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L17007 Gemeindeeigener Wirkungsbereich Tirol;Norm
StGB §5;Betreff
N gegen Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14. Februar 1989, Zl. Taub-67.955/2a-89 N betreffend Übertretung nach § 1 und § 2 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwaz über das Verbot des Taubenfütterns vom 2. Mai 1984
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungserkenntnis wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Schwaz vom 25. August 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 als unbegründet ab und setzte gemäß § 64 VStG 1950 den Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens mit S 330,-- fest.
Das erstinstanzliche Straferkenntnis hatte gelautet:
"Sie haben am 19., 20. und 21.1.1988, jeweils zwischen 10,45 Uhr und 11,50 Uhr, am 23., 24. und 29.2. sowie am 3.3.1988, jeweils zwischen 11,45 Uhr und 12,00 Uhr, am 11.3.1988 um 11,05 Uhr, am 14.3.1988 um 11,35 Uhr, am 16.3.1988 um 11,45 Uhr und am 18.3.1988 um 11,55 Uhr auf dem Balkon des Hauses X-Straße nn, Schwaz, Tauben gefüttert. Sie haben dadurch § 1 der Verordnung über das Verbot des Taubenfütterns (Beschluß des Gemeinderates vom 2.5.1984) verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie gemäß § 2 dieser zitierten Verordnung eine Geldstrafe von je S 300,--, insgesamt daher S 3.300,-- verhängt, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von je 10 Stunden, insgesamt daher 110 Stunden.
Ferner haben sie gem. § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) je S 30,--, insgesamt daher S 330,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe, zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 3.660,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)."
Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid folgenden Sachverhalt als erwiesen zu Grunde:
Die Beschwerdeführerin bewohne eine Wohnung im Haus Schwaz, X-Straße nn. Auf einem Balkon dieser Wohnung bringe sie des öfteren Vogelfutter aus. Sie lege das Futter in Häufchen auf den Balkon aus. Besondere Vorrichtungen, um Vögel bestimmter Art abzuhalten, seien nicht vorhanden. In diesem Bereich hielten sich sodann nach Ausbringen des Futters Vögel in größerer Anzahl auf, und zwar auch Dohlen und Tauben.
Die belangte Behörde gründete diese Feststellungen auf die Angaben in den Anzeigen der städtischen Sicherheitswache Schwaz, die Aussagen des Zeugen M vom 25. März und 24. November 1988 sowie auf die Angaben der Beschwerdeführerin. Diese habe nicht bestritten, zu den angeführten Zeitpunkten Vogelfutter ausgebracht zu haben. In ihrer Aussage vom 2. Februar 1988 habe sie selbst eingeräumt, "daß sich bei der Fütterung auch Tauben hinzugesellen".
Rechtlich erachtete die belangte Behörde eine Übertretung des § 1 der oben zitierten Verordnung in objektiver Hinsicht als erfüllt, weil es zur Fütterung von Tauben gekommen sei. In subjektiver Hinsicht lastete sie der Beschwerdeführerin bedingten Vorsatz an, weil ihr bewußt gewesen sei, daß sie durch das Ausbringen von Futter auch Tauben füttere und sie diese Folge ihres Handelns in Kauf genommen habe. Bei der Strafzumessung berücksichtigte die belangte Behörde, daß es durch das Verhalten der Beschwerdeführerin tatsächlich zu einer Beeinträchtigung jenes Interesses gekommen sei, welches durch die verletzte Vorschrift geschützt werden solle und wertete als erschwerend, daß die Beschwerdeführerin bereits rechtskräftig wegen gleichartiger Verwaltungsübertretungen bestraft worden sei. Milderungsgründe stellte die belangte Behörde keine fest. Da die verhängten Geldstrafen von jeweils S 300,-- sich ohnehin im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens befänden, erachtete die belangte Behörde auch eine detaillierte Erhebung der Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin für überflüssig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten, nicht nach §§ 1 und 2 der oben zitierten Verordnung bestraft zu werden und auf richtige Anwendung des § 19 VStG 1950 verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwaz vom 2. Mai 1984, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 3. Mai 1984 bis 17. Mai 1984 und vom 4. Juni 1984 bis zum 19. Juni 1984 (vgl. dazu das bei den Verwaltungsakten befindliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1989, Zl. V 196/88), ist im Ortsgebiet Schwaz (innerhalb der Ortstafeln) das Füttern von Tauben zur Vermeidung ihrer weiteren Zuwanderung und Vermehrung ausnahmslos verboten. Übertretungen nach § 1 dieser ortspolizeilichen Verordnung werden gemäß § 2 der genannten Verordnung mit einer Geldstrafe von bis zu S 5.000,-- oder Arreststrafe bis zu drei Wochen bestraft.
§ 5 Abs. 1 VStG 1950 lautet:
"Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Doch zieht schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist."
Gemäß § 5 Abs. 1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Auszugehen ist davon, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin hinsichtlich der subjektiven Tatseite bedingten Vorsatz (dolus eventualis) angelastet hat, und zwar auf der Tatsachengrundlage der Aussage der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 2. Februar 1988:
"Ich gebe auch zu, daß sich bei der Fütterung (von Dohlen) bei mir zu Hause auch Tauben hinzugesellen, um den letzten Rest der Fütterung aufzupicken."
Da die Schuldformen des Vorsatzes im Verwaltungsstrafgesetz 1950 nicht definiert werden, sind sie nach herrschender Ansicht in dem von § 5 StGB umschriebenen Sinn zu verstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 85/01/0149, Slg. N.F. 11.940/A; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4 Rz. 738). Unter bedingtem Vorsatz versteht die herrschende Lehre und Judikatur zum StGB, daß der Täter den tatbildmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt, seinen Eintritt auch nicht als gewiß voraussieht, ihn aber ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (vgl. z.B. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2 Rz. 14 zu § 5 StGB). Von der sogenannten bewußten Fahrlässigkeit unterscheidet sich der bedingte Vorsatz dadurch, daß der Täter sich trotz der erkannten Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes zur Tat entschließt, weil er auch einem solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist (Foregger-Serini, StGB4 Anm. IV zu § 5 StGB). Gerade darin liegt das sachlich entscheidende Merkmal des bedingten Vorsatzes. Der Täter muß nämlich die das Tatbild verwirklichende Sachverhaltsgestaltung POSITIV BEWERTET haben, bloße Gleichgültigkeit genügt nicht (Nowakowski im Wiener Kommentar zum StGB Rz. 14 zu § 5 StGB insbesondere unter Berufung auf die Erkenntnisse des OGH 13 Os 20/78 und 12 Os 69/77 sowie EvBl 1975/282 und ÖJZ-LSK 1978/160; ebenso Leukauf-Steininger aaO Rz. 17). Der Täter muß sich sohin mit den Möglichkeiten, die aus seinem Verhalten entstehen könnten, emotional auseinandergesetzt und ihre Verwirklichung bejaht haben (Nowakowski aaO).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage bietet aber die vorliegende Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie gebe zu, daß "sich Tauben hinzugesellen" noch keine Grundlage für die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe mit bedingtem Vorsatz gehandelt, weil Anhaltspunkte über das erforderliche positive Bewerten des negativen Erfolges ihres Verhaltens (nämlich der mit der Fütterung von Dohlen allenfalls verbundenen Nahrungsaufnahme durch sich hinzugesellende Tauben) durch die Beschwerdeführerin den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen sind. Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie der Beschwerdeführerin bedingten Vorsatz zugerechnet hat, ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Was die Frage anlangt, ob der Beschwerdeführerin bereits auf Grund der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, ist darauf zu verweisen, daß es sich bei der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung nicht um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG 1950 handelt, weil zum Tatbestand der Übertretung des § 1 der zitierten Verordnung der Eintritt der Gefahr der weiteren Zuwanderung und Vermehrung von Tauben gehört. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, auch eine der Beschwerdeführerin angelastete Fahrlässigkeit im einzelnen näher dazulegen und zu begründen.
Da der angefochtene Bescheid bereits wegen der oben aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die
übrigen Argumente der Beschwerdeführerin.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010068.X00Im RIS seit
20.06.1990