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L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Marktgemeinde N gegen Oberösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem OÖ. Raumordnungsgesetz.
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, innerhalb von acht Wochen über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 1989 unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung, daß das Landesgesetz vom 12. Oktober 1989, mit dem das OÖ. Raumordnungsgesetz geändert wird, LGBl. Nr. 91/1989, in diesem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren nicht anzuwenden ist, bescheidmäßig zu entscheiden.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 16. Dezember 1988 hat der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde die 24. Änderung des Flächenwidmungsplanes beschlossen. Mit dem am 12. Jänner 1989 beim Amt der OÖ. Landesregierung eingelangten Schreiben des Gemeindeamtes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 11. Jänner 1989 wurden die diese Änderung des Flächenwidmungsplanes betreffenden Unterlagen mit dem Ersuchen um aufsichtsbehördliche Genehmigung vorgelegt.
Mit Schreiben des Amtes der OÖ. Landesregierung vom 6. Juli 1989 wurde der beschwerdeführenden Marktgemeinde mitgeteilt, daß die im vorgelegten Flächenwidmungs-Änderungsplan vorgesehene Umwidmung in bestimmten Punkten dem OÖ. Raumordnungsgesetz bzw. den Raumordnungsgrundsätzen des § 2 leg. cit. in der geltenden Fassung widerspreche, weshalb beabsichtigt sei, diesem Plan gemäß § 21 Abs. 6 lit. a und e leg. cit. die Genehmigung zu versagen. Der Gemeinde wurde gemäß § 21 Abs. 7 leg. cit. Gelegenheit gegeben, binnen acht Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine Stellungnahme vorzulegen.
Mit dem am 1. September 1989 beim Amt der OÖ. Landesregierung eingelangten Schreiben vom 31. August 1989 teilte die beschwerdeführende Marktgemeinde mit, daß nach nochmaliger Überprüfung der aufgezeigten Bedenken keine Widersprüche zu den maßgebenden Festlegungen des OÖ. Raumordnungsgesetzes und des OÖ. Landesraumordnungsprogrammes festgestellt werden konnten. Vielmehr seien die im erwähnten Schreiben des Amtes der OÖ. Landesregierung angeführten Bedingungen gemäß § 2 Abs. 6 und 7 des OÖ. Raumordnungsgesetzes und gemäß § 21 des OÖ. Landesraumordnungsprogrammes in ausreichendem Maße erfüllt. Nach einem grundsätzlichen Hinweis vertrat die beschwerdeführende Marktgemeinde abschließend die Auffassung, daß die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes vollinhaltlich den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspreche.
Da die OÖ. Landesregierung in der Folge über den vorliegenden Antrag, der erwähnten Änderung des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu erteilen, nicht bescheidmäßig entschieden hat, brachte die nun beschwerdeführende Marktgemeinde die am 14. November 1989 zur Post gegebene und am nächsten Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Säumnisbeschwerde ein, in welcher sie den Antrag stellte, der Verwaltungsgerichtshof wolle anstelle der säumigen belangten Behörde über ihren Antrag vom 11. Jänner 1989 in der Sache selbst entscheiden und dem vom Gemeinderat am 16. Dezember 1988 beschlossenen Änderungsplan Nr. 24 zum Flächenwidmungsplan die aufsichtsbehördliche Genehmigung gemäß § 21 Abs. 5 in Verbindung mit § 23 Abs. 3 des OÖ. Raumordnungsgesetzes erteilen.
Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides die Verwaltungsakten vor, ohne den versäumten Bescheid zu erlassen, und stellte den Antrag, den in der Säumnisbeschwerde gestellten Anträgen der beschwerdeführenden Gemeinde keine Folge zu geben. Sie vertrat im wesentlichen die Auffassung, im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde nicht im Sinne des § 73 AVG 1950 säumig gewesen zu sein. Die beschwerdeführende Marktgemeinde vertrat in ihrem Schriftsatz vom 10. Mai 1990 einen gegenteiligen Standpunkt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 109 Abs. 1 der OÖ. Gemeindeordnung 1979 sind auf das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde, soweit in diesem Gesetz nicht etwas besonderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG 1950 anzuwenden (vgl. hiezu auch Art. II lit. A Z. 1 EGVG 1950).
Zufolge § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen.
§ 21 Abs. 7 des OÖ. Raumordnungsgesetzes sieht vor, daß die Landesregierung der Gemeinde vor Versagung der Genehmigung den Versagungsgrund mitzuteilen und ihr Gelegenheit zu geben hat, hiezu binnen einer angemessenen, jedoch mindestens sechs Wochen betragenden Frist Stellung zu nehmen. Wird der Gemeinde nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des genehmigungspflichtigen Planes und der zugehörigen Unterlagen (Abs. 5) beim Amt der Landesregierung ein Versagungsgrund mitgeteilt (Abs. 7), so gilt die Genehmigung der Landesregierung zufolge Abs. 8 dieser Gesetzesstelle mit Ablauf dieser Frist als erteilt.
Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann zufolge § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Der der vorliegenden Säumnisbeschwerde zugrundeliegende Antrag der Beschwerdeführerin, der 24. Änderung des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu erteilen, ist, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, am 12. Jänner 1989, also mehr als sechs Monate vor der Erhebung der Säumnisbeschwerde, bei der belangten Behörde eingelangt, welche darüber innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG nicht bescheidmäßig entschieden, sondern der Beschwerdeführerin lediglich im Sinne des § 21 Abs. 7 des OÖ. Raumordnungsgesetzes Versagungsgründe mitgeteilt hat, sodaß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Genehmigung der belangten Behörde gemäß Abs. 8 dieser Gesetzesstelle mit dem Ablauf der sechsmonatigen Frist als erteilt anzusehen ist.
Weder aus § 73 AVG 1950 noch aus den wiedergegebenen Bestimmungen des OÖ. Raumordnungsgesetzes ist abzuleiten, daß die sechsmonatige Frist, innerhalb welcher die Aufsichtsbehörde über einen Antrag auf Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes oder einer Änderung desselben zu entscheiden hat, im Falle der rechtzeitigen Mitteilung eines Versagungsgrundes dann - zu einem späteren Zeitpunkt - nochmals zu laufen beginnt, wenn die Gemeinde innerhalb der ihr gesetzten Frist zu den mitgeteilten Versagungsgründen Stellung nimmt und zu erkennen gibt, daß sie zu keiner Änderung des dem Flächenwidmungsplan oder seiner Änderung zugrundeliegenden Beschlusses bereit ist.
Im übrigen ist festzuhalten, daß zum Unterschied von § 73 Abs. 2 AVG 1950 der Übergang der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof nicht von einer schuldhaften Verzögerung der Behörde abhängig ist (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., auf S. 197 unten wiedergegebene hg. Judikatur), weshalb diesbezügliche Erörterungen entbehrlich sind.
Es ist daher davon auszugehen, daß die Voraussetzungen des § 27 VwGG vorliegen, weshalb die Säumnisbeschwerde zulässig ist.
Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.
Den während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstatteten Äußerungen der belangten Behörde sowie der beschwerdeführenden Marktgemeinde ist zu entnehmen, daß hinsichtlich der Frage, ob die am 1. Jänner 1990 in Kraft getretene Novelle des OÖ. Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 91/1989, auf das vorliegende Verfahren zur Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes anzuwenden ist, unterschiedliche Rechtsstandpunkte vertreten werden. Die belangte Behörde hat in ihrem schon erwähnten Vorlagebericht im wesentlichen lediglich darauf hingewiesen, daß "während der aufsichtsbehördlichen Bearbeitung" die erwähnte Novelle in Kraft getreten sei, derzufolge in einem Raumordnungsprogramm bestimmt sein müsse, daß eine der Widmung eines Gebietes für Geschäftsbauten entsprechende Verwendung von Grundflächen in der betreffenden Gemeinde zulässig sei, und daß ein solches Raumordnungsprogramm bisher nicht erlassen worden sei. Die Verzögerung der aufsichtsbehördlichen Entscheidung im Genehmigungsverfahren liege daher nicht ausschließlich im Bereich der Vollziehung, sondern sei zum Teil auch auf die geänderte Rechtslage zurückzuführen. Die belangte Behörde geht also offensichtlich davon aus, daß sie im vorliegenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren auf die erwähnte Novelle Bedacht zu nehmen habe.
