TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/20 89/13/0023

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §187;
BAO §188;
B-VG Art140 Abs7;
EStG 1972 §4 Abs4 Z6;
GewStG §4 Abs2;
GewStG §6 Abs3;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991/53;

Betreff

1) EE 2) AE gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. November 1988, Zl. 6/4-2161/3/86, betreffend Gewerbesteuer 1984 sowie Gewerbesteuervorauszahlung 1986

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer führen einen Gewerbebetrieb (Schuheinzelhandel), den sie im Erbweg nach ihrem im Jahr 1982 verstorbenen Vater erworben haben. In der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1984 machten sie Fehlbeträge gemäß § 6 Abs. 3 GewStG aus den Jahren 1979 bis 1981 sowie 1983 geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte nur den Fehlbetrag aus dem Jahr 1983. Den Fehlbeträgen aus den Jahren 1979 bis 1981 wurde die Abzugsfähigkeit mit der Begründung versagt, daß das Recht, Fehlbeträge aus Vorjahren bei der Ermittlung des Gewerbeertrages abzuziehen, an die Person des Gewerbetreibenden gebunden sei. Dieses Recht gehe auch nicht auf einen allfälligen Gesamtrechtsnachfolger über.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Infolge des unentgeltlichen Erwerbes des Gewerbebetriebes sei dessen Identität erhalten geblieben, sodaß auch Fehlbeträge aus jenen Zeiträumen berücksichtigt werden müßten, in denen der Gewerbebetrieb noch dem Vater der Beschwerdeführer zuzurechnen gewesen sei.

Gleichzeitig bekämpften die Beschwerdeführer auch den Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 1986 und beantragten die Herabsetzung der Vorauszahlung.

Die belangte Behörde richtete an die Beschwerdeführer einen Vorhalt, in dem auf die Bestimmung des § 4 Abs. 2 GewStG verwiesen wurde, wonach ein Gewerbebetrieb, der auf einen anderen Unternehmer übergehe, in jedem Fall als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt und durch den Erwerber neu gegründet gelte.

In Beantwortung des Vorhaltes brachten die Beschwerdeführer vor, daß der Verfassungsgerichtshof zwischenzeitig die Bestimmung des § 4 Abs. 2 GewStG als verfassungswidrig aufgehoben habe. Das Verlustvortragsrecht müsse aus dem Blickwinkel einer Gesamtgewinnbesteuerung gesehen werden. Würde man Fehlbeträge unberücksichtigt lassen, so hätte dies eine unrichtige Ermittlung des Gesamtgewinnes zur Folge. Auch sei zu beachten, daß die Erben eines Gewerbetreibenden jene Verpflichtungen zu erfüllen hätten, die auf vergangene Verluste zurückzuführen seien. Es würde daher nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen, wenn die Verluste selbst bei den Erben steuerlich unberücksichtigt blieben. Dementsprechend habe auch das Bundesministerium für Finanzen bereits erlaßmäßig klargestellt, daß der Erbe (die Erben) auf dem Gebiet der Einkommensteuer Verluste des Erblassers vortragen könnten.

Die belangte Behörde wies die Berufung unter Hinweis auf die Bestimmung des § 4 Abs. 2 GewStG, die im Beschwerdefall noch anzuwenden sei, ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Erkenntnis vom 5. März 1988, G 248/87-6, hat der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 4 Abs. 2 GewStG als verfassungswidrig aufgehoben und für das Außerkrafttreten eine Frist bis zum Ablauf des 31. Dezember 1988 gesetzt. Dadurch wurde die betreffende Vorschrift verfassungsrechtlich unangreifbar. Sie ist gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles (der Anlaßfälle) weiterhin anzuwenden, weil der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausgesprochen hat. Der Beschwerdefall ist kein Anlaßfall.

Damit gehen alle Argumente der Beschwerde, die sich mit dem verfassungswidrigen Inhalt der aufgehobenen Bestimmung befassen, ins Leere, weil eine diesbezügliche Überprüfung nicht mehr in Betracht kommt.

Die aufgehobene Bestimmung lautete wie folgt:

"Ein Gewerbebetrieb, der im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht, gilt in jedem Fall als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. Er ist als durch den anderen Unternehmer neu gegründet anzusehen, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. Zeitpunkt der Einstellung und Zeitpunkt der Neugründung ist der Zeitpunkt des Unternehmerwechsels."

