TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/26 90/05/0027

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L80001 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Burgenland;
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
BauO Bgld 1969 §94 Abs3;
BauRallg;
RPG Bgld 1969 §14 Abs3 lita idF 1981/020;

Betreff

N gegen Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 12. Dezember 1989, Zl. X-S-14/2-1989, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Erich A und 2. Hedwig A, 3. Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 22. Mai 1989 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragten die Erst- und Zweitmitbeteiligten die Erteilung einer Baubewilligung für Zu- und Umbauten sowie Umwidmungen zwecks Errichtung einer Kaffee-Konditorei in X, Hauptstraße 41. Über dieses Ansuchen wurde mit Ladungsbescheid vom 1. Juni 1989 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG 1950 eine mündliche Verhandlung für den 7. Juni 1989 anberaumt. Die Beschwerdeführerin, deren Grundstück unmittelbar an jenes angrenzt, auf dem die Bauführung vorgenommen werden sollte, wurde nachweislich zur Verhandlung geladen. Während der Verhandlung vom 7. Juni 1989 ersuchte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin "um eine schriftl. Stellungnahme ab heute, da von d. falschen Voraussetzung f. die Verhandlung ausgegangen wurde (Y- Kellerlokal)". Weiters finden sich in der Niederschrift über diese Verhandlung folgende Sätze: "Die Anrainerin spricht sich gegen das Bauvorhaben aus. Dies unter Verweis und Aufrechterhaltung der Einwendungen vom 15.3.1989 - Berufung Dr. M insbesonder gegen den geplanten Parkplatz."

Mit Bescheid vom 7. Juni 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Erst- und Zweitmitbeteiligten unter Vorschreibung bestimmter Auflagen die beantragte Baubewilligung für Umwidmungen, Zu- und Umbauten zwecks Errichtung einer Kaffee-Konditorei mit ca. 72 Sitzplätzen sowie die Überdachung eines Freiplatzes an der Grundgrenze im Hof, die Errichtung eines Parkplatzes sowie die Verwendung eines Teiles des Grundstückes als Gastgarten einschließlich der Aufstellung einer Pergola. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet abgewiesen. Dazu wurde ausgeführt, die Anrainerin habe folgende Einwendungen erhoben:

"Die Anrainerin spricht sich gegen das Bauvorhaben aus, dies unter Hinweis und Aufrechterhaltung ihrer Einwendungen vom 15.3.1989, Berufung durch RA Dr. M, zum Baubescheid vom 17.2.1989, Zl. 1-153-4B/1989. In diesen wird im wesentlichen ausgeführt:

a)

Die Baubewilligung verstößt gegen § 45 BO (Raumhöhe).

b)

Der Einbau der Entlüftungsanlage hätte ein eigenes Bauverfahren erfordert und habe Beeinträchtigungen der Nachbarrechte zur Folge.

c)

Die Feststellungen hinsichtlich einer Immissionsgefährdung hätten in einem gesonderten Verfahren erfolgen müssen (SV f. Medizin).

d)

Im Bauland-Wohngebiet sei die Errichtung eines Cafe-Restaurants nicht widmungskonform.

e)

Die beabsichtigten Betriebe lassen eine Lärmbelästigung erwarten.

f)

Die Straße ist zu schmal.

g)

Ein Bedarf nach dem Gastgewerbebetrieb ist nicht gegeben. Gleichzeitig spricht sie sich gegen die geplanten Parkplätze auf Parz. 133/3 aus."

Auf Grund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin sowie weiterer Anrainer wurde der Bescheid des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde insofern abgeändert, als die Zweckänderung und Umbauten eines Kellerteiles nicht genehmigt wurden. Damit seien auch die Vorschreibungspunkte betreffend die Lüftungsanlage hinfällig. Im übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wurde zur Berufung der Beschwerdeführerin ausgeführt, die Burgenländische Bauordnung räume dem Nachbarn kein umfassendes Recht auf den Schutz vor Immissionen ein. Ob ein bestimmtes Bauvorhaben im Wohngebiet (§ 14 Abs. 3 lit. a RPlG) zulässig sei, hänge von der in Betracht kommenden Betriebstype ab. Bei einem Kaffee-Restaurant handle es sich um eine typische Betriebsform eines Wohn-(Kur)gebietes. Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (gemeint wohl: des Verwaltungsgerichtshofes) räumten die österreichischen Bauordnungen dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht hinsichtlich der Straßenbreite ein. Zur Beurteilung des Bedarfes nach einem Gastgewerbebetrieb sei die Baubehörde nicht kompetent. Nach der Burgenländischen Bauordnung gebe es kein subjektiv-öffentliches Recht für Umweltschutz und Umweltbelästigung. Die Verpflichtung, Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen zu schaffen, diene keinem Interesse der Nachbarn. Das gleiche gelte hinsichtlich der befürchteten Änderung der Verkehrsverhältnisse auf den öffentlichen Verkehrsflächen.

