TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/21 89/12/0130

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Veröffentlicht am 21.06.1990
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Index

L00302 Bezüge Bürgermeisterentschädigung Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §48;
AVG §52;
AVG §7 Abs1;
BezügeG Krnt 1973 §32;
BezügeG Krnt 1973 §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. Mai 1989, Zl. 3-Gem-231/1/89, betreffend Zuerkennung eines Ruhebezuges nach dem Kärntner Bezügegesetz (mitbeteiligte Partei:

Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1986, Zl. 83/01/0511, verwiesen, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 1983 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, die Behörden des Verwaltungsverfahrens hätten es unterlassen, zu begründen, warum sie ohne weitere Ermittlungen abweichend vom ärztlichen Sachverständigengutachten zu dem Schluß gelangt seien, vom Wegfall der Funktionsfähigkeit des Beschwerdeführers als Stadtsenatsmitglied könne keine Rede sein. Um einen solchen Schluß zu rechtfertigen, hätte es nicht nur einer Erörterung des abstrakten Wirkungsbereiches eines Mitgliedes des Stadtsenates bedurft, sondern vor allem auch einer Auseinandersetzung mit den Belastungen, denen der Beschwerdeführer konkret als Stadtrat für Planung und Tiefbau ausgesetzt gewesen sei. Auch wäre aufzuzeigen gewesen, welche Gründe für die Annahme der Behörde bestimmend gewesen seien, daß die vom Sachverständigen festgestellten Einschränkungen des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers trotz der gegenteiligen Schlußfolgerung des Gutachters dennoch nicht für den Wegfall seiner Funktionsfähigkeit als Stadtsenatsmitglied sprächen. Der Vergleich zwischen den Eignungsvoraussetzungen und den Beanspruchungen eines Mitgliedes des Stadtsenates und jenen eines leitenden Verwaltungsbeamten der Verwendungsgruppe A setze voraus, daß festgestellt werde, es handle sich beim Beschwerdeführer um einen solchen Beamten. Die Differenzierung der Dienstunfähigkeitsbegriffe im Bereich des Beamtendienstrechtes zeige, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstunfähigkeit bei Beamten nicht mit jenen für das Vorliegen einer Funktionsunfähigkeit bei einem Mandatar gleich seien.

Im fortgesetzten Verfahren behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. April 1986 den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 30. August 1983 gemäß § 77 des Klagenfurter Stadtrechtes, LGBl. Nr. 48/1967, und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Klagenfurt zurück, wobei sie auf das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwies.

Die genannte Rechtsmittelbehörde holte hierauf ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen ein. Dieses Gutachten vom 18. Dezember 1987 hat im wesentlichen folgenden Inhalt:

Die Dienstfähigkeit (des Beschwerdeführers) als A-Beamter in der Verwaltung beträfe jeden Einsatz als solcher Beamter in juristischer Verwendung unter Berücksichtigung der diesbezüglichen möglichen Anforderungen. Wenn man die objektiv-abstrakten Anforderungen, wie sie im Bescheid des Stadtsenates vom 22. August 1983 angeführt seien, als Grundlage nehme, dann entsprächen sie in etwa den Anforderungen eines A-Beamten in leitender Funktion und könnten daher dem Beschwerdeführer zugemutet werden. Den psychischen und physischen Beanspruchungen, wie sie der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 28. Jänner 1983 anführe, wäre er aus ärztlicher Sicht nicht gewachsen. Bei Wissen um seinen Gesundheitszustand und entsprechender Einschränkung bzw. Steuerung der Beanspruchungen könnte dem Beschwerdeführer die Funktionsfähigkeit zugesprochen werden, doch werde bezweifelt, ob diese Einschränkung bzw. Steuerung möglich sei. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung sei der Beschwerdeführer vom ärztlichen Standpunkt aus auf Grund der genannten Befunde (EKG und Rhythmusstörungen) akut dienst- bzw. funktionsunfähig gewesen. Bei entsprechender Behandlung und vorübergehender Schonung sei jedoch wieder eine Besserung in Richtung eines die Dienst- bzw. Funktionsfähigkeit nicht ausschließenden Gesundheitszustandes zu erwarten.

