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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §21;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 89/15/0001 Besprechung in: ÖStZB 1990, 411;Betreff
1) X-gesellschaft m.b.H. & Co. KG, 2) Y Wechselseitige Versicherungsanstalt und 3) Z-versicherung auf Gegenseitigkeit gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. November 1988, Zlen. GA -8-1302-1987 und GA 8-1108/1-1988, betreffend Feststellung des Einheitswertes zum 1. Jänner 1987, Artfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 BewG und Bodenwertabgabe für das Jahr 1987 und die folgenden Jahre.
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, die Eigentümer der Liegenschaft Ort A, B-Platz c, sind, haben das auf diesem Grundstück befindliche Gebäude im Jahre 1986 abbrechen lassen, um auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten. Wegen des geplanten Neubaues erfolgte kein Totalabbruch, sondern es wurde die Baugrube nicht aufgefüllt und Teile des Kellergeschosses und des Fundamentes des alten Gebäudes wurden stehengelassen.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1987 setzte das Finanzamt für M für die genannte Liegenschaft den Einheitswert mit Feststellungsbescheid im Wege der Artfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) zum 1. Jänner 1987 als unbebautes Grundstück mit S 19,104.000,-- fest. Mit Bescheid vom 28. Jänner 1987 setzte das Finanzamt als Folge des erstgenannten Bescheides für die streitgegenständliche Liegenschaft die Bodenwertabgabe für das Jahr 1987 und die folgenden Jahre bis zur Zustellung eines neuen Bescheides mit jährlich S 255.900,-- fest.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden ab. In der Begründung des erstangeführten Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen unter Hinweis auf § 53 BewG aus, daß das Bewertungsgesetz grundsätzlich nur zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken unterscheide, wobei Grundstücke, die sich im Zustand der Bebauung befänden, als bebaute Grundstücke gelten würden. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück habe sich ein Gebäude befunden, dessen Bebauung im Jahre 1953 abgeschlossen gewesen sei. Der Abbruch des Gebäudes - sei es ein gänzlicher oder teilweiser - könne nicht dazu führen, daß das Grundstück als im Zustande der Bebauung anzusehen sei. Es könne sich also nur die Frage erheben, ob das Grundstück - dessen Bebauung bereits abgeschlossen gewesen sei - noch bebautes Grundstück sei oder aber - mangels eines noch vorhandenen Gebäudeteiles - bereits wieder unbebautes Grundstück sei. Im gegenständlichen Fall seien nach dem im Jahre 1986 erfolgten Abbruch lediglich zum Teil Kellerwände stehengeblieben. Derartige Bestandteile eines Gebäudes seien aber selbstredend keine Gebäude, aber auch keine Gebäudeteile, da sie keine Räume im Sinne des § 53 Abs. 3 bis 5 BewG 1955 darstellten. Aus den genannten Vorschriften ergäbe sich, daß unter Gebäudeteil im Sinne des Bewertungsgesetzes nicht einzelne Elemente des Gebäudes, sondern Abteilungen des Gebäudes zu verstehen seien, die sich als von Wänden umschlossene Räume darstellten. Daraus ergäbe sich zwingend, daß das Grundstück zufolge des im gegebenen Umfang erfolgten Gebäudeabbruches unbebautes Grundstück sei. Ein Grundstück befinde sich dann im Zustand der Bebauung, wenn mit der Bebauung bereits begonnen bzw. nach einem bereits erfolgten Abschluß der Bebauung neuerlich begonnen worden sei. Das heiße, erst nach erfolgtem - gegebenenfalls neuerlichem - Beginn der Bebauung befinde sich das Grundstück im Zustand der Bebauung. Eine Bebauung liege aber nur dann vor, wenn die Bauführung so weit gediehen sei, daß eine dreidimensionale Raumabgrenzung erkennbar geworden sei. Im vorliegenden Fall sei keine Bauführung feststellbar gewesen. Die bloße Absicht zur Bauführung könne die nach dem Bewertungsgesetz erforderliche tatsächliche Bauführung nicht ersetzen. In der Begründung des zweitgenannten Bescheides wies die belangte Behörde im wesentlichen daraufhin, daß die Festsetzung der Bodenwertabgabe eine Folge des erstgenannten Bescheides - wonach die streitgegenständliche Liegenschaft mit dem Stichtag 1. Jänner 1987 als unbebautes Grundstück gelte - sei.