Gegen den Teil dieses Bescheides, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, brachte diese die Vorstellung an die belangte Behörde ein. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1989 wurde die Vorstellung abgewiesen und begründend hiezu im wesentlichen ausgeführt, der Nachbar, der als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß, also auch zeitgerecht geladen wurde, rechtzeitig - spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung - gegen das Vorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben habe, sei als dem Vorhaben zustimmend anzusehen. Verspätet erhobene Einwendungen fänden keine Berücksichtigung. Eine zulässige Einwendung könne weder vor Anberaumung der Bauverhandlung noch nach der Bauverhandlung erhoben werden und es bestehe auch keine Möglichkeit, sich das Recht, Einwendungen zu erheben, vorzubehalten. Die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter seien zur Verhandlung erschienen und hätten nicht bemängelt, daß der Zeitraum zwischen der Zustellung der Ladung und der Verhandlung zu kurz gewesen sei. Sie hätten auch keinen Vertagungsantrag gestellt. Sie könnten daher diesen Mangel nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Erst durch die Verständigung von der mündlichen Verhandlung werde der Gegenstand der Verhandlung - das Prozeßthema - bestimmt. Erst ab diesem Zeitpunkt käme die Erhebung von Einwendungen in Betracht. Parteienerklärungen, die aus welchem Grunde immer vor Abgrenzung des Verhandlungsgegenstandes der Kundmachung (Verständigung) abgegeben würden, könne die rechtliche Eigenschaft einer Einwendung nicht zukommen. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung käme damit die rechtliche Eigenschaft einer Einwendung nicht zu. Die Beschwerdeführerin sei mit ihren Einwendungen daher präkludiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die Erst- und Zweitmitbeteiligten eine Gegenschrift, in der jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Rechtsprechung zum § 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950 hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß schriftliche Einwendungen vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht zu berücksichtigen sind, da die Erhebung von Einwendungen erst dann möglich ist, wenn der Verhandlungsgegenstand verbindlich festgelegt ist (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 23. November 1989, Zl. 87/06/0074, sowie die dort zitierte Vorjudikatur). Ebenso hat der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, § 42 AVG 1950 schließe es aus, daß sich der Nachbar in irgendeiner Form vorbehält, später Einwendungen vorzubringen (Erkenntnis vom 28. Februar 1977, Zl. 1948/76 u.a.). Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Der vorliegenden Beschwerde liegt aber ein anderer Sachverhalt zugrunde als den zitierten Erkenntnissen. Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, hat der Vertreter der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 1989 auf die Einwendungen vom 15. März 1989 (betreffend einen anderen Umbau auf derselben Liegenschaft, zur Errichtung eines "Kellerstüberls" als Kaffee-Restaurant) hingewiesen und diese aufrechterhalten. Die dabei gewählte Formulierung stellt aber gleichsam eine Wiederholung bereits vorgebrachter Einwendungen dar und dies zu einem Zeitpunkt, an dem der Gegenstand der Verhandlung (das "Prozeßthema") bereits verbindlich festgelegt war. Daß die Einwendungen inhaltlich determiniert waren, geht schon aus dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Juni 1989 hervor, in dem die Einwendungen angeführt sind. Unter diesen Umständen durfte die belangte Behörde jedoch nicht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin präkludiert sei. Sie hätte sich vielmehr inhaltlich mit dem Vorbringen der damaligen Vorstellungswerberin auseinandersetzen müssen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Lediglich aus Gründen der Verfahrensökonomie wird darauf hingewiesen, daß die Rechtsansicht der Baubehörden I. und II. Instanz, die ja zurecht nicht vom Vorliegen der Präklusion ausgegangen sind, jedenfalls in bezug auf das Mitspracherecht der Nachbarn hinsichtlich der Immissionen und der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen unrichtig ist. In dieser Hinsicht wird auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1990, Zl. 89/05/0220, AW 89/05/0072, das an dieselben Parteien ergangen ist, verwiesen.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in der zuletzt genannten Verordnung der Schriftsatzaufwand mit S 10.110,-- pauschaliert ist, im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist und Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen nicht zuzuerkennen waren.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050027.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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