Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Wiener Landesregierung vom 20. Mai 1986, Zl. MA 70-XI/P 87/85/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Mai 1986 erkannte die Wiener Landesregierung - unter teilweiser Neufassung des Spruches des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf, vom 28. Mai 1985 - die Beschwerdeführerin schuldig, sie sei am 28. November 1984 um 08.55 Uhr in Wien XXI, Franz-Jonas-Platz nächst der Haltestelle der Straßenbahnlinie 31/5, als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw's an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall zwei Tage Ersatzarreststrafe, verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (StVO) haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Gemäß § 4 Abs. 5 StVO in der Fassung der 10. StVO Novelle BGBl. Nr. 174/1983, haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Vorweg bringt die Beschwerdeführerin vor, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei ungenau, weil im Spruch das Fahrzeug, welches sie beschädigt haben sollte, nicht nach "Art, Marke, Type und Kennzeichen" konkretisiert worden sei. Weder das Straferkenntnis noch der angefochtene Bescheid würden einen Hinweis auf dieses Fahrzeug enthalten. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht erforderlich ist, im Spruch eines Straferkenntnisses, mit dem eine Betrafung unter anderem nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO und § 4 Abs. 5 leg. cit. ausgesprochen wird, die bei dem Unfall verursachten Schäden im einzelnen zu beschreiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zlen. 88/02/0215, 0216). Desgleichen ist es nicht erforderlich, daß im Spruch nähere Angaben über das beschädigte Fahrzeug enthalten sind. Es genügt, das wesentliche Tatbestandselement des ursächlichen Zusammenhanges mit den erfolgten Beschädigungen im Spruch zu nennen, ohne im Spruch näher auszuführen, welches Fahrzeug beschädigt worden ist.
Ebenso liegt in Ansehung der Bezeichnung des Tatortes im Spruch des angefochtenen Bescheides kein Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 vor. Der Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 ist nämlich dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und
b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, die in der amtlichen Sammlung unter Nr. 11.894/A abgedruckt sind). Die Beschwerdeführerin hat in keiner Weise dargetan, daß sie durch die Tatumschreibung in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden wäre, daß sie nicht erkennen hätte können, welches Verhalten an welchem Ort ihr zur Last gelegt wird. Sie hat auch nicht andeutungsweise vorgebracht, daß ihr konkret die Gefahr einer Doppelbestrafung drohe, außerdem ist den Akten kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin im Bereich des angegebenen Tatortes zur selben Tatzeit noch einen weiteren Verkehrsunfall verursacht hat. Die Angabe "... nächst der Haltestelle der Straßenbahn 31/5" ist daher fallbezogen als ausreichend konkretisiert anzusehen.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist weiters keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Schon die Anzeige vom 28. November 1984, die der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 29. Jänner 1985 vorgehalten wurde, enthält alle Tatbestandelemente der verletzten Norm, so insbesondere die ursächliche Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden. Auf Grund rechtzeitiger Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 ist keine Verjährung gemäß § 31 Abs. 2 leg. cit. eingetreten.
Im übrigen behauptet die Beschwerdeführerin, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde unter gar keinen Umständen ein schuldhaftes Verhalten, d.h. eine Sachbeschädigung durch die Beschwerdeführerin annehmen dürfen.
Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs. 1 lit. a StVO und des § 4 Abs. 5 leg. cit. ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1988, Zl. 88/03/0084).
In Ansehung der Beweiswürdigung der belangten Behörde ist die verwaltungsgerichtliche Prüfungsbefugnis dahingehend beschränkt, ob die Behörde den Sachverhalt genügend erhoben hat und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig im dem Sinne ist, daß z.B. eine dem Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985).
Die belangte Behörde gründete ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe den Verkehrsunfall verursacht und hätte ihn bei gebotener Aufmerksamkeit wahrnehmen müssen, auf das Gutachten des Sachverständigen der MA 46 (Blatt 28/29) und dessen ergänzendes Gutachten und auf die Zeugenaussage des Karl F. (Blatt 5). Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, zeugenschaftlich einvernommen habe Karl F. am 21. Februar 1985 folgendes zu Protokoll gegeben:
"Ich sah, daß ein Mann, welcher einen Mantel an hatte, bei dem der Kragen aufgeschlagen war, bei der Beifahrertür des Pkw ausstieg und den Lenker oder die Lenkerin aus der Parklücke winken wollte, dann krachte es, wobei zu bemerken ist, daß der Lenker bei jeder Bewegung viel zu viel Gas gab und den Motor aufheulen ließ. Der Mann ging dann hinter den Wagen um den Schaden anzusehen, kam dann zurück, schimpfte fürchterlich mit der Lenkerin oder dem Lenker, setzte sich dann in den Wagen und der Lenker fuhr weg. Es kann daher nicht davon gesprochen werden wie die Beschuldigte behauptet, daß der Anstoß nicht wahrgenommen wurde."
Weiters führt die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus, das Gutachten des Sachverständigen der MA 46 habe folgendes ergeben:
"Es besteht nach Vergleich typengleicher Fahrzeuge, unter Bedachtnahme der dynamischen Fahrverhältnisse und der Bodenunebenheiten die technische Möglichkeit, beim Ausparken mit der hinteren Stoßstange des Fahrzeuges der Berufungswerberin durch Übereinandergleiten der Stoßstangen beider Fahrzeuge am Fahrzeug des Geschädigten die vordere Stoßstange zu zerkratzen und den Nebelscheinwerfer sowie den Kühlergrill zu beschädigen.
