TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/26 87/05/0051

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

1) Mag. Christian N und 2) Mag. Ingrid N gegen Gemeinderat der Stadtgemeinde Z wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (beteiligter Bauwerber: Tierschutzverein X, Sektion Tierheim).

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 5 VwGG wird der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 6. Mai 1986, Zlen. IV/2-833-153-9/84 und VI/2-2942-153-9/84, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge gegeben und dieser Bescheid wegen Unzuständigkeit des Bürgermeisters aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Z hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 8. September 1980 wurde dem Tierschutzverein X entsprechend dem Bauplan die Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft EZ 60, KG Y, B-Straße "Z-Hütte", Grundstücke Nr. 1062, 1049 und Baufläche Nr. 1063, die bestehenden Schuppen in Stallgebäude mit SECHS Hundeboxen samt Nebenräumen sowie das bestehende Gaststättengebäude im Inneren umzubauen.

Nach Anerkennung ihrer Parteistellung (Bescheid des Gemeinderates vom 13. Dezember 1983) erhoben zahlreiche Anrainer, darunter auch die Beschwerdeführer, Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 8. September 1980. Dabei machten sie u.a. geltend, daß die Bauausführung vom Bescheid abweiche, das Bauvorhaben (Errichtung eines Tierheimes) dem Flächenwidmungsplan widerspreche, sie durch die "Neuerrichtung" von neun Hundeboxen mit Ausläufen, eines Heizhauses und Umbau des Gasthauses durch Hundegebell und -geheule und Gestank belästigt würden, da etwa 30 Hunde gehalten würden. Überdies würden auch Enten, Ziegen, Schafe, Esel und Pferde gehalten. Für diese seien ohne Genehmigung unsachgemäße Stallungen und ein Ententeich errichtet worden. Die für den Betrieb des Tierheimes erteilten Auflagen zeigten sich wirkungslos und als nicht einhaltbar. Der Betrieb führe als Folge des Umbaues des Gaststättengebäudes, der Neuerrichtung von Hundeboxen, etc. zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft, die nach den Maßstäben eines gesunden, normal empfindenden Menschen und nach den örtlichen Verhältnissen nicht nur absolut unzumutbar, sondern sogar gesundheitsschädlich seien und auch durch die Erteilung von Auflagen nicht hintangehalten werden könnten. Die Beschwerdeführer hätten im Vertrauen auf den Flächenwidmungsplan (reines Wohngebiet) ihre Grundstücke erworben; der Wohnwert der Liegenschaften werde durch die Errichtung und den Betrieb des Tierheimes maßgeblich beeinträchtigt.

Auf Grund der Aufforderung des Bürgermeisters an den Bauwerber, im Hinblick auf die Errichtung von acht statt sechs Hundeboxen entsprechende Bestandspläne zu liefern, übermittelte der Tierschutzverein das am 2. April 1984 bei der Stadtgemeinde Z eingelangte, mit 28. März 1984 datierte Schreiben folgenden Inhaltes:

"Mit diesem Schreiben senden wir Ihnen die Bestandspläne vom ersten Bauabschnitt, Kleintierstallungen für Hunde und Adaptierung der Dienstwohnung und des Büros. In diesem Plan werden auch die bestehenden Stützmauern eingetragen, die teilweise instandgesetzt und teilweise neu errichtet wurden. Weiters senden wir Ihnen die Bestandspläne vom zweiten Bauabschnitt, Kleintierstallungen für Katzen, die im Laufe der Rohbauherstellung laufend den örtlichen Gegebenheiten angepaßt wurden, sodaß erst jetzt, nach Errichtung des Rohbaues, die endgültige Form vorliegt. Das Gebäude wurde in den äußeren Abmessungen nicht verändert."

Die hierüber für 2. Juli 1984 vom Bürgermeister anberaumte Bauverhandlung wurde wegen Ladungsmängeln nach deren Feststellung wieder beendet.

