TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/26 90/11/0105

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;

Betreff

D gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 10. April 1990, Zl. I/7-St-D-8943, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 5. Mai 1989 wurde - in Bestätigung eines Mandatsbescheides derselben Behörde vom 20. Jänner 1989, gegen den der Beschwerdeführer Vorstellung erhoben hatte - dem Beschwerdeführer die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G vorübergehend gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 entzogen und gleichzeitig ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer bis einschließlich 10. September 1989 sein Führerschein nicht wieder ausgefolgt werden dürfe; die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 ausgeschlossen.

Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 10. April 1990 dahingehend, daß der erstinstanzliche Bescheid vom 5. Mai 1989 "bestätigt" und "gleichzeitig ausgesprochen" werde, daß dem Beschwerdeführer "ab Zustellung des Berufungsbescheides zusätzlich die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G nach § 74 Abs. 1 i. V.m. § 73 Abs. 2 KFG 1967 vorübergehend bis einschließlich 10. August 1990 entzogen wird". Hinzugefügt wurde, daß dem Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt sein Führerschein nicht ausgefolgt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat Beschwerde nur insoweit erhoben, "als eine vorübergehende Entziehung über den Zeitraum bis 10.11.1989, sohin bis einschließlich 10.8.1990 ausgesprochen wurde". Dabei geht er - in Abweichung von der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Erstbehörde die Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 (lediglich) bis 10. September 1989 festgesetzt hat - davon aus, daß diese Zeit bis 10. November 1989 bemessen worden sei. Er vertritt in diesem Zusammenhang zwar zutreffend die Ansicht, daß es der belangten Behörde als Berufungsbehörde nicht verwehrt war, den bei ihr bekämpften erstinstanzlichen Bescheid auch zu seinen Ungunsten abzuändern (vgl. inbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A), doch meint er, daß die belangte Behörde von diesem ihr zustehenden Recht nicht Gebrauch gemacht habe, indem sie "einerseits den Bescheid vom 5. Mai 1989 bestätigt und andererseits einen neuen Bescheid hinsichtlich der vorübergehenden Entziehung erlassen" habe, dies "unter Umgehung der Zuständigkeitsvorschriften" des § 123 Abs. 1 KFG 1967 und "unter Ausschaltung des Ermittlungsverfahrens und der ersten Instanz". Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, daß der (als Einheit zu wertende) Spruch des angefochtenen Berufungsbescheides eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Mai 1989 dahingehend bedeutet, daß die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers sowohl für die von der Erstbehörde festgesetzte Zeit als auch "ab Zustellung des Berufungsbescheides" bis einschließlich 10. August 1990 vorübergehend entzogen wird und (daher) dem Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt der Führerschein nicht wieder ausgefolgt werden darf. Der Beschwerdeführer übersieht, daß die belangte Behörde im Rahmen der "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht nur ihre Kontrollfunktion bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides, sondern darüberhinaus auch ihre reformatorische Funktion, bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung ihres Berufungsbescheides, wahrzunehmen hatte und der angefochtene Bescheid den auch diesbezüglich im Erkenntnis Slg. Nr. 11237/A niedergelegten Grundsätzen, einschließlich des Verbotes der "rückwirkenden" Entziehung der Lenkerberechtigung, entspricht. Insofern wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Vorerkenntnis verwiesen.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, daß die belangte Behörde zur Begründung auf einen Vorfall vom 29. April 1989, "sohin auf einen Vorfall, der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war", Bezug genommen habe. Die belangte Behörde hatte nämlich Änderungen der Sach- und Rechtslage während des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen und demnach bei ihrer Entscheidung auch auf die am 29. April 1989 begangene strafbare Handlung des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (vgl. abermals das Erkenntnis Slg. Nr. 11237/A). Dabei durfte sie den im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen, für sie bindenden Berufungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. April 1990 zugrundelegen, woran der Umstand, daß der Beschwerdeführer auch dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, nichts zu ändern vermag.

Der Beschwerdeführer rügt auch, daß "eine Entzugsdauer von 17 Monaten", beginnend mit dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, "bei einer Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bei weitem zu hoch" sei. Dieser Einwand ist schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer nicht nur die bereits von der Erstbehörde verwertete Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 am 10. Jänner 1989, sondern eine solche Übertretung neuerlich am 29. April 1989 (wenige Wochen nach seiner rechtskräftigen Bestrafung wegen des erstgenannten Deliktes) begangen hat und - wie gesagt - die belangte Behörde auch diesen Vorfall heranziehen durfte, verfehlt, abgesehen davon, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 noch auf weitere strafbare Handlungen des Beschwerdeführers (§ 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960, §§ 287 Abs. 1, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB, derentwegen er jeweils im Jahre 1986 bestraft worden ist und deren Begehung er gar nicht in Abrede stellt) Bezug genommen hat. Sollte - was auf Grund des Umstandes, daß dem Gerichtshof die Verwaltungsakten nicht zur Verfügung stehen, nicht ausgeschlossen werden kann - der Führerschein des Beschwerdeführers bereits anläßlich des Vorfalles vom 10. Jänner 1989 vorläufig abgenommen worden sein, so wäre der belangten Behörde (in der Begründung des angefochtenen Bescheides) wohl ein Rechenfehler insofern unterlaufen, als der Zeitraum bis 10. August 1990 insgesamt 19 Monate betragen würde. In diesem Falle wäre aber der Beschwerdeführer ebenfalls nicht in seinen Rechten verletzt worden, zumal die von der belangten Behörde vorgenommene Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967, gegen die der Beschwerdeführer nichts vorgebracht hat und die mit dem Gesetz im Einklang steht, insbesondere die besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens auf Grund der oftmaligen Begehung von Alkoholdelikten und der sich daraus ergebenden eingewurzelten Neigung hiezu, den maßgeblichen Schluß zuläßt, daß der Beschwerdeführer seine verlorengegangene Verkehrszuverlässigkeit voraussichtlich nicht vor dem 10. August 1990 wiedererlangen werde.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990110105.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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