Als Zeuge vernommen gab der Bürgermeister der Stadt Klagenfurt am 28. Dezember 1987 im wesentlichen an, es habe sich in der Praxis immer wieder gezeigt, daß Mitglieder des Stadtsenates nach akuten Erkrankungen oder Unfällen auch in der Zeit bis zur Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit ihr Amt unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes hätten ausüben können. Die Rücksichtnahme auf den eigenen Gesundheitszustand könne durchaus ohne Vernachlässigung der offiziellen Amtspflichten erfolgen. Der Vizebürgermeister der Stadt Klagenfurt gab als Zeuge, am selben Tag vernommen, im wesentlichen an, daß bei der Funktionsausübung es jedem Referenten möglich sei, "in gewissem Umfang terminliche Dispositionen in Berücksichtigung eines allfällig beeinträchtigten Gesundheitszustandes zu treffen".

Mit Bescheid vom 13. Jänner 1988 gab der - auf Grund berechtigten Devolutionsantrages zuständig gewordene - Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 12. Jänner 1983 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde, die mit Bescheid vom 18. April 1988 den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 13. Jänner 1988 aufhob und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Klagenfurt zurückverwies, weil im Verfahren dem Beschwerdeführer das Parteiengehör zu den ergänzenden gutächtlichen Äußerungen des Amtssachverständigen und den Aussagen der Zeugen nicht gewährt worden war.

Nachdem dem Beschwerdeführer das Parteiengehör gewährt worden war, gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt mit Bescheid vom 16. Dezember 1988 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters dieser Stadt vom 12. Jänner 1983 neuerlich keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 7. Jänner 1982 seinen Verzicht auf das von ihm ausgeübte Amt eines Mitgliedes des Klagenfurter Stadtsenates erklärt und diesen Schritt nach "reichlicher Überlegung" mit seinem Gesundheitszustand begründet. Dem Mandatsverzicht seien keine Umstände vorangegangen, die ihn aus gesundheitlichen Gründen vorhersehbar hätten erscheinen lassen. Auf Grund von Medienberichten habe Grund zur Annahme bestanden, daß der Beschwerdeführer aus parteiinternen Dispositionen auf das Amt verzichtet habe. Diese Umstände wären bei der Beurteilung der allfälligen Funktionsunfähigkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und ließen den überraschend erfolgten Mandatsverzicht in besonderem Licht erscheinen. Wenn die Art der Erkrankung oder der gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht von vornherein klar erkennbar jede Form einer weiteren beruflichen Tätigkeit ausschließe, werde die Fähigkeit der Funktionsausübung an Feststellungen zu messen sein, welchen Anforderungen eine Person in dieser Funktion unterworfen sei. Dies sei bei der Funktion eines Mitgliedes des Klagenfurter Stadtsenates - im speziellen jener des Referenten für Planung und Tiefbau - an objektiven Kriterien zu messen und keineswegs daran, welchen Anforderungen sich der Betroffene selbst, subjektiv gesehen, im Hinblick auf das persönliche Engagement, mit dem er die Aufgaben seines Tätigkeitsbereiches zu erfüllen trachte, ausgesetzt fühle. Wenngleich bei einem Stadtsenatsmitglied noch hinzutrete, daß es politisch jener Partei, auf deren Vorschlag es gewählt worden sei, verantwortlich sei, und daher parteipolitische Anforderungen den Arbeitsumfang und Arbeitszeitaufwand ebenso im wesentlichen Ausmaß beeinflussen könnten wie ein erfolgsbestrebtes Verhalten (z.B. repräsentative Erfordernisse) im Hinblick auf eine allfällige künftige Wiederwahl, so bleibe entscheidungswesentlich in erster Linie jener Bereich, der von den Aufgaben eines Stadtsenatsmitgliedes als auf Zeit gewähltem Mandatar bestimmt werde. Demnach habe ein Mitglied des Klagenfurter Stadtsenates als Referent für Teilbereiche der Verwaltung - weisungsgebunden unter der Verantwortung und im Auftrag des Bürgermeisters - entsprechend der mit Verordnung des Stadtsenates (Geschäftsverteilung) ihm zugewiesenen Einzelgruppen von Aufgaben über den Magistrat zu erfüllen. Er habe in seinen Referatsangelegenheiten dem Stadtsenat und den zuständigen Ausschüssen zu berichten und Anträge zu stellen (§ 47 Abs. 2 des Klagenfurter Stadtrechtes). An eine Arbeitszeit sei ein Stadtsenatsmitglied hiebei nicht gebunden. Die Führung der Amtsgeschäfte und die Verfügung über seine Zeit, ausgenommen die Teilnahme an den Sitzungen des Stadtsenates, des Gemeinderates und der Ausschüsse sei dem Stadtsenatsmitglied selbst überlassen. Es liege auf der Hand, daß die medizinische Begutachtung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zur Beurteilung seiner Fähigkeit zur weiteren Funktionsausübung auf diesem OBJEKTIVEN Anforderungsbild vorzunehmen sei.