Gegen beide Berufungsbescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, "daß im Feststellungsbescheid zum 1. Jänner 1987 die Artfortschreibung der Liegenschaft Ort A, B-Platz c, EZ 9999 KG A, als bebautes Grundstück zu bestimmen und somit keine Bodenwertabgabe zu leisten ist".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 BewG wird der Einheitswert unter anderem neu festgestellt, wenn die Art des Bewertungsgegenstandes von der zuletzt im Einheitswertbescheid festgestellten Art abweicht (Artfortschreibung).
Gemäß § 51 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs.
Gemäß § 53 Abs. 1 BewG ist bei der Bewertung von bebauten Grundstücken (Grundstücke, deren Bebauung abgeschlossen ist, und Grundstücke, die sich zum Feststellungszeitpunkt im Zustand der Bebauung befinden) vom Bodenwert (Abs. 2) und vom Gebäudewert (Abs. 3 bis 6) auszugehen.
Gemäß § 53 Abs. 9 BewG sind bei der Feststellung der Einheitswerte von Grundstücken, die sich zum Feststellungszeitpunkt im Zustand der Bebauung befinden, zu dem Wert des Grund und Bodens und der benützungsfertigen Gebäude und Gebäudeteile die Kosten hinzuzurechnen, die für die im Bau befindlichen Gebäude und Gebäudeteile bis zum Fertigstellungszeitpunkt entstanden sind. Der so festgestellte Einheitswert darf jedoch nicht höher sein als der Einheitswert, der sich ergeben wird, wenn das Gebäude oder der Gebäudeteil benützungsfertig (Abs. 6 dritter Satz) sind.
Gemäß § 55 Abs. 1 BewG sind unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Wert zu bewerten.
Für die Bewertung unterscheidet das Bewertungsgesetz in diesem Zusammenhang drei Gruppen von Grundstücken: 1) unbebaute Grundstücke, 2) im Bau befindliche Grundstücke, 3) bebaute Grundstücke. Aus § 53 Abs. 1 und 9 BewG ergibt sich, daß Grundstücke, die sich zum Feststellungszeitpunkt im Zustand der Bebauung befinden, als bebaute Grundstücke gelten. Was ein bebautes oder ein unbebautes Grundstück ist, ist den angeführten Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu entnehmen. Was jedoch ein "Grundstück im Zustande der Bebauung" ist, wird durch das Bewertungsgesetz nicht definiert. Dennoch besteht kein Zweifel daran, daß nur ein Grundstück, das bisher unbebaut war, durch die Errichtung eines Gebäudes auf diesem, ab der Erreichung eines bestimmten Baufortschrittes, ein Grundstück im Zustande der Bebauung ist. Keine Regelung enthält das Bewertungsgesetz für den hier gegebenen Fall, daß ein bestehendes Gebäude zum Zweck der Errichtung eines Neubaues abgerissen wird. Insbesondere sieht das Gesetz nichts dafür vor, daß und ab welcher Phase des Abbruches das bebaute Grundstück wieder als unbebautes Grundstück zu gelten hat.
