TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/20 90/02/0008

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs7 idF 1986/105;
VStG §25 Abs2;

Betreff

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 4. Dezember 1989, Zl. I/7-St-K-88512, in der Fassung vom 7. Dezember 1989, Zl. I/7-St-K-88512/1, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 7. November 1988 um 0.58 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher bezeichneten Tatort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung in erster Linie auf das Gutachten des Stadtarztes Dr A, dem der Beschwerdeführer zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung nach § 5 Abs. 4 lit. b StVO 1960 (wegen Unmöglichkeit einer Untersuchung nach Abs. 2a infolge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Herztransplantation) vorgeführt worden war. Mit der klinischen Untersuchung des Beschwerdeführers, der bereits damals jeglichen Alkoholkonsum in Abrede stellte, wurde der Aktenlage nach um 1.45 Uhr des Tattages begonnen, und sie erbrachte folgendes Ergebnis:

"Gang/Rhomberg: schwankend", "Finger-Finger: unsicher", "Rötung der Bindehäute: deutlich", "Pupillenreaktion: träge", "Sprache:

verändert", "Geruch der Atemluft nach Alkohol: deutlich" und "Benehmen: beherrscht". Die klinische Beurteilung lautete demnach auf "mittelstark alkoholisiert" und das abschließende ärztliche Gutachten dahingehend, daß sich der Beschwerdeführer zur Tatzeit in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden habe, in der er nicht vermocht habe, ein Fahrzeug zu beherrschen oder die beim Lenken des Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, wobei in dem hiefür verwendeten Formblatt bei Angabe der Umstände, auf Grund welcher diese Fahruntüchtigkeit verursacht war, lediglich das Wort "Alkohol" unterstrichen wurde. Die belangte Behörde nahm weiters auf das (auf Grund des Ergebnisses der klinischen Untersuchung des Beschwerdeführers) im Berufungsverfahren erstattete Gutachten ihres Amtsarztes Obersanitätsrat Dr B vom 22. November 1989 Bezug.

Der Beschwerdeführer rügt, daß sich beide Gutachter nicht mit der Frage befaßt hätten, "ob eine allenfalls gegebene Fahrunfähigkeit nicht etwa - ausschließlich oder teilweise - auf die Einnahme der im Formblatt zur Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung angeführten Medikamente zurückzuführen ist", weil "in diesem Fall nicht § 5 Abs. 1 sondern § 58 Abs. 1 StVO hätte angewandt werden müssen". Dabei übersieht der Beschwerdeführer zunächst, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 20. April 1988, Zl. 87/02/0116, und die dort angeführte Judikatur) eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 auch dann anzunehmen ist, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf Alkoholgenuß, sondern auch auf andere Umstände, wie etwa die Einnahme von Medikamenten oder Übermüdung, zurückzuführen ist und dies selbst dann gilt, wenn die genossene Alkoholmenge für sich allein keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte. Der Beschwerdeführer wäre daher mit seiner Auffassung nur dann im Recht, wenn seine Fahruntüchtigkeit ausschließlich durch solche andere Komponenten, nicht aber (auch) durch Alkohol verursacht worden wäre. Daß dies der Fall war, hat der Beschwerdeführer nie (nicht einmal in der Beschwerde) - ebensowenig, wie daß die Einnahme von Medikamenten zumindest zu seiner Fahruntüchtigkeit beigetragen hätte - konkret behauptet. Der den Beschwerdeführer untersuchende Arzt, dem auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung zugebilligt werden muß, daß er die ihm vom Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachte Einnahme bestimmter Medikamente in seinem Gutachten entsprechend berücksichtigt hätte, wenn dies von Bedeutung gewesen wäre, und der als Zeuge die Richtigkeit seiner Angaben anläßlich der klinischen Untersuchung bestätigt hat, hat auch für die von ihm angenommene Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers auf Grund der vorhandenen Symptome (einzig und allein) dessen Alkoholisierung für ursächlich erklärt. Wenn der Beschwerdeführer in weiterer Folge - abweichend von seinen vorangegangenen Beschwerdeausführungen - die Frage des Einflusses der von ihm eingenommenen Medikamente auf den bei ihm wahrgenommenen Alkoholgeruch der Atemluft beschränkt, so übergeht er im übrigen die Tatsache, daß bei ihm zusätzlich eine Reihe anderer Alkoholisierungsmerkmale festgestellt worden ist. Dazu zählt insbesondere die träge Pupillenreaktion, welche ein eindeutiges Merkmal des Vorliegens einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 darstellt, zumal jene in der Regel erst bei einem Blutalkoholgehalt von mindestens 0,1 %o gegeben ist, wobei es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, durch konkretes Tatsachenvorbringen aufzuzeigen, auf Grund welcher anderer Faktoren die träge Pupillenreaktion verursacht worden sei (vgl. außer dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 1988, Zl. 87/02/0116, noch jenes vom 18. Jänner 1989, Zl. 88/02/0150, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Der Beschwerdeführer macht zwar (an einer anderen Stelle der Beschwerde) geltend, "daß auch der Amtssachverständige Dr B keine Auskunft darüber geben konnte, ob die eingenommenen Medikamente Einfluß auf die Pupillenreaktion haben", doch genügt auch diesbezüglich die Bemerkung, daß es an einer entsprechenden Rechtfertigung des Beschwerdeführers fehlt und ein derartiger Umstand, hätte sich dafür ein Anhaltspunkt ergeben, von den medizinischen Sachverständigen wahrgenommen worden wäre.