Der medizinische Amtssachverständige Stadtphysikus Dr. H habe in seinen Gutachten vom 9. März und 27. April 1982 - ausgehend von seiner rein subjektiven Vorstellung über die physischen und psychischen Belastungen eines Referenten des Tiefbauamtes - zunächst zwar ausgeführt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner Leiden zur weiteren Funktionsausübung unfähig geworden sei, aber dargelegt, daß der Krankheitszustand des Beschwerdeführers nicht als schwere Krankheit anzusehen und dieser zu einem zumutbaren Erwerb fähig, sowie als A-Beamter in der Verwaltung nicht dienstunfähig sei. Der Sachverständige habe mit Schreiben vom 18. Dezember 1987 sein Gutachten - wie bereits dargestellt - ergänzt. Der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach das Erstgutachten vom 9. März 1982 durch diese Ergänzungen keine Einschränkung erfahren hätte, könne nicht gefolgt werden. Dem Beschwerdeführer werde entgegengehalten, daß sein Mandatsverzicht nicht wie behauptet logische Konsequenz auf die vom medizinischen Sachverständigen damals festgestellte dauernde Funktionsunfähigkeit sein könne, weil er bereits zwei Monate vorher erfolgt sei. Die vom Beschwerdeführer genannte Art der Funktionsausübung, beispielsweise Teilnahme an Nacht- oder Katastropheneinsätzen der Feuerwehr, gehöre nicht zur eigentlichen Funktionsausübung des Beschwerdeführers. Selbst die von ihm vorgebrachte Anzahl an Terminen nach Mitternacht (im Jahresschnitt sei etwas mehr als ein solcher Termin pro Woche angefallen) und Wochenendterminen müßte nicht zwangsläufig als künftig untragbare Belastung angesehen werden, weil nicht jede Wahrnehmung eines solchen Termines zwangsläufig mit Streß verbunden oder sonst der Gesundheit abträglich sein müßte. Vom medizinischen Sachverständigen sei nun zweifelsfrei dargelegt worden, daß sich die attestierte Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers als A-Beamter keinesfalls auf die vom Berufungswerber derzeit bekleidete Funktion eines "Konzeptbeamten" beziehe, sondern auf jede Verwendung als A-Beamter, also auch in hoher, leitender Funktion, mit allen diesbezüglich möglichen Beanspruchungen und Belastungen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Nachfolger und die übrigen Mitglieder des Stadtsenates würden die von ihm behauptete extreme Beanspruchung bestätigen, werde ausgeführt, daß die Mitglieder des Stadtsenates am 3. Mai 1983 bereits übereinstimmend zum Ausdruck gebracht hätten, daß sie hinsichtlich der Anforderungen bezüglich Beanspruchung und Belastung eine Vergleichbarkeit ihrer Funktionen mit jenen leitender Beamter der Verwendungsgruppe A als gegeben ansehen würden und daß diese Aussage im Wissen um die an sie in ihrer Funktion gestellten Anforderungen sowie durch die im ständigen Kontakt mit leitenden A-Beamten der Stadtverwaltung gebotene Vergleichsmöglichkeit erfolgt sei. Auch der medizinische Amtssachverständige habe in Kenntnis der objektiv gegebenen Anforderungen an ein Stadtsenatsmitglied den gleichlautenden Vergleich gezogen und darauf basierend den Beschwerdeführer dieser Beanspruchung gewachsen und bei einer seinem Gesundheitszustand entsprechenden Amtsführung als funktionsfähig erklärt. Den Zweifeln des Amtssachverständigen bezüglich der Realisierbarkeit einer Bedachtnahme auf den Gesundheitszustand könnten die ergänzenden Erklärungen des Bürgermeisters und des Vizebürgermeisters entgegengehalten werden, wonach es sich in der Praxis gezeigt habe, daß Mitglieder des Stadtsenates nach akuten Erkrankungen oder Unfällen auch in der Zeit bis zur Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit ihr Amt unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes hätten ausüben können. Bei erforderlicher Rücksichtnahme auf den eigenen Gesundheitszustand wäre es jedem Referenten wie in allen Berufen möglich, in gewissem Umfang Dispositionen ohne Vernachlässigung der offiziellen Amtspflichten zu treffen. Daß dies, wie der Beschwerdeführer behaupte, nur für eine kurze, vorübergehende Zeit möglich sei, könne dem Inhalt dieser Aussagen nicht schlüssig entnommen werden. Es könne auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß durch eine jederzeit mögliche Änderung der Geschäftsverteilung der Beschwerdeführer mit der Führung eines anderen Referates betraut würde, in dem er seiner Ansicht nach sogar geringeren Belastungen oder Beanspruchungen ausgesetzt wäre. Ob dies objektiv gesehen tatsächlich zutreffe, könne dahingestellt bleiben. Der vom Beschwerdeführer bezüglich der unterschiedlichen Beanspruchung vorgebrachte Hinweis auf das unterschiedliche Pensionsalter könne nicht als taugliches Argument angesehen werden, weil für die unterschiedliche Regelung andere Aspekte im Vordergrund gestanden seien. Dies gehe allein schon daraus hervor, daß ein Beamter mit Erreichung seines 65. Lebensjahres jedenfalls in den Ruhestand versetzt werde, während es einem politischen Mandatar trotz des Anspruches auf Ruhebezug ab dem 55. Lebensjahr unbegrenzt offenstehe, seine Funktion weiterhin auszuüben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den genannten Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 16. Dezember 1988 ab. In der Bescheidbegründung wird nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Normen im wesentlichen nur ausgeführt, nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens stehe zweifelsfrei fest, daß eine andauernde Funktionsunfähigkeit des Beschwerdeführers "als nicht zutreffend gewertet werden" könne. Dies lasse sich insbesonders aus den ergänzenden klarstellenden Feststellungen des medizinischen Amtssachverständigen vom 18. Dezember 1987 ableiten. Der medizinische Amtssachverständige habe sein Gutachten "ausgehend von seiner rein subjektiven Vorstellung über die physischen und psychischen Belastungen eines Tiefbaureferenten" erstellt. Der Sachverständige habe in seiner Äußerung vom 18. Dezember 1987 festgestellt, daß der Beschwerdeführer einer weiteren Funktionsausübung in dem von ihm dargestellten Beanspruchungsumfang nicht gewachsen wäre. Die dem Beschwerdeführer attestierte Dienstfähigkeit betreffe jeden Einsatz als A-Beamter in rechtskundiger Verwendung unter Berücksichtigung der diesbezüglich möglichen Anforderungen.

Zu der in der Vorstellung geltend gemachten Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere der Befangenheit von Bürgermeister Guggenberger in der Sitzung des Gemeinderates vom 14. Dezember 1988, wird ausgeführt, der Genannte habe zweifelsfrei an der Erlassung des Bescheides erster Instanz vom 12. Jänner 1983 nicht mitgewirkt, weil dieser Bescheid vom zuständigen Dienststellenleiter des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt (Hauptverwaltung 2-Personalamt) für den Bürgermeister gefertigt worden sei. Eine Befangenheit des Bürgermeisters könne daher nicht gegeben sein. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Bürgermeisters und des ersten Vizebürgermeisters stelle keine Verletzung der Bestimmungen der §§ 48 ff. AVG 1950 dar. Die Zeugeneinvernahme sei durch den Leiter der nach dem Organisationsplan der Landeshauptstadt Klagenfurt für die Durchführung des Berufungsverfahrens zuständigen Abteilung im Rahmen seines Aufgabenbereiches erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde und der Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Im Beschwerdefall ist von der bindenden Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, die im Erkenntnis vom 12. März 1986, Zl. 83/01/0511, ausgesprochen wurde, auszugehen.

Danach bedurfte es vor allem einer Auseinandersetzung damit, ob der Beschwerdeführer mit den vom Sachverständigen festgestellten Einschränkungen seines Gesundheitszustandes im Zeitpunkt des Amtsverzichtes noch in der Lage war, dem objektiven Anforderungsbild eines Stadtrates für Planung und Tiefbau in der letzten Zeit vor seinem Rücktritt zu entsprechen. Dabei reicht es nicht aus, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers über die Anforderungen auf Grund seiner Funktion auseinanderzusetzen. Vielmehr wird es notwendig sein, ein objektives Anforderungsbild festzustellen. Auf dieser Grundlage wäre zu prüfen, ob die vom medizinischen Sachverständigen festgestellten oder noch festzustellenden Einschränkungen der Gesundheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Amtsverzichtes den Eintritt der Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung bedingt haben. In diesem Sinne ist der Satz des zitierten Vorerkenntnisses in dieser Sache zu verstehen, wonach es nicht nur der Erörterung des abstrakten Wirkungsbereiches eines Mitgliedes des Stadtsenates, sondern vor allem auch einer Auseinandersetzung mit jenen Belastungen bedurfte, denen der Beschwerdeführer konkret als Stadtrat für Planung und Tiefbau ausgesetzt gewesen ist. Entscheidend dafür sind aber allein die konkreten Belastungen des Beschwerdeführers in seiner FUNKTION und nicht jene Belastungen an Zeit und Arbeit, die sich aus parteipolitischen Anforderungen ergeben haben. Soweit die Behörden des Verwaltungsverfahrens davon ausgehen, ein Stadtsenatsmitglied sei politisch jener Partei, auf deren Vorschlag es gewählt worden sei, verantwortlich, haben sie die hier maßgebliche Rechtslage ebenso wie der Beschwerdeführer verkannt, weil das Gesetz ausschließlich auf die Fähigkeit zur Ausübung der Funktion abstellt (vgl. § 32 des Ktn. Bezügegesetzes). Entscheidende Aussage des Vorerkenntnisses war demnach die Unterscheidung zwischen Dienst- und Funktionsunfähigkeit.

Richtig ist, daß es bei der aus medizinischer Sicht zu beurteilenden Fähigkeit zur weiteren Funktionsausübung jedenfalls auch nicht auf eine nur vorübergehende (akute oder kurzzeitige) Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes ankommt, sondern nur auf ein "im körperlich-geistigen Bereich liegendes andauerndes Unvermögen" zur Erfüllung der mit der Funktion verbundenen Aufgaben. In dem zur Feststellung der Funktionsunfähigkeit aus medizinischer Sicht zu erstellenden Gutachten hat der Sachverständige die Leidenszustände bzw. Beeinträchtigungen der Gesundheit des Mandatars unter Bedachtnahme auf die Fragestellung der Behörde zu beurteilen und eine Aussage darüber zu treffen, welche Tätigkeiten der Mandatar nach seiner körperlichen und geistigen Konstitution noch zu verrichten imstande war. Diese Beurteilung kann sich entweder auf Betätigungen allgemein umschriebener Art beschränken (z.B. "alle Arbeiten, die sitzend verrichtet werden können") oder sie kann auf ein bestimmtes Berufsbild verweisen. Bis hieher und nicht weiter reicht die Aufgabe des medizinischen Sachverständigen. Die Entscheidung der Rechtsfrage, ob der Mandatar funktionsfähig ist oder nicht, steht nur der Behörde zu, keinesfalls aber dem Sachverständigen.

Dabei ist es wesentlich, daß sich der Gesundheitszustand des Mandatars während der Zeit der Funktionsausübung so geändert haben muß (Eintritt der Funktionsunfähigkeit gemäß § 35 Abs. 1 Ktn. Bezügegesetz), daß er zu einer Ausübung der Funktion nicht mehr imstande ist. Erschwerte Arbeitsbedingungen und Risikofaktoren bei Ausübung der Funktion können für sich allein noch nicht für die Feststellung der Funktionsunfähigkeit ausreichen. Aufgabe des Ermittlungsverfahrens wäre es daher gewesen, ausgehend von der Feststellung des eingetretenen Leidenszustandes des Beschwerdeführers und der Feststellung, zu welchen konkreten Tätigkeiten, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Funktion notwendig waren, und die der Beschwerdeführer nicht mehr imstande war zu erbringen, seine Funktionsunfähigkeit zu prüfen.

Der ärztliche Amtssachverständige Stadtphysikus Dr. H hat dazu bereits in seinem Gutachten vom 9. Februar 1982 festgestellt, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe als besondere Maßnahmen bezüglich der Lebensführung verlangt:

"Keine Funktionen, welche mit Streß verbunden sind. Diät". Auf Grund der festgestellten Leiden sei der Beschwerdeführer zur weiteren Funktionsausübung als Mandatar unfähig geworden. Sein Leidenszustand sei nicht als schwere Krankheit anzusehen und er sei nicht zu einem "zumutbaren Erwerb unfähig" geworden.

In seiner im Berufungsverfahren erstatteten Ergänzung des Gutachtens führte der Sachverständige insbesondere aus, "wenn man die objektiv abstrakten Anforderungen, wie sie im Bescheid des Stadtsenates vom 22. August 1983 detailliert angeführt sind, als Grundlage nimmt, würden sie in etwa den Anforderungen eines A-Beamten in leitender Funktion entsprechen und könnten daher Herrn Dr. N zugemutet werden". Den psychischen und physischen Beanspruchungen, die der Beschwerdeführer in seiner Berufung anführe, wäre er aus ärztlicher Sicht nicht gewachsen. Bei Wissen um seinen Gesundheitszustand und entsprechender Einschränkung bzw. Steuerung der Beanspruchungen könnte man dem Beschwerdeführer die Funktionsfähigkeit zusprechen. Es werde jedoch bezweifelt, ob diese Einschränkung bzw. Steuerung möglich sei. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung sei der Beschwerdeführer akut dienst- bzw. funktionsunfähig gewesen. Bei entsprechender Behandlung und vorübergehender Schonung sei jedoch wieder eine Besserung in Richtung eines die Dienst- und Funktionsfähigkeit nicht ausschließenden Gesundheitszustandes zu erwarten.

Soweit der Bescheid vom 16. Dezember 1988 zu diesem Gutachten des medizinischen Sachverständigen begründend anführt, der Sachverständige sei von seiner rein SUBJEKTIVEN Vorstellung über die physischen und psychischen Belastungen eines Referenten des "Tiefbauamtes" ausgegangen, so liegt darin bereits eine Mangelhaftigkeit dieses Bescheides, den die bescheiderlassende Behörde zu vertreten hat, wäre es doch ihre Aufgabe gewesen, das objektive Anforderungsbild der Funktion, die der Beschwerdeführer innehatte, festzustellen, und nicht jene des Sachverständigen. Soweit sie aber, von den bloß "abstrakten" Anforderungen nach dem Bescheid des Stadtsenates vom 22. August 1983 ausgehend, eine Ergänzung des Gutachtens für ausreichend erachtete, hat sie sich über die dargestellte bindende Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es auf die Belastungen ankommt, denen der Beschwerdeführer KONKRET als Stadtrat für Planung und Tiefbau ausgesetzt gewesen ist, hinweggesetzt. Die abstrakte Umschreibung der Aufgaben eines Stadtrates kann, wie bereits ausgeführt wurde, zur Feststellung des erforderlichen objektiven Anforderungsbildes dieser konkreten Funktion keinesfalls genügen. Die weiteren Ausführungen zum Anforderungsprofil eines "leitenden A-Beamten" können, wie schon im Vorerkenntnis in bezug auf die Tätigkeit eines Beamten dieser Verwendungsgruppe ausgeführt worden ist, solange nichts Entscheidendes aussagen, solange nicht geklärt ist, wie das konkrete objektive Anforderungsbild der Funktion des Mandatars beschaffen ist und ob es sich von jenem eines "leitenden A-Beamten" wesentlich unterscheidet oder nicht.

