TE Vwgh Beschluss 1990/6/20 90/13/0136

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Antrag der N KG auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 89/13/0267 protokollierten Beschwerde:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird STATTGEGEBEN. Der hg. Beschluß vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0267, wird aufgehoben.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0267, wurde das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde gegen einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Oktober 1989 eingestellt, weil die Antragstellerin der an sie ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung insoweit nicht nachgekommen war, als sie zwar innerhalb der gesetzten Frist ein weiteres Exemplar des Beschwerdeschriftsatzes vorgelegt hatte, dieses aber nicht von ihrem Vertreter unterschrieben war.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führt begründend aus, nach Einlangen des Mängelbehebungsauftrages habe der Vertreter der Antragstellerin eine Kopie des Beschwerdeschriftsatzes unterschrieben und diese Gleichschrift der Kanzleileiterin "zur Weiterleitung (Aufbringung der Bundesstempel usw.)" übergeben. Durch ein Versehen jener Angestellten, die in der Kanzlei des Antragstellervertreters mit der Abfertigung befaßt gewesen sei, sei es dazu gekommen, daß nicht die vom Antragstellervertreter unterfertigte Kopie des Beschwerdeschriftsatzes, sondern eine nichtunterfertigte Kopie mit Stempelmarken versehen und noch am 13. Februar 1990 dem Verwaltungsgerichtshof übersandt worden sei. Erst durch die am 18. Mai 1990 erfolgte Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 14. März 1990 habe die Antragstellerin Kenntnis von diesem Versehen erlangt. Ein derartiges Versehen sei dem qualifizierten und geschulten Personal des Antragstellervertreters bisher nicht unterlaufen.

Diese Behauptungen der Antragstellerin konnten im Hinblick auf die detaillierten Angaben im Wiedereinsetzungsantrag im Zusammenhalt mit dem Inhalt des Aktes Zl. 89/13/0267 als bescheinigt angesehen werden. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus folgenden Erwägungen berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f zitierte Rechtsprechung). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1989,

Zlen. 89/13/0226, 0227, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.

Diese in der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Erwägungen kommen auch im vorliegenden Fall voll zum Tragen. Auch hier hat der bevollmächtigte Rechtsanwalt der Antragstellerin das für die fristgerechte Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages Erforderliche vorgekehrt. Zur Versäumung der Mängelbehebungsfrist kam es nur auf Grund des oben beschriebenen Versehens seiner Angestellten, das dieser erst nach fristgerechter Unterfertigung des Beschwerdeschriftsatzes durch den Vertreter der Antragstellerin und Erteilung der Weisung, diese Ausfertigung der Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zu übersenden, im Zuge der Abfertigung unterlaufen ist. Da der Antragstellerin und ihrem bevollmächtigten Vertreter ein Verschulden an der Versäumung somit nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben und der Beschluß vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0267, mit dem das Beschwerdeverfahren eingestellt worden war, aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990130136.X00

Im RIS seit

20.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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