Inzwischen erging der Bescheid des Gemeinderates vom 4. Juli 1984, mit dem die Berufungen der Anrainer, darunter auch der Beschwerdeführer, gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 8. September 1980 abgewiesen wurden. In der Begründung wurde zunächst darauf hingewiesen, daß in diesem Bescheid weder über die Benützungsbewilligung, noch hinsichtlich unsachgemäßer Stallungen und des Ententeiches abgesprochen werde, da sie Vorhaben und Objekte betreffen, die vom Bescheid des Bürgermeisters vom 8. September 1980 nicht erfaßt seien. Nach dem gemeindeärztlichen Gutachten seien ungünstige Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Bewohner der angrenzenden Liegenschaften nicht anzunehmen, da die Unterbringung der Tiere hygienisch einwandfrei sei, keine Seuchengefahr bestehe und der Abstand der Gebäude zu den Anrainern ausreichend groß sei. Da die Hunde nachts über in geschlossenen Räumen untergebracht seien, sei ein eventuelles Bellen nicht als gesundheitliche Störung deklarierbar. Die Baubehörde habe davon auszugehen, daß die bewilligten Bauvorhaben auch widmungsgemäß verwendet würden; die Ausführungen der Berufungswerber gingen vielmehr von nicht bewilligten Belästigungen (Verbrennen von Müll, Misthaufen und dgl.) aus.

Den gegen diesen Bescheid u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 9. April 1985 Folge, behob den gemeindebehördlichen Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde zweiter Instanz. Die Vorstellungsbehörde ging von der Widmung "Grünland" aus, aus deren Nichtbeachtung die Beschwerdeführer allerdings keine Rechte ableiten könnten. Eine Aufhebung wegen Nichtigkeit nach § 118 Abs. 4 Z. 2 der NÖ Bauordnung sei nicht mehr möglich, da mit dem Bauvorhaben längst begonnen worden sei. Auch mit der Vollziehung des NÖ Naturschutzgesetzes 1977 sei nicht die Baubehörde, sondern die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde betraut. Das Auftreten einer übergangenen Partei rechtfertige noch nicht die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides; es sei den Beschwerdeführern ohnehin nach Zustellung des Baubewilligungsbescheides die Möglichkeit eingeräumt worden, im Wege der Berufung ihre Rechte geltend zu machen. Das bisherige Verfahren sei jedoch deshalb mangelhaft geblieben, weil den Parteien gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 nicht Gelegenheit gegeben worden sei, zu dem Gutachten des Sanitätssachverständigen Stellung zu nehmen. Daher werde die Baubehörde zweiter Instanz im fortgesetzten Verfahren die erforderlichen Ergänzungen durchzuführen und nach Wahrung des Parteiengehörs eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

Über den Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Kleintierstallungen samt Stützmauer wegen wesentlicher Abweichungen von der bisherigen Baubewilligung wurde am 11. April 1985 eine Bauverhandlung in erster Instanz durchgeführt. Gegenstand der nachträglichen Änderung sollte die Erweiterung des an der Südwestseite des bestehenden Objektes gelegenen Bauwerkes durch Zubau der Boxen "7" und "8", die Errichtung der entsprechenden Ausläufe und die Errichtung einer ca. 24 m langen und dem Geländeverlauf entsprechend abgestuften Hangstützmauer entlang der Bergseite sein. Für die Beseitigung der anfallenden Schmutzwässer solle im unteren Teil des Grundstückes Nr. 1062 eine Senkgrubenanlage errichtet werden. Die dorthin führenden Kanalleitungen würden in Kunststoffröhren mit Durchmesser 100 bis 150 mm ausgeführt. Auf Grund der Ergebnisse dieser Verhandlungen wurden weitere Gutachten, insbesondere auch ein solches der NÖ Umweltschutzanstalt physikalisch-technische Prüfanstalt für Lärmschutz eingeholt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 6. Mai 1986, Zlen. VI/2-383-153-9/84 und VI/2-2942-153-9/84, wurde dem Tierschutzverein die nachträgliche Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft KG Y, B-Straße 13, Grundstücke Nr. 1049 und 1064/1, EZ 60, Kleintierstallungen samt Stützmauer zwischen Gasthaus und Hang zu errichten. Die Einwendungen der Nachbarn, darunter auch der Beschwerdeführer wurden teils abgewiesen, teils auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Dabei bezog sich der Bescheid auf die Verhandlung vom 11. April 1985 "zur Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für die Errichtung von Kleintierstallungen samt Stützmauer wegen wesentlicher Abweichungen".

Auch gegen diesen Bescheid erhoben Anrainer, darunter die Beschwerdeführer, Berufung.

