TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/20 89/13/0258

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

K gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Oktober 1989, GZ. GA 7 - 1483/88, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Konkursedikt des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juli 1982 wurde der Konkurs über das Vermögen der Firma C-Warenhandel IH in Wien eröffnet. Zum Masseverwalter wurde der Beschwerdeführer bestellt. Da, wie in der Beschwerde unbestrittenermaßen dargelegt wird, ein Zwangsausgleich beabsichtigt war, wurde das gesamtschuldnerische Unternehmen für Rechnung der Konkursmasse unter Verantwortlichkeit des Masseverwalters fortgeführt. Am 27. Dezember 1985 überreichte dieser jedoch, als "feststand, daß die restlichen Raten des Zwangsausgleiches, die Forderungen der Konkursgläubiger der ersten und zweiten Klasse und die während des Konkursverfahrens angefallenen Masseforderungen bei der Wiener Gebietskrankenkasse in absehbarer Zeit nicht befriedigt werden konnten und die Gefahr bestand, daß auch die vorhandenen Betriebsmittel keine Deckung mehr für die Außenstände bieten könnten" beim Handelsgericht Wien den Schließungsantrag. Mit Beschluß vom 24. Februar 1986 hat das Konkursgericht hierauf das Zwangsausgleichsverfahren abgebrochen und die Verwertung der Konkursmasse beschlossen.

Am 21. März 1988 richtete das Finanzamt an den Beschwerdeführer als Masseverwalter eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich eines während des Konkurses fällig gewordenen Abgabenbetrages in Höhe von S 908.315,50. Mit Schreiben vom 6. April 1988 teilte hierauf der Beschwerdeführer der Behörde mit, "daß auf Grund der Vermögenslosigkeit der Konkursmasse Ausschüttungen der Masseforderungen vorerst nicht erfolgen können".

In der Folge nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Masseverwalter mit Bescheid vom 20. April 1988 gemäß § 9 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschulden der IG (früher: H) im Ausmaß von S 764.782,-- in Anspruch.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Während des Fortbetriebes habe er der Gemeinschuldnerin gegenüber darauf gedrungen, daß die Abgaben in richtiger Höhe und pünktlich bezahlt würden. Die Gemeinschuldnerin habe ihm die ordnungsgemäße Entrichtung der Steuern immer wieder bestätigt.

Da vom Finanzamt nur sporadisch Mahnungen über Voranmeldungsmängel und keine Mahnungen über rückständige Abgaben ergangen seien, habe der Beschwerdeführer angenommen, daß die Gemeinschuldnerin ihren Abgabenverpflichtungen nachkomme. Auch die ihm zugekommenen Kontonachrichten des Finanzamtes hätten keine Saldenveränderungen erkennen lassen.

Nach den ihm nach der Betriebsschließung zur Verfügung stehenden Unterlagen seien Masseforderungen von nur rund S 18.000,-- während des Konkursverfahren angefallen, die nicht beglichen worden wären. Die Vorschreibungen der nunmehr aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten von ca. 764.000,-- seien zum Teil erst nach der Betriebsschließung erfolgt.

Kurz nach der Schließung des Betriebes der Gemeinschuldnerin habe diese ohne Wissen des Beschwerdeführers den gesamten Maschinenpark (Verkehrswert rund S 140.000,--) und das gesamte Warenlager an einen Dritten veräußert. Über die Rückgabe der Maschinen und etwaigen Schadenersatz sei ein Rechtsstreit beim Handelsgericht Wien anhängig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer nur mehr für Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von S 470.909,-- (bisher S 764.782,--) zur Haftung herangezogen werde und wies im übrigen die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Masseverwalter den im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Vertretern zuzurechnen.

Die Uneinbringlichkeit der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten ergebe sich aus dem Schreiben des Masseverwalters vom 6. April 1988, wonach wegen Vermögenslosigkeit der Konkursmasse Ausschüttungen der Masseforderungen vorerst nicht erfolgen könnten.

Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer (S 47.712,--) und der Umsatzsteuer (S 391.996,--) bedeute schon die Nichtabfuhr dieser Beträge durch den Beschwerdeführer eine schuldhafte Verletzung seiner Verpflichtungen als Masseverwalter. Was die Lohnsteuer anlange, werde in diesem Zusammenhang auf § 78 Abs. 3 EStG 1972 verwiesen. Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei davon auszugehen, daß diese mit den Preisen für die Leistungen der Gesamtschuldnerin eingenommen worden sei, sodaß in deren Nichtabfuhr auch ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden liege.

Was die Entrichtung der übrigen im Haftungsbescheid angeführten Abgaben anlange, seien dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben zumindest bis Anfang 1986 ausreichende Mittel zur Verfügung gestanden. Somit stelle auch die Nichtabfuhr der vor 1986 fällig gewordenen sonstigen Steuern eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers dar.

Da nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers feststehe, daß ab Anfang 1986 die Mittel zur Befriedigung der Masseforderungen nicht ausgereicht hätten, könne ihm hinsichtlich der ab diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Abgabenbeträge keine schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht vorgeworfen werden.

Die Umstände, daß der Beschwerdeführer keine Kenntnis über den vollen Umfang der Masseforderungen gehabt und ihm die Gemeinschuldnerin die pünktliche Zahlung der Abgaben bestätigt habe, vermöchten ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichterfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung nicht auszuschließen. Es wäre ihm vielmehr die Pflicht oblegen, die Gemeinschuldnerin bei ihrer Tätigkeit zu überwachen und zwar in solchen Abständen, daß ihm keine Steuerrückstände hätten verborgen bleiben können. Der Beschwerdeführer hätte sich daher nicht mit der Bestätigung der Zahlungen durch die Gemeinschuldnerin begnügen dürfen, sondern er hätte auch Belege über den Nachweis der Zahlungen verlangen müssen.

Daß die während der Betriebsfortführung entstandenen Abgabenschulden weder gemeldet noch entrichtet worden seien, hätte der Beschwerdeführer schon auf Grund der von ihm vorgebrachten Tatsache erkennen können, daß die ihm zugekommenen Kontonachrichten keine Saldenveränderungen angezeigt hätten.

Da die Zahlungspflicht nicht von einer Mahnung sondern lediglich von der Fälligkeit der Abgaben abhänge, gehe auch der Hinweis auf nicht erfolgte Mahnungen ins Leere.

Die Veräußerung des Maschinenparkes und des Warenlagers sowie das Verschwinden der Buchhaltungsunterlagen "sind schon infolge Einschränkung der Haftung auf die Abgaben der Jahre 1983 bis 1985 nicht entscheidungswesentlich".

Im Hinblick darauf, daß Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen seien, sei auch der angenommene Zwangsausgleich der Erfüllung der Zahlungspflicht nicht im Wege gestanden.

Weitere Gründe, die den Beschwerdeführer ohne sein Verschulden gehindert hätten, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen, seien nicht vorgebracht worden, weshalb die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung habe annehmen dürfen, "welche unbestritten auch zur Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung geführt hat".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Streitfall ist zunächst davon auszugehen, daß - wie in der Beschwerde richtig ausgeführt wird - im Hinblick auf die vorliegende Konkurseröffnung vom 30. Juli 1982 auf das Konkursverfahren noch die Bestimmungen der Konkursordnung vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982 anzuwenden sind.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 9 Abs. 1 leg. cit. zufolge haften die in den §§ 80 f bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1985, Zl. 84/13/0085, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 181), von welcher abzugehen der Verwaltungsgerichtshof auch im Beschwerdefall keine Veranlassung sieht, ist der Masseverwalter den in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Vertretern zuzurechnen. Auch wenn es - wie vorliegendenfalls - zu einem Konkursfortbetrieb durch den Gemeinschuldner kommt, hat daher der Masseverwalter als dessen gesetzlicher Vertreter gemäß § 80 Abs. 1 BAO unter der Sanktion des § 9 Abs. 1 BAO die sich aus einem solchen Betrieb ergebenden abgabenrechtlichen Pflichten wahrzunehmen bzw. die Erfüllung dieser Pflichten zu überwachen. In diesem Sinn hat er auch die maßgebenden abgabenrechtlichen Aufzeichnungen, soweit sie nicht von ihm selbst, sondern vom Gemeinschuldner oder einem Dritten geführt werden, laufend Überprüfungen zu unterziehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1987, Zlen. 85/17/0104, 0152).

Im Beschwerdefall steht nicht in Streit, daß es sich bei dem gegenüber dem Beschwerdeführer im Wege der Haftung geltend gemachten Abgabenbetrag um Masseforderungen handelt, deren Fälligkeit in die Jahre 1983 bis 1985 fiel. Daß in den Streitjahren die entsprechenden Mittel zur Bezahlung der in Rede stehenden Steuern nicht vorhanden gewesen seien, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Die Finanzverwaltung als Massegläubiger wäre daher gemäß § 124 Abs. 1 KO mit ihren betreffenden Ansprüchen im Fälligkeitszeitpunkt zu befriedigen gewesen.

Unbestritten ist aber auch, daß der Beschwerdeführer der Finanzbehörde mit Schreiben vom 6. April 1988 ausdrücklich mitteilte, daß Masseforderungen - wie die in Streit stehenden - wegen Vermögenslosigkeit der Konkursmasse nicht befriedigt werden könnten.

Wenn nun, unter Berücksichtigung dieses unbestrittenen Sachverhaltes, vom Beschwerdeführer selbst ausgeführt wird, er habe sich hinsichtlich der ihm als Vertreter der Gemeinschuldnerin im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO erlegten abgabenrechtlichen Pflichten darauf beschränkt, "den Versicherungen der Inhaberin der Gemeinschuldnerin", was die ordnungsgemäße Abfuhr der Abgaben betrifft, zu vertrauen, und es daher offenbar unterließ, in diesem Zusammenhang irgendwelche Überprüfungs- oder Überwachungsmaßnahmen zu setzen, so durfte die belangte Behörde zu Recht zu dem Schluß gelangen, daß der Beschwerdeführer die ihm auferlegten Pflichten schuldhaft verletzte und aus diesem Grund die in Rede stehenden Abgaben nicht eingebracht werden können.

Die Behauptung, daß vielleicht irgendwann in Zukunft nach Durchführung verschiedener Prozesse die Masse noch in die Lage versetzt werden wird, die fraglichen Steuerrückstände zur Gänze oder zu irgendeinem Teil aus eigenem zu entrichten, verhilft im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf das diesbezüglich nicht konkretisierte Vorbringen der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren der Beschwerde nicht zum Erfolg. Dasselbe gilt für die Behauptung, daß die Gemeinschuldnerin nach Ablauf des Streitzeitraumes, also zu einem Zeitpunkt, in welchem die in Rede stehenden Abgaben längst fällig waren und daher zu entrichten gewesen wären, ihren Maschinenpark und ihr Warenlager - offensichtlich unrechtmäßig - veräußerte.

Da demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erscheint, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wird gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130258.X00

Im RIS seit

20.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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