Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §201;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 130;Betreff
N gegen Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989, Zl. MDR - J 4/89, betreffend Haftung für Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In ihrer Lohnsummensteuererklärung für das Jahr 1987 wies die X Gesellschaft m.b.H. eine Berechnungsgrundlage der Lohnsummensteuer von S 653.600,-- aus. In ihrer Dienstgeberabgabenerklärung für das Jahr 1987 wies die Gesellschaft einen Abgabenbetrag von S 520,--, in der Dienstgeberabgabenerklärung für den Zeitraum Jänner bis März 1988 einen Abgabenbetrag von S 130,-- aus.
Mit dem Haftungsbescheid vom 21. April 1989 nahm der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer gemäß §§ 7, 54 WAO für in der Zeit von Jänner 1986 bis März 1988 entstandene Rückstände an Dienstgeberabgaben und Lohnsummensteuer der Gesellschaft in der Höhe von S 10.982,-- in Anspruch.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer, soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, geltend, die "Lohnsummensteuervorschreibungen" für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1987 (und der darauf entfallende Säumniszuschlag) bestünden nicht zu Recht. Der Berechnung sei nämlich ein Geschäftsführergehalt von monatlich S 40.000,-- brutto, auszahlbar vierzehnmal jährlich, zu Grunde gelegt worden. Dieses Gehalt sei tatsächlich nicht ausbezahlt worden, worauf der Prüfer der Stadtkasse ausdrücklich hingewiesen worden sei. Überdies habe sich bei einer Prüfung durch das Finanzamt für Körperschaften auf Grund der Beteiligungsverhältnisse herausgestellt, daß Vergütungen an den Geschäftsführer keine abzugsfähigen Gehälter darstellten; sie könnten daher auch nicht lohnsummensteuerpflichtig sein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend vertrat sie u.a. die Auffassung, gemäß § 49 Abs. 1 WAO gelte die Lohnsummensteuer durch die Abgabenerklärung als festgesetzt. Da der Beschwerdeführer nicht behaupte, an die Finanzbehörde einen Antrag nach § 29 Abs. 1 GewStG gestellt zu haben, sei für das Haftungsverfahren die im Wege der Lohnsummensteuererklärung für 1987 festgesetzte Lohnsummensteuer maßgeblich.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 54 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Der Beschwerdeführer bestreitet die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgaben bei der "Primärschuldnerin" nicht; auch den ihm obliegenden Beweis, daß er nicht dafür habe Sorge tragen können, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1989, Zl. 88/15/0065, 89/15/0037, und die darin zitierte Vorjudikatur), hat er nicht angetreten. Er vertritt vielmehr die Auffassung, die belangte Behörde hätte beachten müssen, daß die von der Gesellschaft im fraglichen Zeitraum erklärten Gehälter von S 40.000,-- monatlich infolge der schlechten Ertragslage gar nicht ausbezahlt worden seien, da § 26 Abs. 1 GewStG bei der Definition der Lohnsumme auf die Zahlung abstelle. Weiters wäre darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß die vom Beschwerdeführer (als Geschäftsführer der Gesellschaft) irrtümlich als lohnsummensteuerpflichtig erklärten Gehälter von S 40.000,-- monatlich auf Grund seiner 100 %igen Beteiligung an der Gesellschaft Gehälter und sonstige Vergütungen nach § 7 Z. 6 GewStG seien, die gemäß § 26 Abs. 3 Z. 3 GewStG nicht zur Lohnsumme gehörten und daher auch keine Lohnsummensteuerpflicht begründen könnten.
Diese ausschließlich gegen den Abgabenanspruch als solchen gerichteten Darlegungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung entschieden; dementsprechend ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung. Durch Gründe, die sich auf den Abgabenanspruch beziehen, kann der Beschwerdeführer daher in keinem Recht verletzt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1972, Slg. 4443/F). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können somit im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. Mai 1980, Slg. 5488/F, vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/14/0083, 0169, und vom 13. September 1988, Zl. 85/14/0161).
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß es dem Beschwerdeführer dadurch nicht gänzlich verwehrt ist, die Unrichtigkeit der Bemessung der Abgabe geltend zu machen. Bei der im Haftungsweg geltend gemachten Lohnsummensteuer handelt es sich um eine Selbstbemessungsabgabe. Gemäß § 149 Abs. 1 WAO, der inhaltlich der Vorschrift des § 201 BAO entspricht, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen. Im vorliegenden Fall wurde die in Haftung gezogene, im Beschwerdeverfahren strittige Abgabe somit durch die Einreichung der Lohnsummensteuererklärung für 1987 durch die "Primärschuldnerin" festgesetzt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1971, Slg. 4214/F).
