TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/21 89/06/0119

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.1990
beobachten
merken

Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs2 idF 1985/012;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5 idF 1962/205;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

N-KG gegen Steiermärkische Landesregierung vom 1. Juni 1989, Zl. 03 - 12 Na 6-89/10, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister).

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat ein Ansuchen der Beschwerdeführerin auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung für eine Schaufensteranlage mit Bescheid vom 28. Oktober 1987 abgewiesen. Nach den (soweit sie entscheidungswesentlich sind, hier auszugsweise wiedergegebenen) Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides, ragen die verfahrensgegenständlichen Schaufenster jeweils in Form eines Kegelstumpfes 30 cm tief über die Baufluchtlinie in die Gehsteigflächen hinein. Die Breite der Gehsteige im Bereich der Schaufenster sei vom bautechnischen Sachverständigen vermessen worden. Für den Gehsteig im Bereich des dritten Fensters, vom Eingang aus gezählt, sei in der Hauptstraße eine Gehsteigbreite von 1,90 m, in der Dr. A.H.-Straße, beim ersten Fenster vom Eingang aus gezählt, eine Gehsteigbreite von 1,89 m und beim dritten Fenster nur eine Gehsteigbreite von 1,75 m festgestellt worden. Im Bereich des ersten und zweiten Fensters und des Einganges in der Hauptstraße weise zwar der Gehsteig eine Verbreiterung auf, diese diene aber vorwiegend dem Abfließen des Fußgängerverkehrs vom Fußgängerübergang in der Hauptstraße. An dieser Stelle der Hauptstraße sei die Fußgängerfrequenz "fast am größten von der gesamten Stadt". Durch die vorspringenden Schaufenster werde gerade hier eine erhebliche Behinderung hervorgerufen. Da der Gemeinderat Bebauungspläne nicht erlassen habe, sei von der zwingenden Bestimmung des § 9 Stmk BO über das Vortreten von Bauteilen über die Straßenfluchtlinie auszugehen. Die von der Beschwerdeführerin ausgeführte technische Lösung (nämlich:

Hineinragen der Schaufensterauslagen in die jeweilige Gehsteigfläche im Ausmaß von 30 cm) verstoße gegen die zitierte gesetzliche Bestimmung.

Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. April 1988 keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters bestätigt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 9 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (Stmk BO), LGBl. Nr. 149, lautet im hier maßgebenden Zusammenhang:

"Bauteile vor der Straßenfluchtlinie

Sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt, dürfen folgende Bauteile über die Straßenfluchtlinie vortreten:

a) Zierglieder, Gebäudesockel, Schaufenster u.dgl. bis 20 cm, bei Gehsteigen über 2 m Breite bis 40 cm;

b)

.....

c)

....."

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde nicht den oben wiedergegebenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt. Sie behauptet auch nicht, daß der Gehsteig vor der Schaufensterkonstruktion über 2 m breit ist. Sie hält den angefochtenen Bescheid gleichwohl zunächst deshalb für rechtswidrig, weil er erlassen worden sei, obwohl die Beschwerdeführerin am 17. Mai 1988 (d.h. nach Erlassung des Berufungsbescheides und nach Erhebung der Vorstellung) "das Ansuchen zurückgezogen" habe. Ab diesem Zeitpunkt habe es an einer Prozeßvoraussetzung gefehlt und "es wäre Sache der Vorstellungsbehörde gewesen, die Rückziehung des Parteienantrages zum Anlaß der Behebung des (mit Vorstellung bekämpften Berufungs-)Bescheides wegen objektiver Rechtswidrigkeit zu nehmen".

