TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/25 90/09/0063

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Veröffentlicht am 25.06.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

H gegen Landesarbeitsamt Vorarlberg vom 14. Februar 1990, Zl. III/6702, betreffend Beschäftigungsbewilligung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Bfr Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die eine Tischlerei betreibt, beantragte am 29. Dezember 1989 beim Arbeitsamt Bregenz für den am 27. März 1973 geborenen türkischen Staatsangehörigen A die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als Tischler.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1990 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) aus öffentlichen Interesse abgelehnt, weil in Anbetracht des hohen Gastarbeiteranteiles in Vorarlberg einem weiteren Zustrom an ausländischen Gastarbeitern nicht mehr zugestimmt werden könne.

In der Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, daß sich ihr Betrieb in einem entsiedelungsgefährdeten Bereich befinde und es daher sehr schwierig sei, Arbeitskräfte zu bekommen; außerdem hätten im letzten halben Jahr zwei Gesellen den Betrieb verlassen. Weiters wurden im Bereiche des "beantragten Ausländers" gelegene soziale Gründe vorgebracht und darauf hingewiesen, daß der minderjährige Ausländer bei seinen Geschwistern, die im Betriebsort ein Bauernhaus bewohnen und schon mehr als 15 Jahre in Vorarlberg ansässig und beschäftigt seien, wohnen könne, verpflegt und solcherart gleichsam integriert wäre.

Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage weiter ausgeführt:

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG sei die Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich 1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse UND 2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente sei den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Im Beschwerdefall stünden der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wichtige öffentliche Interessen entgegen: Derzeit betrage der Ausländeranteil bei der Vorarlberger Wohnbevölkerung rund 13 % und bei den im Land unselbständig Beschäftigten 14,2 %. Zum Jahresende 1989 seien in Vorarlberg 7.474 Personen mehr als Ende 1988 gemeldet gewesen; einen so großen Bevölkerungszuwachs hätte es seit 1972 nicht mehr gegeben. Die Erhöhung des Jahres 1989 resultiere nur zu einem geringen Teil aus dem natürlichen Bevölkerungszuwachs; wesentlich sei die Zuwanderung aus dem Ausland gewesen. Diese erfolge vornämlich aus der Türkei und aus Jugoslawien. So hätte die Zahl der in Vorarlberg gemeldeten türkischen Staatsbürger von 15.752 Ende 1988 auf 19.013 im Dezember 1989 zugenommen, was eine anteilsmäßige Erhöhung von 20,7 % bedeute.

Diese große Zahl von Ausländern habe zu einer extremen Belastung der Einrichtungen der Infrastruktur in Vorarlberg geführt. In Anbetracht der drohenden Überlastung der Infrastruktur sei ein weiterer Zuzug von Ausländern nicht mehr vertretbar. Einer Zulassung von weiteren Ausländern auf den Vorarlberger Arbeitsmarkt stehe wegen der zu befürchtenden negativen Auswirkungen für die Vorarlberger Bevölkerung wichtige öffentliche Interessen entgegen. Diesen Überlegungen könne nicht entgegengehalten werden, daß die dargestellten Auswirkungen durch die Erteilung einer einzelnen Beschäftigungsbewilligung nicht ausgelöst werden könnten. Da von einer Vielzahl von gleichzubehandelnden Einzelfällen auszugehen sei, würde die Berücksichtigung einer solchen Argumentation im Einzelfall, in Summe gesehen, die Gesamtentwicklung der bereits erwähnten nachteiligen Form beeinflussen.

Die beschwerdeführende Partei macht in ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung zu erteilten, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen. Im Beschwerdefall ist das Ausländerbeschäftigungsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 anzuwenden.

Da im Beschwerdefall unbestritten ist, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zuläßt, ist ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde zutreffend davon ausgehen durfte, daß die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung entgegenstand.

Mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Unzulässigkeit der Berücksichtigung angeblicher rein fremdenpolizeilicher Belange im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 AuslBG im Hinblick auf den Entfall des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0021, eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, daß es im Grunde des § 4 Abs. 1 AuslBG zulässig ist, die Nichterteilng einer Beschäftigungsbewilligung auf einen zu hohen Ausländeranteil, der zu einer extremen Belastung der Infrastruktur bzw. des Wohnungsmarktes führt, zu stützen. Auf dieses Erkenntnis und die dort weiters angeführte Rechtsprechung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Ebenso wie in dem genannten Erkenntnis vom 31. Mai 1990 kommt aber auch im Beschwerdefall dem Beschwerdevorbringen insofern Berechtigung zu, als es eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Es stellt nämlich einen Begründungsmangel dar, daß sich die belangte Behörde bei Darlegung der ihrer Rechtsansicht nach der beantragten Bewilligung entgegenstehenden wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen auf allgemeine, für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachprüfbare Feststellungen über Zustände im Land Vorarlberg zurückgezogen hat. Ohne die von der Behörde hiebei nur in sehr abstrakter und nicht belegter Form vorgebrachten Erwägungen auf ihre Richtigkeit hin in Zweifel ziehen zu wollen, wäre es doch Sache der belangten Behörde gewesen, entsprechend ihrer aus den §§ 58, 60 und 67 AVG 1950 erfließenden Verpflichtung, ihren Bescheid zureichend, in einer der nachprüfenden Rechtskontrolle zugänglichen Art zu begründen, konkret und in substantieller Weise im einzelnen darzulegen und aufzuzeigen, auf welchen konkreten ökonomischen, demoskopischen oder sonst rechtserheblichen Daten sie ihren Bescheid gründet. Weiters wird in diesem Zusammenhang auch auf das Vorbringen Bedacht zu nehmen sein, daß die Zunahme des ausländischen Bevölkerungsanteiles in Vorarlberg nicht primär aus der Zuwanderung, sondern aus der größeren Geburtenfreudigkeit der bereits ansässigen Ausländer resultiert. Ebenso ist eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen der angeblich weitgehenden Integration des "beantragten Ausländers" angezeigt. Dieser Begründungsverpflichtung hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht hinreichend entsprochen; die zum Teil in der Gegenschrift nachgeholten Begründungselemente vermögen diesen Mangel nicht zu sanieren.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Begründungsmängel zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert sind, die in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990090063.X00

Im RIS seit

25.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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