Da über die Berufungen gegen die Bescheide des Bürgermeisters sowohl vom 8. September 1980 als auch vom 6. Mai 1986 zunächst nicht (neuerlich) entschieden wurde, brachten die Beschwerdeführer zu Zl. 87/05/0052 hinsichtlich der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 8. September 1980 und hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters vom 6. Mai 1986 die nunmehr vorliegende, zu Zl. 87/05/0051 protokollierte Säumnisbeschwerde ein.

Das über die zu Zl. 87/05/0052 protokollierte Säumnisbeschwerde eingeleitete Verfahren wurde infolge Nachholung der versäumten Bescheides innerhalb der gesetzten Frist mit hg. Beschluß vom 15. September 1987 eingestellt. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Z hatte nämlich mit Bescheid vom 3. Juni 1987 die Berufungen sowohl der Beschwerdeführer als auch der anderen Anrainer mit der Begründung zurückgewiesen, daß das zugrundeliegende Bauansuchen zurückgezogen worden sei. Der Bauwerber habe statt der bewilligten sechs Hundeboxen acht samt einer Stützmauer errichtet, worüber bereits ein neues Bewilligungsverfahren (Bescheid vom 6. Mai 1986) anhängig sei, das den wesentlichen Änderungen des Bauvorhabens Rechnung trage.

Dieser Bescheid wurde zwar nicht von den Beschwerdeführern, wohl aber von den anderen Anrainern mit Vorstellung angefochten. Trotzdem wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 9. März 1988 nicht nur "den übrigen Vorstellungen Folge gegeben", sondern auch "der angefochtene Bescheid" (ohne irgendeine Einschränkung) "behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Z als Baubehörde zweiter Instanz verwiesen". Hiezu führte die Vorstellungsbehörde wörtlich aus:

"Die Aufsichtsbehörde muß nach Prüfung der vorgelegten Aktenunterlagen feststellen, daß es sich beim Schreiben vom 28. März 1984 nicht um die Zurückziehung eines Bauansuchens, sondern um einen Antrag gemäß § 100 Abs. 5 NÖ Bauordnung 1976 (Ansuchen um Abweichungen vom bewilligten Projekt) handelt. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Schreibens ("... laufend den örtlichen Gegebenheiten angepaßt ..., sodaß erst jetzt, nach Errichtung des Rohbaues, die endgültige Form vorliegt") und dem darin enthaltenen Antrag um eine neuerliche nachträgliche Bauverhandlung. ...."

Unter ausdrücklichem Hinweis auf die Bindung führte die Vorstellungsbehörde noch aus, die Baubehörde zweiter Instanz werde eine den Verfahrensgesetzen entsprechende neue Entscheidung zu treffen haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die anhängig verbliebene, zur Zl. 87/05/0051 protokollierte Säumnisbeschwerde erwogen:

Seit Einlangen der Berufung der Beschwerdeführer bei der Behörde waren im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung jedenfalls mehr als sechs Monate verstrichen, sodaß die nach Art. 132 B-VG eingebrachte Beschwerde jedenfalls zulässig ist.

Es kann dahingestellt bleiben, wieweit der Verwaltungsgerichtshof an die tragende Rechtsansicht im Vorstellungsbescheid der NÖ Landesregierung vom 9. März 1988 gebunden ist, obwohl die Behörde es verabsäumt hat, den Bescheid auch den nunmehrigen Beschwerdeführern zuzustellen, denn der Gerichtshof pflichtet der Vorstellungsbehörde bei, daß die Erklärung des beteiligten Vereines im Schreiben vom 28. März 1984 nicht als ein neues Bauansuchen zu werten ist, sondern lediglich als eine "Anpassung" und Modifikation des bereits in zweiter Instanz anhängigen Bauansuchens.

Damit war der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zur Entscheidung über das Bauansuchen, über das auf Grund der Berufungen der Nachbarn das Verfahren bereits in zweiter Instanz anhängig war, nicht zuständig. Ein trotzdem erlassener weiterer Bescheid der Behörde erster Instanz in derselben Sache ist wegen Unzuständigkeit der Behörde aufzuheben (vgl. die unter Nr. 59 und 60 zu § 66 Abs. 4 AVG bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

3. Auflage, angegebenen Erkenntnisse).

Vielmehr wird die Berufungsbehörde in dem durch Vorstellungsbescheid vom 9. März 1988 an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Z rückverwiesenen Verfahren zu entscheiden haben.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Berufungsverfahren BauRallg11/2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987050051.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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