Der Amtssachverständige der belangten Behörde hat den Einwand des Beschwerdeführers, der bei ihm festgestellte "schwankende Gang" rühre von einer Knieoperation her (wobei nur wenige Wochen vor dem gegenständlichen Vorfall die Nägel entfernt worden seien), mit dem Hinweis, dies könnte allenfalls einen hinkenden, nicht aber einen schwankenden Gang zur Folge gehabt haben, als widerlegt angesehen. Die dagegen vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers, das von Dr A verwendete Formblatt enthalte an der betreffenden Stelle nicht die Bezeichnung "hinkend", ein solcher Gang wäre "mit dem vorgedruckten Wort 'schwankend' noch am ehesten beschrieben" worden, und es sei "überdies mit einem hinkenden stets auch ein schwankender Gang verbunden", sind nicht überzeugend und vermögen daher die Unschlüssigkeit dieses Sachverständigengutachtens, dem sich die belangte Behörde gleichfalls angeschlossen hat, nicht darzutun. Es muß auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - davon ausgegangen werden, daß Dr. A dieser Leidenszustand des Beschwerdeführers bekannt war, obwohl er nicht in dem genannten Formblatt aufscheint, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich betont hat, er habe Dr A darauf aufmerksam gemacht. Dessen ungeachtet wäre aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers auch dann nichts zu gewinnen, wenn er keinen schwankenden Gang aufgewiesen hätte. Das Fehlen einzelner Alkoholisierungsmerkmale läßt nämlich noch nicht den zwingenden Schluß zu, es sei keine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 vorgelegen, dies insbesondere dann nicht, wenn die festgestellte träge Pupillenreaktion für das Gegenteil spricht. Aus diesem Grunde sind jedenfalls auch die auf der (im übrigen aktenwidrigen) Behauptung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid "selbst räumt ein", daß die im Formblatt festgehaltenen Merkmale Puls" (der demnach 120/min betragen hat), "schwankender Gang und gerötete Augenbindehäute auf die eingenommenen Medikamente, allenfalls die erlittene Verletzung unter Umständen zurückzuführen sein könnte", beruhenden Ausführungen in der Beschwerde, daß "von den acht, zur Differentialdiagnose erforderlichen und im Formblatt aufgezeichneten Alkoholisierungsmerkmalen lediglich vier zutrafen, vier jedoch nicht (einschließlich des beherrschten Benehmens)", verfehlt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß ihm von Dr A angeboten worden sei, sich Blut zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes abnehmen zu lassen, er aber einer solchen Blutabnahme nicht zugestimmt hat. Er hat sein Verhalten schon im Verwaltungsstrafverfahren damit begründet, daß er sich wegen Infektionsgefahr nur in dem Krankenhaus in Wien, in dem er behandelt werde, Blut abnehmen lassen dürfe, weshalb er verlangt habe, zu diesem Zweck dort hingebracht zu werden, was aber von den einschreitenden Gendarmeriebeamten abgelehnt worden sei. Der Beschwerdeführer macht nun geltend, "daß auch zu dieser Frage" der Amtsarzt der belangten Behörde "nicht Stellung genommen" habe, sondern "vielmehr (den Beweislastregeln zuwider)" ihm "die Beibringung einer diesbezüglichen Bestätigung auferlegt" worden sei und dies dem § 25 Abs. 2 VStG 1950 widerspreche. Darauf ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß der von ihm behauptete Umstand des Bestehens einer Infektionsgefahr bei einer Blutabnahme außerhalb eines bestimmten Krankenhauses, selbst bei dessen Richtigkeit, nichts daran zu ändern vermag, daß die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Begehung der ihm zur Last gelegten Tat als erwiesen annehmen durfte. Weder aus § 5 Abs. 7 StVO 1960 noch aus einer anderen gesetzlichen Bestimmung läßt sich eine Verpflichtung der Gendarmeriebeamten, dem Wunsch des Beschwerdeführers zu entsprechen, ableiten. Dessen ungeachtet wäre es dem Beschwerdeführer unbenommen geblieben, selbst dafür Sorge zu tragen, daß eine (ihm zumutbar erscheinende) Blutabnahme erfolgt; dadurch, daß es nicht dazu gekommen ist, hat er sich selbst eines zur Widerlegung der klinischen Beurteilung an sich geeigneten Beweismittels begeben.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

TatbildAlkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüberAlkoholbeeinträchtigung zusätzliche Komponenten Medikamente MüdigkeitAlkoholbeeinträchtigung unter 0,8 %oAlkoholbeeinträchtigung FahrtüchtigkeitFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung BlutalkoholbestimmungFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung AlkoholisierungssymptomeFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung BlutabnahmeVerhältnis zu anderen Normen und Materien VStGBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtBeweismittel BeschuldigtenverantwortungFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung PupillenreaktionFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung ärztliche bzw klinische Untersuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020008.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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