Im vorliegenden Fall, bei dem der Sachverhalt unbestritten feststeht, geht es allein um die Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück zum Stichtag 1. Jänner 1987 noch ein bebautes Grundstück oder bereits ein unbebautes Grundstück war. Der Verwaltungsgerichtshof vermag bei Entscheidung dieser Frage weder der Ansicht der Beschwerde zu folgen, daß das Grundstück am Bewertungsstichtag deshalb als bebautes Grundstück zu gelten hätte, weil es sich zum Feststellungszeitpunkt in einem Zustand der Bebauung befunden habe, der seine Qualifikation als "im Zustand der Bebauung befindliches Grundstück" rechtfertige, noch vermag er die Meinung der belangten Behörde zu teilen, daß der Zustand, in dem sich das Grundstück am Bewertungsstichtag befunden hat, die Qualifikation als unbebautes Grundstück erfordere. Denn es kann schon begrifflich bei einem Grundstück, dessen Bebauung bereits abgeschlossen war, also bei einem bebauten Grundstück, von einem Zustand der Bebauung im Sinne des § 53 BewG auch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn, wie im gegenständlichen Fall, das vorhandene Gebäude nach seinem nicht vollständigen Abbruch durch ein neues Gebäude ersetzt werden soll. Entscheidend kann daher nur sein, ob das Grundstück am Bewertungsstichtag sich in einem solchen Zustand befunden hat, daß es unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte als unbebautes Grundstück angesehen werden konnte. Es muß anderseits bei einem Fall, der so gelagert ist wie der gegenständliche, als verfehlt angesehen werden, wenn man einen durch den Abbruch eines vorhandenen Gebäudes eingeleiteten Vorgang der Neuerrichtung eines anderen Gebäudes zum Anlaß für eine Artfortschreibung nur deshalb nimmt, weil zum Bewertungsstichtag auf dem Grundstück nur mehr als Gebäude unbenutzbare Teile desselben auf dem Grundstück vorhanden waren. Eine Fortschreibung der zuletzt festgestellten Einheitswerte hat - abgesehen von einer Fehlerberichtigung pro futuro - zur Voraussetzung, daß Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen seit der letzten Feststellung eingetreten sind. Im Beschwerdefall kann nun dahingestellt bleiben, wann man von einem Zustand der Bebauung im Einzelfall sprechen kann, weil der Begriff des "Grundstückes im Zustand der Bebauung" nur auf Fälle anwendbar ist, in welchen mit der Bebauung eines unbebauten Grundstückes begonnen wird. Für den Fall der Rückführung bzw. Umwandlung eines bebauten Grundstückes in ein unbebautes Grundstück fehlt im Bewertungsgesetz eine Aussage darüber, daß und ab wann das bebaute Grundstück im Zuge des Abbruches des vorhandenen Gebäudes als unbebautes Grundstück gilt. Ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird man in dem gegebenen Fall von einer Änderung in der Art des Grundstückes erst nach Abbruch bzw. Entfernung des gesamten Gebäudes, d. h. nach Wiederherstellung des vor der Verbauung befindlichen Zustandes sprechen können. Zum Bewertungsstichtag 1. Jänner 1987 befanden sich auf dem gegenständlichen Grundstück neben der Baugrube noch Teile der Grundmauern und der Kellermauern, d. h. der Abbruch des Gebäudes war noch nicht vollendet. Obwohl die belangte Behörde über den Umfang der noch vorhandenen Gebäudeteile keine Feststellungen getroffen hat, kann von diesem Stand des Abbruches des Gebäudes am Bewertungsstichtag unbedenklich ausgegangen werden, weil die diesbezüglichen Behauptungen der Beschwerdeführer von der belangten Behörde nie in Zweifel gezogen worden sind. Da somit feststeht, daß das Grundstück am Bewertungsstichtag 1. Jänner 1987 nicht den Zustand aufgewiesen hat, in dem es sich vor seiner ursprünglichen Verbauung befunden hatte, war zu dem genannten Zeitpunkt keine Änderung der Art des Grundstückes eingetreten, die die belangte Behörde zur Vornahme der Artfortschreibung berechtigt hätte.
Da von der belangten Behörde insofern die Rechtslage verkannt worden ist, hat sie den erstangeführten Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es noch erforderlich war, auf die weiteren Beschwerdeausführungen und die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift näher einzugehen.
Da für die Rechtmäßigkeit des zweitgenannten angefochtenen Bescheides betreffend die Festsetzung einer Bodenwertabgabe Grundvoraussetzung ist, daß es sich bei dem Grundstück um ein unverbautes handelt, mußte als Folge des Schicksales des erstangeführten Bescheides auch dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1988150176.X00Im RIS seit
14.01.2002