Die beschwerdeführende Marktgemeinde vertrat demgegenüber in ihrer dazu abgegebenen Stellungnahme einen gegenteiligen Standpunkt, den sie im wesentlichen damit begründete, daß die aufsichtsbehördliche Genehmigung nach jener Rechtslage erteilt oder versagt werden müsse, welche am Tage der Beschlußfassung des Gemeinderates über die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes gegolten habe.
Gemäß § 97 Abs. 1 der OÖ. Gemeindeordnung 1979 (vgl. auch Art. 119a Abs. 1 B-VG) übt das Land, soweit es sich nicht um Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung handelt, das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, daß diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
Gemäß § 23 Abs. 3 des OÖ. Raumordnungsgesetzes gelten für das Verfahren über die Änderung der Flächenwidmungspläne die Bestimmungen des § 21 Abs. 1 und 4 bis 10 sinngemäß. Zufolge § 21 Abs. 5 leg. cit. bedürfen Flächenwidmungspläne der Genehmigung der Landesregierung. Gemäß Abs. 6 dieser Gesetzesstelle darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn
der Plan ... e) gesetzlichen Bestimmungen widerspricht.
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die Frage der Gesetzmäßigkeit des am 16. Dezember 1988 gefaßten Beschlusses des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde über die Änderung des Flächenwidmungsplanes auf dem Boden der zur Zeit dieser Beschlußfassung des Gemeinderates maßgebenden Rechtslage zu prüfen ist, weil es sich bei dem in Rede stehenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren nicht etwa um ein Berufungsverfahren handelt, in welchem die Behörde im allgemeinen das zur Zeit der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. N. F. Nr. 9315/A). In dieser Hinsicht besteht zwischen dem Verfahren zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes oder seiner Änderung und dem Verfahren über die Vorstellung gegen den Bescheid eines Gemeindeorganes im Sinne des § 102 Abs. 1 der OÖ. Gemeindeordnung 1979, in welchem nach ständiger hg. Judikatur (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Aufl., auf S. 108 zitierten hg. Erkenntnisse) Änderungen der Sach- und Rechtslage vor der Aufsichtsbehörde unbeachtlich sind, kein grundlegender Unterschied. Die belangte Aufsichtsbehörde hatte daher zu prüfen, ob der als Verordnung zu qualifizierende Beschluß des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 16. Dezember 1988, mit welchem die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes genehmigt worden ist, im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Regelung des § 97 Abs. 1 der OÖ. Gemeindeordnung 1979 die Gesetze nicht verletzt, was - ohne eine gegenteilige Anordnung - nicht bedeuten kann, daß die aufsichtsbehördliche Genehmigung im Sinne des § 21 Abs. 6 lit. e des OÖ. Raumordnungsgesetzes versagt werden darf, wenn der Plan gesetzlichen Bestimmungen widerspricht, die im Zeitpunkt der diesbezüglichen Beschlußfassung durch den Gemeinderat noch gar nicht rechtswirksam gewesen sind. Die, wie schon erwähnt, erst am 1. Jänner 1990, also nach der erwähnten Beschlußfassung in Kraft getretene Novelle des OÖ. Raumordnungsgesetzes ist daher im Verfahren über die aufsichtsbehördliche Genehmigung der der Beschwerde zugrunde liegenden Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht anzuwenden, zumal sie keine dieser Auffassung entgegenstehenden, auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Übergangsbestimmungen enthält und auch sonst keine gesetzlichen Regelungen bestehen, in welchen vorgesehen ist, daß für die aufsichtsbehördliche Genehmigung die zur Zeit der Entscheidung der Aufsichtsbehörde bestehende Rechtslage maßgebend ist.
Der Gerichtshof beschränkt sich daher im Sinne des § 42 Abs. 5 VwGG vorerst auf die Entscheidung dieser Rechtsfrage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Anrufung der obersten BehördePlanung Widmung BauRallg3Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenBinnen 6 MonatenVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungVerhältnis zu anderen Materien und Normen Aufsichtsbehördliches Verfahren (siehe auch Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen)Verletzung der Entscheidungspflicht durch Gemeindebehörden und VorstellungsbehördenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989050217.X00Im RIS seit
26.06.1990Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017