TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/27 90/18/0045

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Veröffentlicht am 27.06.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
22/02 Zivilprozessordnung;
25/01 Strafprozess;
27/01 Rechtsanwälte;
72/04 Studienrichtung Rechtswissenschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
RAO 1868 §1 Abs2 litc;
RAO 1868 §15;
RAO 1868 §31;
RwStudG 1978 §17 Abs1;
RwStudG 1978;
StPO 1975 §45a Abs1;
Studien- und StaatsprüfungsO juristische 1945;
VwRallg;
ZPO §31 Abs3;

Betreff

Dr. N gegen Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für A vom 9. März 1989, Zl. 48/89, betreffend Substitutionsberechtigung nach § 31 Abs. 3 ZPO und Vertretungsbefugnis nach § 45a Abs. 1 StPO

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Rechtsanwaltskammer für A Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Magister XY war beim Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt und erhielt mit Wirksamkeit vom 8. Jänner 1985 vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für A eine Legitimationsurkunde nach § 15 RAO (kleine LU). Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung der "großen Legitimationsurkunde" für die genannte Rechtsanwaltsanwärterin und berief sich auf § 31 Abs. 3 ZPO und § 45a Abs. 1 StPO. Mit Beschluß vom 16. Februar 1989 gab die Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für A diesem Antrag mit der Begründung nicht statt, daß Mag. XY weder die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt noch den juridischen Doktorgrad noch den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften (in der Folge als "neue Studienordnung" bezeichnet) erlangt habe.

Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für A mit Beschluß vom 9. März 1989 aus den Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses keine Folge.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 25. September 1989, Zl. B 520/89, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Beschwerdeführer macht vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 31 Abs. 3 ZPO sind substitutionsberechtigt die im § 15 der Rechtsanwaltsordnung bezeichneten Rechtsanwaltsanwärter, falls sie bereits die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt haben und nicht eine der im § 12 lit. c des Disziplinarstatutes angeführten Disziplinarstrafen wider sie verhängt ist. Das Erfordernis der Rechtsanwaltsprüfung kann auf Ansuchen eines Rechtsanwaltes vom Ausschusse der Rechtsanwaltskammer aus rücksichtswürdigen Gründen solchen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern erlassen werden, die an einer inländischen Universität den juridischen Doktorgrad oder den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt haben und mindestens eine neunmonatige, teils bei einem Gerichtshof erster Instanz, teils bei einem Bezirksgerichte vollstreckte, zivil- und strafgerichtliche Praxis und eine achtzehnmonatige Praxis bei einem Rechtsanwalt oder bei der Finanzprokuratur nachzuweisen vermögen. Gemäß § 45a Abs. 1 StPO kann ein Rechtsanwalt sich als Verteidiger im ordentlichen Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz, jedoch mit Ausschluß der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht, auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärter, der nicht in die Verteidigerliste eingetragen ist, vertreten lassen, in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht aber nur dann, wenn ein solcher Rechtsanwaltsanwärter die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt hat; liegen rücksichtswürdige Gründe vor, so kann der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer auf Antrag eines Rechtsanwaltes dem Rechtsanwaltsanwärter das Erfordernis der Prüfung erlassen, sobald er an einer inländischen Hochschule den rechtswissenschaftlichen Doktorgrad oder den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt hat und eine neunmonatige zivil- und strafgerichtliche Praxis beim Gerichtshof erster Instanz und beim Bezirksgericht sowie eine achtzehnmonatige Praxis in der Rechtsanwaltschaft nachzuweisen vermag.

Unbestritten ist, daß Frau XY weder den juristischen Doktorgrad noch den Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften nach der neuen Studienordnung erlangt hat; sie hat vielmehr ihr juristisches Studium nach der juristischen Studien- und Staatsprüfungsordnung vom 3. September 1945, StGBl. Nr. 164, absolviert und ist daher gemäß § 17 Abs. 1 der neuen Studienordnung berechtigt, den akademischen Grad eines Magisters iuris zu führen.

Die Rechtsrüge des Beschwerdeführers behauptet, der Gleichheitsgrundsatz geböte die Gleichbehandlung von Magistern der Rechtswissenschaft nach der alten und der neuen Studienordnung. Abgesehen davon, daß der Verfassungsgerichtshof laut seinem zitierten Beschluß vom 25. September 1989 keinen Anlaß fand, die oben zitierten Bestimmungen der ZPO und der StPO auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, ist auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes von der sachlichen Verschiedenheit und daher Ungleichwertigkeit des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften nach der alten und nach der neuen Studienordnung auszugehen; unterscheiden sich doch der Studiengang und die Prüfungserfordernisse nach beiden Studienordnungen wesentlich (siehe darüber Rechberger-Fuchs, Das neue Rechtsstudium2, insbesondere S 64ff, S 99ff). Eine weitere Bestätigung des Unterschiedes zwischen beiden akademischen Graden ergibt sich aus § 1 Abs. 2 lit. c der Rechtsanwaltsordnung, wonach Erfordernis für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft unter anderem entweder der akademische Grad eines Doktors der Rechte oder der solche Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften nach der neuen Studienordnung ist; es kann daher schon unter diesen Gesichtspunkten keine Rede davon sein, daß der Magistergrad nach der alten Studienordnung dem Magistergrad nach der neuen Studienordnung gleichwertig sei. Im übrigen wird auf die Erwägungen des Erkenntnisses vom 13. November 1979, Slg. N.F. Nr. 9963/A, hingewiesen.

Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde, dies im Gegensatz zur Rechtsansicht des Beschwerdeführers, keine Ermessensentscheidung zu treffen: Wohl stehen die rücksichtswürdigen Gründe sowohl des § 31 Abs. 3 ZPO als auch des § 45a Abs. 1 StPO der Beurteilung nach - gebundenem - Ermessen offen, doch hat dieses Ermessen Grenzen am Erfordernis einerseits des juridischen Doktorates oder des Magistergrades nach der neuen Studienordnung, andererseits der in den Gesetzesbestimmungen genannten bestimmten Praxis bei Gerichten, Rechtsanwälten oder der Finanzprokuratur. Fehlen dem Rechtsanwaltsanwärter die in den Gesetzen genannten akademischen Grade, so ist für Ermessenserwägungen kein Raum.

Auch die Verfahrensrüge ist nicht gerechtfertigt, weil es die Beschwerde und ihre Ergänzung unterließen, darzutun, was die belangte Behörde hätte feststellen sollen, um zu einem anderen Beschluß zu kommen.

Sofern der Beschwerdeführer behauptet, im Falle des Magisters B sei die Erteilung der Substitutionsberechtigung unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt, unter denen sie im Falle Y verweigert worden sei, so ist dem zu erwidern, daß eine (angebliche) Fehlentscheidung der belangten Behörde für den Beschwerdeführer im Falle Magister Y keinen Rechtsanspruch auf eine neuerliche Fehlentscheidung schafft.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses zu erweisen, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Ermessen Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180045.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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