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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
A gegen Landesarbeitsamt Vorarlberg vom 22. Jänner 1990, Zl. III/6702, betreffend Nichterteilung von Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei, die in F eine Gastwirtschaft betreibt, beantragte am 23. März 1989 beim Arbeitsamt Feldkirch zum einen für die am 1. April 1965 geborene türkische Staatsangehörige G zur Verwendung als Hilfskoch, zum anderen für den am 1. Jänner 1965 geborenen türkischen Staatsangehörigen K zur Verwendung als Koch die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975. Mit den beiden Bescheiden vom 1. Juni 1989 wies die Behörde erster Instanz mit Bezug auf die eben zitierte Gesetzesstelle diese Anträge im wesentlichen jeweils mit der Begründung ab, im Bundesland Vorarlberg liege der Anteil der Ausländerbeschäftigung über 13 %. Diese hohe Ausländerquote habe zu einer extremen Belastung der Infrastruktur des Landes geführt. Inbesondere stelle der angespannte Wohnungsmarkt in Vorarlberg ein schwer lösbares Problem dar, welches durch eine weitere "Hereinnahme" von Ausländern verschärft werden würde. Auch die Vorarlberger Landesregierung habe sich massiv gegen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Neu- und Wiedereinreisende ausgesprochen, da die ökonomischen Vorteile, welche dem einzelnen Betrieb aus der Beschäftigung von Ausländern erwüchsen, nicht die Nachteile, welche der Öffentlichkeit daraus entstünden, aufwägen, weshalb der (jeweilige) Antrag aus Gründen des öffentlichen Interesses abzulehnen gewesen sei.
Gegen beide Bescheide der Behörde erster Instanz erhob die beschwerdeführende Partei innerhalb offener Frist Berufung. Sie brachte darin - im wesentlichen gleichlautend vor, sie habe bereits vor ca. fünf Monaten den dringenden Bedarf nach Einstellung einer entsprechenden Arbeitskraft gemeldet, es habe ihr aber niemand zugewiesen werden können. Sie sei derzeit gezwungen, in Doppelschichten zu arbeiten, weil sie den Betrieb sonst nicht mehr aufrechterhalten könne.
Nach Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens - darin hatte die belangte Behörde im wesentlichen ausgeführt, aus welchen Gründen ihrer Meinung öffentliche Interessen der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung entgegenstünden - gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 1990 den Berufungen der beschwerdeführenden Partei gegen die Bescheide der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG (in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 231/1988) keine Folge und bestätigte die bekämpften Bescheide der Behörde erster Instanz.
Nach Wiedergabe des § 4 Abs. 1 AuslBG führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung stünden wichtige öffentliche Interessen entgegen: Derzeit betrage der Ausländeranteil bei der Vorarlberger Wohnbevölkerung rund 13 % und bei den im Land unselbständig Beschäftigten 14,4 %. Diese große Zahl von Ausländern habe zur extremen Belastung der Einrichtungen der Infrastruktur in Vorarlberg geführt. Besonders der angespannte Wohnungsmarkt stelle schon heute ein kaum lösbares Problem dar. In Anbetracht der drohenden Belastung der Infrastruktur sei ein weiterer Zuzug von Ausländern nicht mehr vertretbar. Einer Zulassung von weiteren Ausländern auf dem Vorarlberger Arbeitsmarkt stünden wegen der zu befürchtenden negativen Auswirkungen für die Vorarlberger Bevölkerung wichtige öffentliche Interessen entgegen. Diesen Überlegungen könne nicht entgegengehalten werden, daß die dargestellten Auswirkungen durch die Erteilung einer einzelnen Beschäftigungsbewilligung nicht ausgelöst werden könnten. Da von einer Vielzahl von gleich zu behandelnden Einzelfällen auszugehen sei, würde die Berücksichtigung einer solchen Argumentation im Einzelfall, in Summa gesehen, die Gesamtentwicklung in der bereits erwähnten nachteiligen Form beeinflussen.
Die beschwerdeführende Partei macht in ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Die Erteilung einer Beschäftigung ist daher an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1) daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt UND
2) wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur zur Frage der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ausgesprochen hat (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1979, Zl. 1298/78, vom 9. Oktober 1979, Zl. 548/78, vom 11. Juni 1980, Zl. 2637/79, vom 28. März 1984, Zl. 84/09/0040, vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051, u.v.a.), darf bei der Auslegung dieser Bestimmung nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber im Schlußteil der angeführten Gesetzesstelle erwähnten ins Spiel gebrachten wichtigen öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung KONKRET die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese KONKRETE Beschäftigung zuläßt. Dies wird zumindest immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, sie zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. dazu das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051, u.v.a.). Die Behörde hat daher bei der ihr im § 4 Abs. 1 AuslBG aufgetragenen Beurteilung, ob eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen oder zu verweigern ist, jedenfalls von der im Einzelfall angestrebten Bewilligung auszugehen (vgl. hiezu insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1984, Zl. 84/09/0040).
Im vorliegenden Fall hat weder die Behörde erster Instanz in ihren Bescheiden noch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt, für welche konkrete Beschäftigung die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG vorgenommen wurde. Die belangte Behörde stützt ihren Bescheid ausschließlich auf entgegenstehende (wichtige) öffentliche Interessen im Sinne der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG, ohne sich im konkreten mit den von der beschwerdeführenden Partei beantragten Beschäftigungen unter dem Gesichtspunkt der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG zu befassen.
Darüber hinaus stellt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes einen weiteren Begründungsmangel dar, wenn sich die belangte Behörde bei Darlegung der ihrer Rechtsansicht nach den beantragten Bewilligungen entgegenstehenden wichtigen öffentlichen Interessen auf allgemeine für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachprüfbare Feststellungen über Zustände im Lande Vorarlberg zurückgezogen hat. Ohne die von der Behörde hiebei nur in sehr abstrakter und nicht belegter Form vorgebrachten Erwägungen auf ihre Richtigkeit hin in Zweifel ziehen zu wollen, ist es doch - entsprechend ihrer aus den §§ 58, 60 und 67 AVG 1950 erfließenden Verpflichtung, ihren Bescheid zureichend, in einer der nachprüfenden Rechtskontrolle zugänglichen Art, zu begründen - Sache der belangten Behörde gewesen, konkret und in substantieller Weise im einzelnen darzulegen und aufzuzeigen, auf welche konkreten ökonomischen, demoskopischen oder sonstigen rechtserheblichen Daten sie ihren Bescheid gründet. Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht entsprochen (vgl. dazu im einzelnen insbesondere die Begründung in den Erkenntnissen vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0010, und Zl. 90/09/0021, in denen die dortigen Beschwerdeführer den demselben Beschwerdevertreter vertreten wurden, wie die beschwerdeführende Partei der vorliegenden Beschwerde, und auf die zur Vermeidung von Wiederholgungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird); die zum Teil in der Gegenschrift nachgeholten Begründungselemente vermögen diesen Mangel nicht zu sanieren.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung, BGBl. Nr. 206/1989.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil nur ein Bescheid der belangten Behörde angefochten wurde. In diesem Fall gebühren der obsiegenden Partei die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nur einmal, mag dieser Bescheid auch über mehrere erstinstanzliche Bescheide (aus dem Vollzugsbereich derselben Gebietskörperschaft) abgesprochen haben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090037.X00Im RIS seit
18.01.2001