TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/22 84/17/0205

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Veröffentlicht am 22.06.1990
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Index

L37059 Anzeigenabgabe Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AnzeigenabgabeG Wr 1983 §9 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1991, 192;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 18. Oktober 1984, Zl. MDR-H 87/84/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis vom 29. Mai 1984 sprach der Magistrat der Stadt Wien aus, der Beschwerdeführer habe als zur Vertretung nach außen Berufener der XY & Co GesmbH die Abrechnung über die von dieser Gesellschaft für die Monate November 1980 bis Juli 1983 für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte von S 263.580,-- dem Magistrat bis 17. August 1983 nicht vorgelegt und den sich danach ergebenden Abgabebetrag bis 17. August 1983 nicht gezahlt, somit hiedurch die Anzeigenabgabe um S 26.538,-- verkürzt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22 in der derzeit geltenden Fassung, im Zusammenhalt mit § 9 VStG begangen. Gemäß § 9 Abs.1 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 werde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 26.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 36 Tagen) verhängt.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1984 behob die Wiener Landesregierung auf Grund dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz. Der Begründung dieses Bescheides zufolge verkenne der Beschwerdeführer die Rechtslage, soweit er die Anzeigenabgabepflicht der genannten GesmbH bestreite. Diese sei Eigentümerin des die Veröffentlichung oder Verbreitung der Anzeige besorgenden Unternehmens, der auch die Einnahmen der entgeltlichen Aufnahme und Verbreitung von Anzeigen in Druckwerke zugeflossen seien. Selbst wenn die GesmbH lediglich als Anzeigenvermittler aufgetreten wäre, hätte dieser Umstand an ihrer Anzeigenabgabepflicht nichts geändert. Allerdings sei, so heißt es in der Begründung der Berufungsentscheidung weiter, bei Zurechnung der eingetretenen objektiven Verkürzung auf die durch die VStG-Novelle BGBl. Nr. 176/1983 mit 1. April 1983 eingetretene Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe in dieser Richtung unter anderem vorgebracht, daß ein eigener Geschäftsführer für die Werbemittlung bestellt gewesen sei. Dieses Vorbringen lasse es offen, ob es sich hiebei um einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 VStG in der zitierten Fassung gehandelt habe. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 und 4 VStG werde in einer mündlichen Verhandlung vor der erstinstanzlichen Behörde zu klären sein, ebenso ob die anläßlich der Abgabenprüfung festgestellten nicht abgerechneten steuerpflichtigen Entgelte überhaupt Zeiträume nach dem März 1983 beträfen.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983 bzw. nicht in dieser Höhe bestraft zu werden, ebenso aber auch in seinem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verwaltungsstrafverfahren und auf Einstellung dieses Verfahrens, das bei richtiger Rechtsauffassung bereits spruchreif sei.

1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

1.5. In Entsprechung der im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsanträge vom 28. November 1989 und vom 19. Jänner 1990 sprach der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 1990, G 314/89, G 19, 20/90, aus, daß § 9 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22, verfassungswidrig war.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Art. 140 Abs. 7 erster und zweiter Satz B-VG lauten:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."

Der Beschwerdefall bildet einen Anlaßfall für den verfassungsgerichtlichen Ausspruch, daß der angewendete und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende § 9 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 verfassungswidrig war.

Bei Nichtanwendbarkeit der genannten Verwaltungsstrafnorm hätte die Behörde nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 und nicht nach § 66 Abs. 2 leg. cit. vorgehen müssen. Dadurch, daß die belangte Behörde jedoch gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 vorgegangen ist und nicht sogleich das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wegen der - aus der Sicht der bereinigten Rechtslage im Anlaßfall gegebenen - Unanwendbarkeit der genannten Verwaltungsstrafbestimmung aufgehoben hat, belastete sie den angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1984170205.X00

Im RIS seit

22.06.1990

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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