TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/25 89/15/0067

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Veröffentlicht am 25.06.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §20;
BAO §224 Abs1;
BAO §248 Abs1;
BAO §248;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 55;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 31. März 1989, Zl. 817/44-10/Ma-1988, betreffend Haftung für Umsatzsteuer 1981:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 21. Februar 1984 wies das Kreisgericht Ried im Innkreis den Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der N & Co. KG, O (im folgenden: KG) mangels Vermögens ab. Mit Beschluß vom 8. Oktober 1985 verfügte dasselbe Gericht die amtswegige Löschung der KG. Der Beschwerdeführer war von der Gründung der KG im Jahre 1956 bis zur Löschung deren persönlich haftender Gesellschafter.

Mit Bescheid vom 6. August 1986 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß § 12 BAO für die bei der KG aushaftende Umsatzsteuer für 1981 und 1982, die Abgabe von alkoholischen Getränken für 1982, sowie für Säumniszuschläge und Stundungszinsen in Anspruch.

Mit der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, ab 1977 habe die N Gesellschaft m.b.H. (im folgenden "GmbH") den Produktionsbetrieb der KG übernommen und Mietzinse für die Überlassung der Betriebsobjekte bezahlt sowie die Lohnkosten der Dienstnehmer der KG ersetzt. Dies sei bis 1981 normal verlaufen. Ab 1982 hätten sich Zahlungsschwierigkeiten ergeben. Am 9. November 1982 sei der Beschwerdeführer "als angestellter Geschäftsführer von der GmbH abberufen" worden; über das Vermögen der GmbH sei der Konkurs eröffnet worden. Infolge seiner Abberufung als Geschäftsführer, der Beschlagnahme der Buchhaltung durch den Masseverwalter und eines Spitalsaufenthaltes habe der Beschwerdeführer weder für die GmbH noch für die KG eine Bilanz für 1982 erstellen oder Steuererklärungen abgeben können. Es seien daher alle "geschätzten Steuervorschreibungen" für 1982 und 1983 nicht richtig, weshalb er gegen diese Berufung einbringe und um die Aufhebung dieses Haftungsbescheides ersuche.

In einem "Nachtrag zur Berufung gegen den Haftungsbescheid" brachte der Beschwerdeführer vor, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Billigkeit hätte die Abgabenbehörde auf den schlechten Gesundheitszustand und den Vermögensverlust des Beschwerdeführers, der nur von einer Rente leben müsse und laufend Zivilverfahren "mit enormen Beträgen" ausgesetzt sei, berücksichtigen und Überlegungen betreffend die Inanspruchnahme des Bruders des Beschwerdeführers, der als bestimmender Gesellschafter der GmbH für den Konkurs der KG verantwortlich gewesen sei, anstellen müssen. Überdies werde sich durch die Entscheidung über die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1983 die Herabsetzung der Steuerschuld auf Null ergeben, sodaß die Grundlage für den Haftungsbescheid entfallen werde.

In diesem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer auch Berufung gegen den "Umsatzsteuerbescheid 1982", die er in der Folge zurückzog.

Mit dem angefochtenen Bescheid in der Fassung eines Berichtigungsbescheides gab die belangte Behörde der Berufung insoweit statt, als sie die auf Umsatzsteuer 1982, Abgabe von alkoholischen Getränken 1982 sowie Säumniszuschläge und Stundungszinsen entfallenden Beträge aus dem Haftungsbetrag ausschied. Im übrigen (betreffend die Haftung für die Umsatzsteuer 1981) wies sie die Berufung ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer hafte als persönlich haftender Gesellschafter der KG für deren Abgabenschulden gemäß § 12 BAO und §§ 128 in Verbindung mit 161 HGB gesamtschuldnerisch, persönlich, unmittelbar und primär. Die Haftung sei gemäß § 224 BAO durch Erlassung eines Haftungsbescheides zu konkretisieren. Mit den bei der GmbH eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten könne sich der Beschwerdeführer nicht entschuldigen. Bei der Ermessungsübung betreffend die Inanspruchnahme zur Haftung sei zunächst zu berücksichtigen, daß die Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Der Bruder des Beschwerdeführers könne mangels einer persönlichen Haftung des Kommanditisten und wegen des über sein Vermögen eröffneten Konkurses ebenfalls nicht herangezogen werden. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer des Jahres 1981 sei dem Beschwerdeführer, der selbst auf einen normalen Geschäftsgang der Primärschuldnerin im relevanten Zeitraum verwiesen habe, anzulasten. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er sei im Zusammenhang mit den Ereignissen um die GmbH um sein Lebenswerk gebracht worden und lebe derzeit von einer Rente, seien bei der Ermessensübung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme zur Haftung nicht zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft haftet gemäß §§ 128, 161 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich.

Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden zufolge § 224 Abs. 1 BAO durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die gemäß § 200 BAO für 1982 und 1983 vorläufig festgesetzte Umsatzsteuer sei insofern wesentlich überhöht, als durch bisher nicht berücksichtigte Forderungsausfälle erhebliche Gutschriften zu erwarten seien. Unter Berücksichtigung dieser Steuergutschriften stelle sich der zur Haftung geltend gemachte Steuerrückstand der vormaligen KG "als nicht rechtsbeständig dar".

Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung, die - den Gegenstand der Haftung bildende - für das Jahr 1981 rechtskräftig festgesetzte Umsatzsteuer sei "nicht rechtsbeständig", weil bei der Festsetzung der Umsatzsteuer (offenbar gegenüber der KG) für die Jahre 1982 und 1983 Gutschriften zu erwarten seien, erübrigt sich schon aus folgendem Grund:

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch beruft, hat die Berufungsbehörde nach Lehre und ständiger Rechtsprechung zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1972, Slg. 4443/F, vom 3. Dezember 1986, Zl. 85/13/0049, vom 23. Jänner 1989, Zl. 87/15/0136, Stoll, BAO - Handbuch 615). Dieser Lehre und Rechtsprechung folgend hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung entschieden; dementsprechend ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung. Durch Gründe, die sich auf den Abgabenanspruch beziehen, kann der Beschwerdeführer daher in keinem Recht verletzt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1972, Zl. 4443/F). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können somit im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/14/0083, 0169, und vom 13. September 1988, Zl. 85/14/0161). Schon aus diesem Grund können die oben erwähnten Darlegungen des Beschwerdeführers, mit denen die "fehlende Rechtsbeständigkeit" der Abgabenforderung behauptet wird, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, in Anbetracht des Verlustes seines gesamten Vermögens und der Zuerkennung der Invaliditätspension wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit sei es selbst dann unbillig, ihn zur Haftung heranzuziehen, wenn sonst keine Einbringungsmöglichkeiten mehr bestünden. Mit diesen Billigkeitsgründen habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1989, Zl. 87/15/0136, und die darin zitierte hg. Vorjudikatur). Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1988, Zl. 87/17/0313, und die darin angeführte hg. Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat zur Begründung ihres bei der Geltendmachung der Haftung geübten Ermessens dargelegt, bei der Primärschuldnerin sei die Abgabe uneinbringlich; die - vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren geforderte - Inanspruchnahme seines Bruders sei schon mangels eines Rechtsgrundes für eine solche Haftung nicht möglich. Dem Beschwerdeführer sei auch die Nichtentrichtung der im Jahr 1981 aufgelaufenen Umsatzsteuerzahllast trotz des von ihm selbst zugestandenen normalen Geschäftsganges der Primärschuldnerin anzulasten. Diese Darlegungen, denen der Beschwerdeführer gar nicht entgegentritt, lassen keine bei der Ermessungsübung unterlaufene Rechtswidrigkeit erkennen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Billigkeitsgründe", deren Berücksichtigung bei der Ermessensübung er vermißt, nämlich seine Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit, stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Ermessen Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150067.X00

Im RIS seit

24.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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