Die der Abgabenbehörde durch § 149 Abs. 2 WAO bei Selbstbemessungsabgaben im allgemeinen eingeräumte Kompetenz, die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist, kommt bei der Lohnsummensteuer in dieser Form nicht zum Tragen, da § 29 GewStG zur zitierten Vorschrift im Verhältnis der lex specialis steht. Bei Bestreitung des Lohnsummensteueranspruches durch den Zahlungspflichtigen steht der Gemeinde nur der Weg der Antragstellung auf Festsetzung des Steuermeßbetrages durch das Finanzamt gemäß § 29 GewStG offen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1957, Slg. 1727/F). Ein entsprechendes Antragsrecht kommt gemäß § 29 GewStG unter den dort genannten Voraussetzungen auch dem Steuerschuldner (vgl. § 4 Abs. 1 GewStG) zu. Erst nach wirksamen Ergehen des Meßbescheides des Finanzamtes darf ein Lohnsummensteuerbescheid der Gemeinde ergehen (vgl. die bei Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz II, Tz 29-6, angeführte Rechtsprechung).
Die Geltendmachung der Haftung für eine Selbstbemessungsabgabe, die kraft Gesetzes entsteht und kraft Gesetzes fällig wird, setzt eine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabenschuld gegenüber dem "Primärschuldner" nicht voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1980, Slg. 5488/F). Gemäß § 193 WAO kann der nach den Abgabenvorschriften Haftungspflichtige aber unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 171) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 146) mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen. Damit tritt der Haftungspflichtige in verfahrensrechtlicher Hinsicht völlig in die Rechte des Abgabepflichtigen ein (vgl. Reeger - Stoll, Bundesabgabenordnung5 818, zu der dem § 193 WAO entsprechenden Vorschrift des § 248 BAO in der Stammfassung). Daraus ergibt sich, daß den zur Haftung Herangezogenen (zur Gewährleistung des vollen Rechtsschutzes) bei Selbstbemessungsabgaben im allgemeinen das Recht auf die Geltendmachung der aus § 149 Abs. 2 WAO resultierenden Verpflichtung der Abgabenbehörde, u. a. im Falle der Unrichtigkeit der Selbstbemessung einen Abgabenbescheid zu erlassen, bei der Lohnsummensteuer unter den dort genannten Voraussetzungen zunächst das Recht auf Antragstellung nach § 29 GewStG - ungeachtet des Umstandes, daß in der zitierten Vorschrift nur der Steuerschuldner und die beteiligten Gemeinden als antragslegitimiert genannt werden - zukommt. Ohne ein solches Antragsrecht des Haftungspflichtigen erschiene eine Haftungsinanspruchnahme für strittige Lohnsummensteuerbeträge verfassungsrechtlich bedenklich.
Wird ein entsprechender Antrag in dem die Berufung gegen den Haftungsbescheid enthaltenden Schriftsatz gestellt, ist er gemäß § 49 WAO an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten oder der Einschreiter an dieses zu verweisen.
Schließlich ist noch auf die aus § 149 WAO im Zusammenhalt mit § 146 Abs. 1 WAO resultierende Verpflichtung der Abgabenbehörde zu verweisen, die zugelassene Selbstbemessung durch den Steuerpflichtigen zu überprüfen und - soweit sie es wegen deren Unrichtigkeit nicht bei der Selbstbemessung bewenden lassen kann - die Abgabe durch Bescheid richtig festzusetzen. Sie hat dabei im Sinne des § 90 Abs. 3 WAO die Angaben des Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu überprüfen und würdigen. Auf einen solchen Bescheid muß der Abgabepflichtige - mangels gegenteiliger Anordnung - jedenfalls dann Anspruch haben, wenn über die Richtigkeit der Selbstbemessung Meinungsverschiedenheit besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1982, Slg. 5660/F). Der beschriebenen Verpflichtung entspricht im Verfahren über die Lohnsummensteuer die Obliegenheit der Abgabenbehörde, - bei gleicher Sachlage, nämlich, soweit sie es wegen deren Unrichtigkeit nicht bei der Selbstbemessung bewenden lassen kann - beim Finanzamt den Antrag auf Festsetzung des Lohnsteuermeßbetrages zu stellen und auf der Grundlage des ergangenen Meßbescheides den Abgabenbescheid zu erlassen, um dem Haftungspflichtigen den ihm zukommenden Rechtszug zu eröffnen.
Schließlich ist der zur Haftung Herangezogene berechtigt, gegebenenfalls eine Verminderung oder den Entfall des in Haftung gezogenen Abgabenanspruches durch den auf der Grundlage des Meßbescheides erlassenen Abgabenbescheid geltend zu machen.
Wie schon dargelegt wurde, können die ausschließlich gegen den Abgabenanspruch gerichteten Ausführungen der Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung, die nur über die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung abspricht, nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150108.X00Im RIS seit
25.06.1990Zuletzt aktualisiert am
29.08.2011