TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/25 89/15/0043

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.1990
beobachten
merken

Index

21/01 Handelsrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

EVHGB 04te Art7 Nr15 Abs1;
GebG 1957 §33 TP16 Abs1 Z1 litc;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 422;

Betreff

Verlassenschaft nach S gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Jänner 1989, Zl. GA 11-1889/1/88, betreffend Rechtsgebühr

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ende 1984/Anfang 1985 beurkundeten die drei Gesellschafter der S-OHG in einem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag (im folgenden nur noch als "Nachtrag" bezeichnet), daß die Gesellschafterin Wilhelmine N aus der OHG ausscheide. Punkt IV des Nachtrages lautet:

    ZUWACHSEN DER BETEILIGUNG

    4.1 Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung der

ausscheidenden Gesellschafterin Frau Wilhelmine N an der

offenen Handelsgesellschaft ... wächst zur Gänze Herrn ... S

zu.

    4.2 Demgemäß sind ab 1. September 1984 am Substanzvermögen

und am Gewinn oder Verlust der protokollierten Firma (OHG) die

verbleibenden Gesellschafter Herr ... S und Frau Margarethe E

wie folgt beteiligt:

- am Kapital Herr ... S zu 2/3 ... und Frau Margarethe E zu 1/3

... und

- am Ertrag (Gewinn und Verlust) Herr ... S zu 73 1/3 % ... und

Frau Margarethe E zu 26 2/3 %.

    4.3 Mit den Abschichtungszahlungen, welche die ... (OHG)

nach Inhalt des Punktes V dieses Vertrages an die ausscheidende

Gesellschafterin Frau Wilhelmine N zu erbringen hat, wird von

der Gesellschaft Herr ... S allein belastet.

Die belangte Behörde ging in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid davon aus, daß Wilhelmine N dem S ihren Geschäftsanteil im Sinne des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 überlassen habe und daher die nach dieser Gesetzesstelle vorgesehene Rechtsgebühr zu entrichten sei.

Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen in ihrer wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde die Auffassung, Art. IV des Nachtrages regle keine Überlassung eines Geschäftsanteiles im Sinne des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957, vielmehr stehe das Ausscheiden der Gesellschafterin Wilhelmine N und die Regelung ihrer von der Gesellschaft zu erfüllenden gesetzlichen Abfindungsansprüche im Sinne der Bestimmungen des Art. 7 Nr. 15 und 16 der vierten Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. Dezember 1938, RGBl. I Seite 1999, GBlÖ Nr. 86/1939 (4. EVHGB), im Vordergrund. Da im Nachtrag abweichend vom Art. 7 Nr. 15 Abs. 1 EVHGB vereinbart worden sei, daß der Anteil der ausscheidenden Gesellschafterin Wilhelmine N am Gesellschaftsvermögen ausschließlich dem S zuwachse, sei die Belastung des letzteren mit der Abschichtungsschuld durch die Gesellschaft die rechtliche Konsequenz gewesen, welche in Punkt 4.3 des Nachtrages ihren Niederschlag gefunden habe. Daraus folge aber, daß S an Wilhelmine N ein Entgelt nicht bezahlt und Wilhelmine N ihre Beteiligung rechtsgeschäftlich auch nicht S überlassen habe. Es sei daher ein gebührenrechtlicher Tatbestand nicht erfüllt. Äußerstenfalls könnte der Standpunkt vertreten werden, daß die dritte Gesellschafterin (Margarethe E) den ihr anwachsenden Anteil der Gesellschafterin Wilhelmine N, das seien 50 % dieses Anteiles, dem Mitgesellschafter S überlassen habe, in welchem Fall die Gebührenpflicht des letzteren auf die Hälfte reduziert werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 7 Nr. 15 Abs. 1 der 4. EVHGB, auf den sich auch die Beschwerdeführerin beruft, wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese Anordnung zieht nur eine zwingende Konsequenz aus dem Umstand, daß es für Nichtgesellschafter keine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geben kann. Das bedeutet jedoch nicht, daß nicht das Zuwachsen an die übrigen (verbleibenden) Gesellschafter gesteuert und vereinbart werden kann, daß der Anteil des Ausscheidenden nicht allen, sondern nur bestimmten Gesellschaftern zuwachsen soll. Dies räumt auch die Beschwerdeführerin ein und verweist zutreffend auf Koppensteiner in Straube, Kommentar zum HGB, Rz 4 zu Art. 7 Nr. 15, 16 der 4. EVHGB, auf Bauerreiss, Das Ausscheiden eines Gesellschafters bei der OHG, Ges RZ 1973, Seite 96, und auf Jud, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsvereinbarungen - insbesondere der Firmenwertausschluß - in Familienpersonengesellschaften, ÖZW 1978, Seite 103. Nur für den Fall, daß keine solche Vereinbarung über das Zuwachsen an bestimmte Gesellschafter getroffen wird, kommt es kraft Gesetzes, nämlich nach Art. 7 Nr. 15 Abs. 1 der 4. EVHGB, zu jenem Anwachsen an die (alle) übrigen Gesellschafter, das nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere das Erkenntnis vom 18. September 1969, Zl. 383/68, und die dort zitierte Vorjudikatur) nicht das Tatbestandselement der "Überlassung eines Geschäftsanteiles von einem Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter" des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 erfüllt. Verwirklicht wird dieses Tatbestandsmerkmal laut Erkenntnis Zl. 383/68 jedoch dann, wenn ein einzelner oder nur einige der mehreren verbleibenden Gesellschafter den Anteil des Ausscheidenden erwerben und den Ausscheidenden auf eigene Rechnung entfertigen. Diese Rechtsmeinung wird auch im Schrifttum geteilt (Gaier, Kommentar zum Gebührengesetz2, § 33 TP 16 Rz 67, und Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern, § 33 TP 16 GebG Seite 23 I). Der Verwaltungsgerichtshof findet keinen Anlaß, von seiner Rechtsprechung abzurücken.

Im Beschwerdefall kam es nun zu keinem Anwachsen an die nach dem Ausscheiden der Wilhelmine N verbleibenden beiden Gesellschafter. Vielmehr sieht der Nachtrag ausdrücklich vor, daß die gesellschaftsrechtliche Beteiligung der ausscheidenden Gesellschafterin ZUR GÄNZE DEM S (ALLEIN) ZUWÄCHST und daß die ausscheidende Gesellschafterin allein auf Rechnung des S zu entfertigen ist, woran auch der Umstand nichts ändert, daß die Entfertigung aus den in der OHG gebundenen Mitteln des S (Art. V. Punkt 5.1 "unter entsprechender Kontenbelastung des ... S") erfolgen sollte. Der Übergang des Geschäftsanteiles der Wilhelmine N allein (zur Gänze) an S entspricht dem schon erwähnten gebührenrechtlichen Tatbestandsmerkmal der "Überlassung eines Geschäftsanteiles von einem Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter". Da dem Nachtrag zufolge der Geschäftsanteil der Wilhelmine N "zur Gänze" auf S überging, ist auch nicht ("äußerstenfalls") der Standpunkt vertretbar, daß der Geschäftsanteil der Wilhelmine N teilweise der dritten Gesellschafterin anwuchs (und von dieser zur Hälfte dem S überlassen wurde).

Wodurch die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt haben sollte, wird in der Beschwerde nicht konkret aufgezeigt. Sollte die Verfahrensrüge erhoben worden sein, weil die belangte Behörde im Sinne des Punktes 2 der Beschwerdegründe keine Feststellungen darüber getroffen hat, daß das Ausscheiden der Wilhelmine N im existentiellen Interesse der OHG lag, so ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß ein solches existentielles Interesse bei der Anwendung des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 unerheblich ist.

Die Beschwerdeführerin konnte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Ihre Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150043.X00

Im RIS seit

25.06.1990

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten