberufliche Tätigkeit als bildender Künstler gegeben ist, einstimmig bejaht.
Nach eingehender Prüfung ist das Bundesministerium für Unterricht zu der Auffassung gelangt, daß das Abstimmungsergebnis in den Feststellungen, die die Kommission getroffen hat, schlüssig begründet ist; das Bundesministerium für Unterricht schließt sich dem Votum der Kommission an und bejaht im gegenständlichen Falle das Vorliegen einer Tätigkeit als bildender Künstler ..."
In der Folge erließ das Finanzamt einen Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1983, den die Mitbeteiligte unter Hinweis auf ihre Berufung gegen die auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen Abgabenbescheide ebenfalls mit Berufung bekämpfte.
In Beantwortung einer Anfrage teilte die Hochschule für angewandte Kunst in Wien der belangten Behörde mit, daß die Modeschule Hetzendorf nie Hochschulstatus gehabt habe. Die Studienrichtung "Produktgestaltung und Metall (bzw. früher Metallgestaltung)" an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (bzw. früher Akademie für angewandte Kunst in Wien) umfasse in ihrem Lehrangebot auch Gold- und Silberschmiedearbeiten. Es handle sich dabei um keine gewerbliche, sondern eine rein künstlerische Ausbildung.
In der mündlichen Berufungsverhandlung legte die Mitbeteiligte laut Niederschrift mehrere "Proben ihrer Kunst" vor und erläuterte hiezu, daß es sich jeweils um Unikate handle, die ihrer Meinung nach von einem Kunsthandwerker nicht in dieser Art hergestellt werden könnten. Insbesondere wies sie darauf hin, daß sie für jedes einzelne ihrer Schmuckstücke zunächst einen Entwurf anfertige und hiedurch geistig schöpferisch tätig werde. Anhand eines Fotoalbums erläuterte sie, wie aus ihren Entwürfen die "fertigen Kunstwerke" entstünden. Sie verkaufe ihre Erzeugnisse nur an Privatpersonen, nicht aber an den Fachhandel. Weiters brachte sie vor, sie habe die Punzierungsgenehmigung nur auf Grund ihrer künstlerischen Tätigkeit erhalten.
Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge, indem sie die Künstlereigenschaft der Mitbeteiligten bejahte, dementsprechend die Gewerbesteuerbescheide ersatzlos aufhob und lediglich auf dem Gebiet der Umsatzsteuer die auf Reparaturarbeiten entfallenden Entgelte dem Normalsteuersatz unterzog.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Präsident vertritt die Auffassung, daß die Tätigkeit der Mitbeteiligten nicht als künstlerische, sondern als kunsthandwerkliche zu beurteilen sei, und daß die Mitbeteiligte daher aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Weitere Konsequenz sei, daß die Umsätze nicht mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG zu versteuern seien.
Zunächst ist festzustellen, daß die Frage, ob eine Tätigkeit als künstlerisch oder kunsthandwerklich anzusehen ist, nur auf Grund von Tatsachen beurteilt werden kann und von der Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung auf Grund der aufgenommenen Beweise zu entscheiden ist. Die freie Beweiswürdigung der Behörde unterliegt aber nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit bzw. ihrer Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und allgemeinem menschlichem Erfahrungsgut der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Hingegen ist vom Gerichtshof nicht zu prüfen, ob sie im Einzelfall zu einem richtigen Ergebnis geführt hat (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 548 ff).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid durchaus schlüssig begründet. Sie ist zunächst von der hg. Rechtsprechung ausgegangen, wonach eine künstlerische Tätigkeit derjenige ausübt, der eine persönliche eigenschöpferische Tätigkeit in einem umfassenden Kunstfach auf Grund künstlerischer Befähigung entfaltet und nicht nur Erlernbares oder Erlerntes wiedergibt. Weiters hat die belangte Behörde richtig erkannt, daß die Ausbildung in der Modeschule Hetzendorf für sich allein keinen Schluß auf eine künstlerische Vorbildung der Mitbeteiligten zuläßt, und daß weder der behauptete urheberrechtliche Schutz ihrer Werke noch ihre Mitgliedschaft bei der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs noch das Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht, mit dem für Zwecke der gesetzlichen Sozialversicherung die freiberufliche Tätigkeit der Mitbeteiligten als bildender Künstler bejaht worden war, Umstände oder Beweismittel darstellten, mit denen für den Bereich des Steuerrechtes eindeutig der künstlerische Charakter der Tätigkeit der Mitbeteiligten erwiesen wäre. Wohl aber konnten alle diese Umstände als Indizien bei Beurteilung dieser Frage Berücksichtigung finden. Entscheidend ist letztlich, daß sich die belangte Behörde, wie der Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung und dem angefochtenen Bescheid entnommen werden kann, eingehend mit den von der Mitbeteiligten vorgelegten Werken auseinandergesetzt und in diesen Kunstwerke erblickt hat.
Der beschwerdeführende Präsident vermag dieser Beurteilung nichts Konkretes entgegen zu setzen. Außer der Zitierung zahlreicher hg. Erkenntnisse bringt er lediglich vor, daß die Entwürfe der Mitbeteiligten "einfache Bleistiftzeichnungen" und die abgebildeten Schmuckstücke solche seien, wie sie üblicherweise von allen Goldschmieden hergestellt würden. Auch sei nirgends festgehalten, daß diese Arbeiten aus den Jahren 1980 bis 1983 stammten.
Der Präsident übersieht dabei, daß für die Beurteilung von Werken als Kunstwerke zwar allgemein gültige Kriterien, wie insbesondere das eigenschöpferische Element und das Niveau des Werkes entscheidend sind, daß aber jede Entscheidung auf diesem Gebiet notwendigerweise eine Einzelentscheidung darstellt, die nicht ohne weiteres auf andere Sachverhalte übertragen werden kann. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes können daher für die Lösung der Frage, ob eine Tätigkeit künstlerisch ist oder nicht, nur Entscheidungskriterien, nicht aber Entscheidungsschemata gewonnen werden. Letztlich kann nur das geschaffene Werk Aufschluß darüber geben, ob ein Kunstwerk vorliegt oder nicht. Diese Prüfung hat die belangte Behörde anhand mehrerer Werke der Mitbeteiligten vorgenommen. Soweit es sich dabei um fotografisch wiedergegebene Werke handelt, liegen sie auch dem Gerichtshof vor. Sie bieten keine Veranlassung, um die Beurteilung der belangten Behörde, daß es sich dabei um Kunstwerke handelt, als unschlüssig und den Denkgesetzen widersprechend anzusehen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Abschließend sei bemerkt, daß die Präsidentenbeschwerde ausdrücklich nur die Frage der Künstlereigenschaft der Mitbeteiligten betraf. Dem Gerichtshof war es daher verwehrt, sich mit der weiteren Frage auseinanderzusetzen, ob nicht im Beschwerdefall ungeachtet des Vorliegens einer künstlerischen Tätigkeit die Bestimmung des § 10 Abs. 4 UStG anzuwenden gewesen wäre, wonach sich die Steuer für Lieferungen der in der Anlage B aufgezählten Gegenstände, zu denen auch Schmuckwaren aus Edelmetallen und/oder Edelsteinen zählen, auf (damals) 30 v.H. erhöhte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1986130008.X00Im RIS seit
20.06.1990