TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/20 90/01/0041

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 3. August 1989, Zl. 276.497/2-II/9/89 betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, reiste am 15. Juni 1989 legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. Juni 1989 Asylantrag. Hiezu gab er im wesentlichen an, er habe nie der kommunistischen Partei angehört. Nach Abschluß der Musikhochschule im Jahre 1987 habe er in seinem Beruf keine Arbeit finden können und habe deshalb ab 16. März 1988 in einem Paßamt als Milizbeamter gearbeitet. Kurze Zeit später sei er von seinem Vorgesetzten zum Beitritt zur kommunistischen Partei aufgefordert worden. Dies habe er abgelehnt, da er mit dem Parteiprogramm der KP nicht einverstanden sei. In der weiteren Folge habe man versucht, ihn zum Sicherheitsdienst zu "bringen", was er ebenfalls abgelehnt habe, da ihm die Arbeitsmethoden dieser Abteilung nicht zusagt hätten. Deshalb habe er versucht, bereits im September 1988 und auch im März 1989 zu kündigen; dies sei ihm aber nicht gelungen. Im Falle seiner Kündigung hätte er, so sei ihm von seinem Vorgesetzten mitgeteilt worden, mit Schwierigkeiten durch den Sicherheitsdienst zu rechnen gehabt. Schließlich sei es ihm gelungen, im Mai 1989 zu kündigen und er habe sich entschlossen, Polen zu verlassen. Durch Vermittlung einer Bekannten habe er einen Reisepaß erhalten. Noch am selben Tage, als er den Reisepaß ausgehändigt erhalten habe, habe er Polen verlassen, da er Angst gehabt habe, Schwierigkeiten mit der Miliz bzw. mit dem Sicherheitsdienst zu bekommen. Durch einen Anruf bei seiner Mutter in Polen am 26. Juni 1989 habe er erfahren, daß er eine Ladung zur Miliz erhalten habe. Nunmehr könne er nach Polen nicht zurück, da er auf Grund seiner Stellung und Situation mit "großen Problemen" zu rechnen hätte und er möglicherweise zur "ZOMO" eingezogen werden würde, da er Milizbeamter gewesen sei.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1989 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er habe Polen nicht aus wirtschaftlichen, sondern politischen Gründen verlassen. Nach Polen könne er auf keinen Fall zurückkehren, da ihm eine Strafe wegen illegaler "Paßentnahme" drohe; außerdem habe er in Polen eine Erklärung unterfertigt, wonach er Staatsgeheimnisse für sich behalten werde. Niemand würde ihm im Falle einer Rückkehr glauben, daß der Beschwerdeführer nichts verraten habe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie aus, daß angesichts der gegenwärtig in Polen herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände den Angaben des Beschwerdeführers kein Glaube geschenkt werden könne. Schließlich habe dieser sein Dienstverhältnis nach anfänglichen Schwierigkeiten doch lösen können. Durchaus glaubhaft erscheine seine mögliche Einberufung, da sein Militärdienst nur auf Grund seines Studiums aufgeschoben worden sei. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beeinträchtigungen erfüllten den Tatbestand einer Verfolgung nicht. Sie gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner seines Heimatlandes auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten und stellten daher keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber in seinem Heimatland im Beruf oder bei der Vergabe von Wohnungen nicht die Privilegien eines Mitgliedes der kommunistischen Partei genossen habe, der er nicht angehört habe. Da die Pflicht zur Ableistung des Militärdienstes eine Pflicht sei, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne, sei die eventuelle Einberufung zu einer bestimmten Einheit keine Verfolgung im Sinne der Konvention. Die illegale "Entnahme" von Reisedokumenten sei auch in anderen Staaten ein Straftatbestand. Eine drohende Ahndung des Vergehens könne daher nicht Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention begründen. Auch der Wunsch nach Emigration sei kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sowie im Recht, daß die Behörde den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interesse zu geben hat, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, es sei nicht zu erkennen, von welchem festgestellten Sachverhalt die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei im Konjunktiv wiedergegeben worden, weshalb eine Feststellung der Darstellungen im Asylantrag überhaupt nicht erfolgt sein könne.

Dem ist entgegenzuhalten, daß Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in einem Asylverfahren die Einvernahme des Asylwerbers ist und sein Vorbringen das zentrale Entscheidungskriterium im Verfahren darstellt. Dementsprechend ist die belangte Behörde auch vorgegangen. Dem Beschwerdeführer mußte sein eigenes Vorbringen nicht nochmals zur Stellungnahme vorgehalten werden. Da es ohne rechtliche Bedeutung ist, in welcher sprachlichen Aussageform das Vorbringen des Asylwerbers in den angefochtenen Bescheiden Aufnahme gefunden hat, liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor.

Was den Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit betrifft, ist zunächst darauf zu verweisen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes allein die ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatland herrschenden politischen System noch keinen Grund dafür bildet, ihn als Konventionsflüchtling anzuerkennen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0274 und vom 4. April 1990, Zlen. 89/01/0437, 90/01/0053). Es kommt vielmehr darauf an, daß der Asylwerber wohlbegründete Furcht, glaubhaft machen kann, aus den in der Konvention genannten Gründen in seinem Heimatland verfolgt zu werden. Die allen Staatsbürgern des Heimatstaates des Beschwerdeführers auferlegten Beschränkungen, insbesondere die Nichtausstellung eines Reisepasses, sind, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, keine konkreten, gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention. Auch die widerrechtliche "Paßentnahme" und die drohende Einberufung stellen keine Fluchtgründe im Sinne der Konvention dar.

Die belangte Behörde ist zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Beschwerdeführer wegen seiner abgegebenen Erklärung, Staatsgeheimnisse für sich zu behalten, im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine "Restriktionen" treffen. Diese Annahme ist schon wegen der eingetretenen Änderung der politischen Lage nicht als rechtswidrig zu erkennen. Jene Erklärung des Beschwerdeführers, er sei nur wenige Monate in einem Paßamt tätig gewesen, zeigt, für sich allein betrachtet, keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Beschwerdeführer wäre nach seiner Flucht "sur place"-Flüchtling geworden.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010041.X00

Im RIS seit

20.06.1990

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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