Das Fehlen einer offensichtlichen Bechädigung am Fahrzeug der Berufungswerberin bildet - technisch gesehen - keinen Schuldausschließungsgrund, da die Stoßstange des Fahrzeuges der Berufungswerberin ein höheres Widerstandsmoment gegen Verformung aufweist als der Nebelscheinwerfer bzw. der Kühlergrill des Fahrezuges des Geschädigten und weiters die Stoßstange am Fahrzeug des Gschädigten durch etwaige Staubpartikel beim Übereinandergleiten der Stoßstangen der Fahrzeuge zerkratzt werden konnte.
Wird jedoch auf Grund der Zeugenaussage als erwiesen angenommen, daß durch das Kontaktgeschehen ein lautes Anstoßgeräusch entstanden ist (siehe Bl. 5), dann hätte die Berufungswerberin diese Kontaktnahme auf Grund des Anstoßgeräusches und dessen Übertragung über die Karosserie in das Fahrzeuginnere bemerken und folglich mit der Möglichkeit eines Unfalles mit Sachschaden zwingend rechnen müssen."
Die belangte Behörde führt weiters aus, sie folge nicht zuletzt auf Grund der Zeugenaussage des Karl F. den Ergebnissen des Gutachtens des Sachverständigen.
Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie das Gutachten des von der belangten Behörde herangezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen bekämpft, wobei es entgegen ihrer Auffassung zulässig ist, eine Stellprobe mit typengleichen Fahrzeugen durchzuführen. Das Gutachten legt schlüssig dar, weshalb durch Übereinandergleiten der Stoßstangen der beiden Fahrzeuge eine Beschädigung am Fahrzeug des Geschädigten entstehen konnte und weshalb diese von der Beschwerdeführerin auch wahrgenommen hätte werden müssen. Die Beschwerdeführerin meint weiters aus der Aktenlage würden sich keinerlei "Bodenunebenheiten" ergeben, der Amtssachverständige habe aber diese "Bodenunebenheiten" in seinem ergänzenden Gutachten als Voraussetzung für die in Form von Vertikalbewegungen auftretenden dynamischen Fahrverhältnisse angegeben. Der Beschwerdeführerin ist darauf zu erwidern, daß der Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten vom 21. Februar 1986 (Blatt 39) nicht nur die Fahrbahnunebenheiten als Ursache für Vertikalbewegungen eines Fahrzeuges genannt, sondern auch ausgeführt hat, daß solche auf Grund der Bauart eines Fahrzeuges (Federung, Stoßdämpfer und dergleichen) entstehen. Es kann auch weiters nicht übersehen werden, daß wohl auf jeder Fahrbahn (auch auf einer asphaltierten Straße) "Bodenunebenheiten" - schon durch die Witterung und die Beanspruchung durch den Verkehr - vorhanden sind, sodaß diese nicht ausdrücklich festgestellt werden müssen. Ebenfalls bedarf es nicht einer ausdrücklichen Feststellung, daß "etwaige Staubpartikeln" auf der Stoßstange der Fahrzeuge vorhanden gewesen sind, die ein Zerkratzen an der Stoßstange bewirkt haben könnten, da nicht bestritten werden kann, daß auf jedem Fahrzeug (besonders nach einer Fahrt oder einem längeren Halten oder Parken auf der Straße) "Staubpartikel" vorhanden sind. Dazu kommt aber noch, daß die belangte Behörde ihre Annahme, die Beschwerdeführerin hätte den Verkehrsunfall verursacht und hätte ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen müssen, nicht nur auf dieses Gutachten stützte, sondern - wie sie in der Gegenschrift zutreffend bemerkte - auch auf die Aussage des Zeugen Karl. F. gründete, der den Unfall beobachtet hatte. Wenn ausgehend von dem Vorgesagten die belangte Behörde als erwiesen annahm, daß die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Übertretung zu verantworten hat, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen zu treten.
Abschließend ist der Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen, die belangte Behörde habe das ihr gemäß § 19 VStG 1950 zustehende Ermessen bei der Festlegung der Strafe nicht fehlerfrei gehandhabt, zu erwidern, daß die Beschwerdeführerin durch kein konkretes Vorbringen näher ausführt, weshalb sie dieser Auffassung ist. Wenn die belangte Behörde daher unter Berücksichtigung des nicht geringen Unrechtsgehaltes der Tat, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, und unter Berücksichtigung der nicht unbedeutenden Vermögensverhältnisse (landwirtschaftlicher Grundbesitz und Haus) und des Fehlens einer gesetzlichen Sorgepflicht, die Geldstrafe mit S 2.000,-- (innerhalb des bis zu S 10.000,-- erreichenden Strafrahmens) bemessen hat (trotz bisheriger verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und Einkommen der Beschwerdeführerin als Pensionistin), dann kann ihr nicht vorgeworfen werden, daß sie das ihr zustehende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat. Weiters wird nochmals darauf hingewiesen, daß sich aus den Akten nichts ergibt und die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrer Beschwerde etwas vorgebracht hat, was das Verschulden der Beschwerdeführerin als nur geringfügig erachten läßt.
Da die Beschwerdeführerin sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermocht hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung rührt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort Identitätsnachweis Meldepflicht freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1986180180.X00Im RIS seit
12.06.2001