Richtigerweise hätte die Behörde in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers das konkrete objektive Anforderungsprofil eines Stadtrates für Planung und Tiefbau in der letzten Zeit - etwa dem letzten Jahr - vor der Erkrankung bzw. dem Rücktritt des Beschwerdeführers feststellen müssen. Die diesbezüglichen Auseinandersetzungen der Behörde mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers (S. 10 des Bescheides vom 16. Dezember 1988) sind nicht ausreichend. So bleibt es unklar, warum die vom Beschwerdeführer angeführten Nacht- oder Katastropheneinsätze objektiv gesehen nicht zur Erfüllung seiner Funktion erforderlich gewesen wären (vor allem auch in welchem Ausmaß). Völlig nichtssagend ist die Aussage in bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Anzahl der Nachmitternachtstermine (im Jahresschnitt etwas mehr als ein solcher Termin in der Woche), da es nicht genügt, daß diese ebenso wie Wochenendtermine in jedem Einzelfall "mit Streß zwangsläufig verbunden" sein müßten oder sonst der Gesundheit abträglich wären. Vielmehr kommt es auf das Ausmaß der zur Erfüllung der Funktion objektiv erforderlichen Verpflichtungen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit in ihrer Gesamtheit an.

Soweit aber auf eine übereinstimmende Erklärung der Mitglieder des Stadtsenates vom 3. Mai 1983 Bezug genommen wird, wonach sie "hinsichtlich der Anforderungen bezüglich Beanspruchung und Belastung durchaus eine Vergleichbarkeit ihrer Funktion zumindest mit jener von leitenden Beamten der Verwendungsgruppe A sehen", ist eine solche aus den Akten nicht zu ersehen. Ob diese nicht als offenkundig anzusehende Tatsache zutrifft, wäre zu prüfen, ebenso jedoch ob dies konkret auch für den Stadtrat für Planung und Tiefbau in der hier maßgeblichen Zeit (1981) zugetroffen hat.

Die Aussagen des Bürgermeisters und des Vizebürgermeisters, auf die sich die Behörde beruft, sind für die Beurteilung der Sache ohne rechtliche Bedeutung, da sie nur die Möglichkeit behandeln, bei vorübergehender Gesundheitsstörung ohne Vernachlässigung der offiziellen Amtspflichten Dispositionen zu treffen.

Hingegen ist der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensmangel der Mitwirkung des im Verfahren erster Instanz zuständigen Bürgermeisters an der Beschlußfassung der Berufungsbehörde (Gemeinderat) schon deshalb nicht gegeben, weil der erstinstanzliche Bescheid nicht vom Bürgermeister, sondern von einem Beamten des Magistrates der Landeshauptstadt gefertigt worden ist und eine Mitwirkung des Bürgermeisters an der Bescheiderlassung nicht aktenkundig ist.

Ebensowenig bestehen Bedenken gegen die Mitwirkung des Bürgermeisters und des Vizebürgermeisters an der Entscheidung zweiter Instanz, obwohl sie im Verfahren auch als Zeugen gehört worden waren, weil sich die Fragen auf ihr Amtswissen beschränkt haben (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1983, Slg. N.F. Nr. 11.254/A).

Wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, sind die aufgezeigten Mängel des Verfahrens nicht als Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften anzusehen, doch begründen sie den Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Befangenheit innerhalb der Gemeindeverwaltung Befangenheit wegen Zeugeneigenschaft Gutachten rechtliche Beurteilung Sachverständiger Arzt Sachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989120130.X00

Im RIS seit

24.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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