Damit verkennt die Beschwerdeführerin das Wesen des Rechtsinstitutes der Vorstellung im Sinne des Art. 119 a Abs. 5 B-VG und des § 94 der Stmk Gemeindeordnung, hat doch die Aufsichtsbehörde danach lediglich zu prüfen, ob der Vorstellungswerber durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt wurde, und - bejahendenfalls - den Bescheid aufzuheben. Dies bedeutet, daß der Vorstellungsbehörde keine Befugnis zur Entscheidung in der Sache selbst zukommt, sondern lediglich eine - dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgeschaltete und diesem ähnliche - nachprüfende Rechtmäßigkeitskontrolle, deren Ergebnis entweder zur Abweisung der Vorstellung oder zur Aufhebung des bekämpften Bescheides, niemals aber zu dessen Abänderung führen kann. Während des Vorstellungsverfahrens eintretende Änderungen der Rechts- und Sachlage sind für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des mit Vorstellung angefochtenen Bescheides daher unerheblich (vgl. dazu Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3, 392 f; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, 198 f, sowie die aaO jeweils angeführte Lehre und Rechtsprechung). Die (den vorliegenden Verwaltungsakten allerdings nicht beigeschlossene) Erklärung über die Zurückziehung des (ursprünglichen) Anbringens des Beschwerdeführers hätte daher für das Vorstellungsverfahren allenfalls die Frage aufwerfen können, ob damit (aus rechtlichen Gründen) zwar nicht der Antrag, aber (dem Sinn der Eingabe nach) allenfalls die Vorstellung als zurückgezogen betrachtet werden könnte. Dies kann aber dahingestellt bleiben:

Selbst dann, wenn die belangte Behörde über eine nicht mehr vorhandene Vorstellung des Beschwerdeführers entschieden haben sollte, ist dem Verwaltungsgerichtshof keine die Beschwerdeführerin nachteilig berührende Änderung ihrer Rechtsposition erkennbar, insbesondere im Vergleich zu jener Rechtsstellung, die sie hätte, würde nur der (negative) Berufungsbescheid des Gemeinderates, nicht aber (überdies) die angefochtene Vorstellungsentscheidung dem Rechtsbestand angehören. Insoweit konnte also die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt werden.

Die Beschwerdeführerin ist aber auch mit ihren weiteren Ausführungen nicht im Recht, die darauf hinauslaufen, daß die Bestimmungen des Steiermärkischen Ortsbildgesetzes jenen des § 9 Stmk BO derogieren könnten. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin selbst nicht angibt, welche Bestimmung des Steiermärkischen Ortsbildgesetzes, LGBl. Nr. 54/1977, sie dabei im Auge hat, verkennt sie damit den Regelungsinhalt des von ihr in diesem Zusammenhang erwähnten § 3 Abs. 2 zweiter Satz Stmk BO. Es ist wohl richtig, daß die Voraussetzungen für die Erteilung einer Widmungsbewilligung nicht von den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. 127, allein, sondern (u.a.) auch von jenen des Ortsbildgesetzes 1977 abhängen können. Dies bedeutet aber nicht - wie die Beschwerdeführerin offenbar meint -, daß die Bestimmungen des Ortsbildgesetzes Beschränkungen, die sich aus Raumordnungsvorschriften oder aus Vorschriften der Bauordnung ergeben, gegenstandslos machen könnten, sondern vielmehr umgekehrt, daß die Erteilung von Widmungsbewilligungen, die nach den zuletzt genannten Rechtsvorschriften zulässig wären, zufolge der in § 3 Abs. 2 Stmk BO angeordneten Berücksichtigung auch des Ortsbildgesetzes unter Umständen unzulässig sein können. Der von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Umstand, daß das gegenständliche Bauvorhaben den Bestimmungen des Ortsbildgesetzes nicht zuwiderlaufe, bedeutet daher nicht, daß § 9 der Stmk BO darauf nicht anzuwenden wäre.

Als eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin schließlich, die belangte Behörde habe einer in ihrer Vorstellung erhobenen Verfahrensrüge zu Unrecht nicht Rechnung getragen (womit der Sache nach ebenfalls eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Vorstellungsbescheides geltend gemacht wird - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1970, Slg. 7896/A, uva). Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, daß schon der klare Gesetzeswortlaut des § 9 lit. a der Stmk BO eine positive Erledigung ihres Ansuchens hindert, sodaß es auf die (von den Gemeindebehörden freilich breit erörterte) Frage der Gefährlichkeit der Schaufensteranlagen in Beziehung auf die dortige Fußgängerfrequenz nicht mehr ankommt. Allfällige in diesem Zusammenhang unterlaufene Verfahrensfehler, wie sie in der Beschwerde behauptet werden, konnten daher auf das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens nicht von Einfluß sein.

Da somit der angefochtene Bescheid weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Planung Widmung BauRallg3 Rechtsnatur der Vorstellung Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060119.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten