Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 46;Betreff
P gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. April 1989, Zl. GA 5-232/1/89, betreffend Rückzahlung von Lohnsteuer gemäß § 240 BAO
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielt als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Mai 1988 erhielt sie vom Stadtschulrat für Wien eine Nachzahlung für die Zeit vom Jänner 1985 bis Juni 1988 in Höhe von insgesamt S 112.730,80, von der Lohnsteuer im Ausmaß von insgesamt S 39.122,40 einbehalten wurde. Die Lohnsteuer war aufgegliedert in Lohnsteuer "LFD" S 2.913,80 und Lohnsteuer "FIX" S 36.208,60.
Mit der Begründung, die Besteuerung entspreche nicht § 67 Abs. 8 EStG, beantragte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt für Körperschaften die Erstattung der "zuviel einbehaltenen Lohnsteuer".
Das Finanzamt ersuchte den Stadtschulrat für Wien, die Versteuerung der Nachzahlung detailliert aufzugliedern und das Lohnkonto 1988 zu übersenden. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet und auch das Finanzamt traf keine Erledigung.
Im Februar 1989 stellte die Beschwerdeführerin an die belangte Behörde einen Devolutionsantrag gemäß § 311 BAO, den sie mit dem bisherigen Untätigbleiben des Finanzamtes begründete.
Die belangte Behörde wies den Antrag mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, einwandfrei darzutun, daß Steuerbeträge zu Unrecht entrichtet worden seien.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 240 Abs. 3 BAO kann der Steuerpflichtige bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung von Lohnsteuer folgt, die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages beantragen, soweit nicht eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 der zitierten Bestimmung, im Wege des Jahresausgleiches oder im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder bereits erfolgt ist.
Einen solchen Antrag hat die Beschwerdeführerin gestellt, wobei sie die Auffassung vertrat, daß die Versteuerung ihrer Nachzahlung nicht dem § 67 Abs. 8 EStG entsprochen habe.
Nun trifft es zwar zu, daß in Fällen, in denen die Abgabenbehörde nur über Antrag des Abgabepflichtigen tätig wird, die amtswegige Ermittlungspflicht des § 115 BAO gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen in den Hintergrund tritt (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Seite 269 ff und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß die Abgabenbehörde in solchen Fällen von ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht völlig entbunden wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1989, Zl. 85/13/0001). So ist auch die Frage, ob und in welcher Höhe zu Unrecht Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wurde, über entsprechenden Antrag von der Abgabenbehörde zu klären. Die genaue Kenntnis darüber, wie und in welcher Höhe die einzelnen Lohnbestandteile zu versteuern sind, insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen und durchaus nicht einfachen Sonderregelungen der §§ 67 und 68 EStG, ist dem durchschnittlichen Abgabepflichtigen nicht zumutbar. Für einen Rückzahlungsantrag nach § 240 Abs. 3 BAO betreffend Lohnsteuer muß es daher genügen, daß der Lohnsteuerpflichtige konkretisiert, welche gesetzliche Vorschrift beim Steuerabzug vom Arbeitslohn unbeachtet geblieben ist oder unrichtig angewendet wurde. Nicht ist es hingegen erforderlich, daß der Antrag eine einwandfreie Lohnsteuerberechnung enthält, aus der das Ausmaß der zu Unrecht entrichteten Lohnsteuer ziffernmäßig ersichtlich ist.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag damit begründet, daß die Besteuerung nicht § 67 Abs. 8 EStG entspreche, und damit konkretisiert, gegen welche gesetzliche Vorschrift ihres Erachtens bei der Steuerbemessung verstoßen worden sei. Der angefochtene Bescheid, mit dem ihr Antrag abgewiesen wurde, enthält als Begründung lediglich die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan, warum die Lohnsteuer zu Unrecht entrichtet worden sein sollte. Der Bescheid läßt nicht erkennen, daß die belangte Behörde bemüht war, die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Besteuerung entspreche nicht § 67 Abs. 8 EStG, zu überprüfen, wobei die Beschwerdeführerin allenfalls aufzufordern gewesen wäre, die konkreten Gründe vorzubringen, die ihres Erachtens zu einer unrichtigen Lohnsteuerbemessung geführt hatten. Dieser Mangel kann auch nicht durch die Gegenschrift der belangten Behörde saniert werden, in der darauf hingewiesen wird, daß nur jene Lohnsteuer nach § 67 Abs. 8 EStG zu errechnen war, die die Bezugsnachzahlung für vergangene Jahre betraf und nicht auch jene, die auf Bezugsteile des laufenden Jahres entfiel. Denn dieser Hinweis läßt noch nicht in einer für den Gerichtshof nachprüfbaren Weise erkennen, daß die Lohnsteuerbemessung tatsächlich dem Gesetz entsprechend erfolgte.
Dadurch, daß die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung betreffend ihre Ermittlungspflicht ohne jedes Ermittlungsverfahren und ohne sich mit der Behauptung der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen den Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer abgewiesen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130107.X00Im RIS seit
20.06.1990