Der Verfassungsgerichtshof hat seine Aufhebung im wesentlichen damit begründet, daß § 4 Abs. 2 GewStG die Berücksichtigung von Fehlbeträgen, die beim Erblasser entstanden sind, AUSSCHLIEßT, daß aber kein Grund ersichtlich sei, der dies sachlich rechtfertigen würde. Bedenke man nämlich die wirtschaftliche Identität des Betriebes, dessen Vermögensrechnung ungeachtet des Erbgangs fortgeführt werde, und bedenke man weiters, daß der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger umfassend in die wirtschaftliche und steuerliche Stellung des Erblassers eintrete, sämtliche Vermögenswerte des Erblassers übernehme und auch für Verbindlichkeiten des Erblassers einzustehen habe, so scheine kein sachlicher Grund dafür erkennbar zu sein, daß der Erbe hinsichtlich des Verlustvortrages anders behandelt werde, als der Betriebsinhaber behandelt würde, wenn kein Erbgang erfolgt wäre.

War aber die Bestimmung, die die Berücksichtigung von Fehlbeträgen des Erblassers beim Erben AUSGESCHLOSSEN hat, im Beschwerdefall noch anzuwenden, so folgte aus der Bindung der belangten Behörde an das Gesetz, daß sie im Beschwerdefall den Fehlbeträgen, die noch dem Erblasser zuzurechnen waren, die steuerliche Abzugsfähigkeit versagen mußte. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.

Die Beschwerdeführer erklären sich weiters dadurch beschwert, daß die belangte Behörde ihrem in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Eventualantrag nicht stattgegeben habe, mit dem die Bildung einer entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung begehrt worden sei.

Im angefochtenen Bescheid wird dies damit begründet, daß § 4 Abs. 4 Z. 6 EStG insoweit ein Bilanzberichtigungsverbot vorsehe, als der Umstand allein, daß eine Gewerbesteuerrückstellung nicht oder zu niedrig gebildet wurde, den Steuerpflichtigen nicht berechtige, die Bilanz nach ihrer Einreichung beim Finanzamt zu berichtigen.

Aus nachstehendem Grund erübrigt es sich im Beschwerdefall darauf einzugehen, ob die belangte Behörde diese Bestimmung zu Recht für ihre Entscheidung herangezogen hat, oder ob nicht die aus der Nichtanerkennung der Gewerbesteuerfehlbeträge resultierende Gewerbesteuerbelastung durchaus einen Grund für die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung im Wege einer Bilanzberichtigung geboten hätte, zumal die Beschwerdeführer darauf hingewiesen haben, daß für den Fall der Berücksichtigung der Gewerbesteuerfehlbeträge keine Gewerbesteuerrückstellung zu bilden gewesen wäre, oder anders ausgedrückt, daß die Nichtberücksichtigung der Gewerbesteuerfehlbeträge der einzige Grund für die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung gewesen wäre.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeführt hat, war Gegenstand der Berufung nur der Gewerbesteuerbescheid 1984 sowie der Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheid 1986. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb, bei dessen Ermittlung die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung allein in Betracht gekommen wäre, wurde jedoch gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt. Dieser Feststellungsbescheid war gemäß § 192 BAO dem Gewerbesteuerbescheid zu Grunde zu legen. Letzterer konnte daher gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht mit der Begründung angefochten werden, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unrichtig waren. An dieser rechtlichen Bindung des Gewerbesteuerbescheides an den Gewinnfeststellungsbescheid würde auch der Umstand nichts ändern, daß die Entscheidung über die Berücksichtigung von Fehlbeträgen im Gewerbesteuerverfahren zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem der für die Gewerbeertragsermittlung maßgebende Gewinnfeststellungsbescheid bereits rechtskräftig und damit unanfechtbar geworden ist. In solchen Fällen kann die mit der Gewerbesteuerfestsetzung bewirkte Erhöhung bzw. Minderung der Gewerbesteuerschuld erst in jener Gewinnermittlungsperiode berücksichtigt werden, in der der Gewerbesteuerbescheid ergeht.

Auch hinsichtlich des sogenannten Eventualantrages zeigt die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit auf.

Schließlich wird in der Beschwerde als Beschwerdepunkt noch gerügt, daß die Berufung gegen den Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheid 1986 ohne Begründung abgewiesen worden sei.

Zu Recht weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß gemäß § 22 GewStG die Gewerbesteuervorauszahlung gleich ist der Gewerbesteuerschuld, die sich bei der Veranlagung für das letztvorangegangene veranlagte Kalenderjahr ergeben hat. Da somit im Beschwerdefall die Gewerbesteuervorauszahlung 1986 unter Zugrundelegung der Gewerbesteuerschuld 1984 festzusetzen war, erübrigte sich eine gesonderte Begründung des Vorauszahlungsbescheides. Aber selbst wenn man darin, daß im Vorauszahlungsbescheid 1986 ein entsprechender Hinweis auf die Begründung des Gewerbesteuerbescheides 1984 fehlte, einen Verfahrensmangel erblicken wollte, so könnte dies zu keiner Aufhebung des Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheides 1986 führen, weil die belangte Behörde auch bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu keinem anderslautenden Bescheid gelangt wäre.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130023.X00

Im RIS seit

20.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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