TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/2 88/10/0166

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Veröffentlicht am 02.07.1990
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §66 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §66 Abs6 idF 1987/576;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Tirol vom 4. August 1988, Zl. IIIa2-1215/4, betreffend Bringung nach dem Forstgesetz (mitbeteiligte Partei: F):

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist Eigentümer der Waldparzelle Nr. 1252, KG. A, an die im Osten unterhalb dieses Waldes die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke Nr. 1268 und 1266, je KG. A, angrenzen.

Mit Eingabe vom 21. Jänner 1988 stellte der Mitbeteiligte an die Bezirkshauptmannschaft B den Antrag, ihm das Recht zur Bringung von ca. 50 fm Holz aus dem südöstlichen Teil seines genannten Waldgrundstückes über die Grundstücke Nr. 1268 und 1266 für die Dauer von fünf Jahren einzuräumen.

Zu diesem Antrag holte die Behörde erster Instanz ein Gutachten der Bezirksforstinspektion einschließlich einer Ergänzung ein, in dem für die hier gebotene Beurteilung im wesentlichen ausgeführt wird, der südöstliche Teil der Parzelle Nr. 1252 weise ein Ausmaß von ca. 1500 m2 auf. Sowohl im südöstlichen Teil dieses Grundstückes als auch entlang der nordwestlichen Grenze zur Parzelle Nr. 1269 verliefen alte Holzriesen, die schon immer der Holzrückung gedient hätten. Die Riese im Bereich der Parzelle Nr. 1268 sei etwas verwachsen, weil offensichtlich in der letzten Zeit über die Gp. 1266 (Feld) geholzt worden sei. Für den südöstlichen Teil der Gp.1252 komme weiterhin nur die Bringung über die Gp. 1268 bzw. 1266 in Frage. Vorgeschlagen werde, die Holzlieferung wie bisher bei gefrorenem Boden, besser noch bei Schneedecke durchzuführen. Eine Rückung auf einer Strecke von ca. 60 bis 70 m quer zum Gelände in die zweite westliche Riese sei nicht zumutbar, weil dort wieder auf mindestens 80 m Länge fremder Grund in Anspruch genommen werden müßte und diese Riese schräg zum Hang verlaufe, was für den benachbarten Bestand unpfleglich wäre. Die Bringungsstrecke über die Grundstücke der Beschwerdeführerin bis zum daran anschließenden X-Weg betrage ca. 130 m. Durch die Bildung der (diesen Weg betreffenden) Bringungsgenossenschaft sei dem Mitbeteiligten das Benützungsrecht dieses Weges über die Gp. 1266 eingeräumt worden. Bei pfleglicher bzw. fachlich richtiger Rückung werde der Schaden nicht sehr groß sein. Hingegen solle der restliche Bestand der Parzelle Nr. 1252 über diese westlich gelegene Holzriese entlang der Gp. 1269 gerückt werden. Dies werde möglich, weil ca. 100 m westlich der unteren Grenze (nach dem Lageplan die östliche Grenze der Gp. 1252) eine Geländemulde die Rückung quer zum Gelände pfleglich durchführbar mache.

Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen den vorliegenden Antrag mit der Begründung aus, dem Mitbeteiligten sei die Bringung mit einem Seilkran in einer einmaligen Aktion zuzumuten, hingegen würde sie bei der angestrebten Bringung über ihre Grundstücke großen Schaden erleiden, der ihr nicht abgegolten werden könne.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1988 räumte die Bezirkshauptmannschaft B dem Mitbeteiligten gemäß §§ 66 und 67 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 576/1987 (in der Folge: FG), unter einer Reihe von Vorschreibungen das Recht ein, innerhalb von fünf Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides das im südöstlichen Teil seiner Gp. 1252, KG. A, (im Lageplan rot schraffiert) im Ausmaß von ca.1.500 m2 zu schlägernde Holz (ca. 50 fm) auf kürzestem Weg über die Gpn. 1268 und 1266, KG. A, im Eigentum der Beschwerdeführerin, zum X-Weg abzuführen. Beiliegender Lageplan bilde einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides. Die Begründung dieses Bescheides enthält nach Wiedergabe der von der Erstbehörde herangezogenen forstgesetzlichen Bestimmungen, die Darstellung des Verfahrensverlaufes und des wesentlichen Inhaltes des Gutachtens des forsttechnischen Amtssachverständigen. Die belangte Behörde legte dar, daß nach den Ausführungen der Bezirksforstinspektion die Bedenken der Beschwerdeführerin widerlegt worden seien und eine anderweitige Bringung aus Zweckmäßigkeits- und Kostengründen nicht möglich sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin u.a. mit der Begründung Berufung ein, dem Mitbeteiligten sei es zumutbar, einen Holzkran für die Holzbringung einzusetzen. Bei den Verhandlungen zur Bildung der Bringungsgenossenschaft Y-X-Weg sei dem Mitbeteiligten lediglich das Recht eingeräumt worden, den Weg über die Gp. 1266 zu benützen, damit er die Holzriese, die entlang der Gp. 1269 verlaufe, erreichen könne.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der Landesforstdirektion ein, in der zur Beschreibung des vorliegenden Falles im wesentlichen ausgeführt wurde, das Grundstück Nr. 1252 sei ostexponiert, unterschiedlich steil und weise eine Größe von 1,4948 ha auf. Zwischen der Gp. 1252 und dem X-Weg liege auch noch der südwestliche Teil des Grundstückes Nr. 1275/1, diese Fläche sei dicht mit einem Fichtenstangenholz bestockt. Etwa in der Verlängerung der Grenze zwischen den Gpn. 1252 und 1269 verlaufe bis zum neuen Weg eine etwa zwei Meter breite Holzbringungsriese, welche erst vor kurzem für die Holzrückung benutzt worden sei. Über die Gp. 1266 sei in den letzten Jahren Holz abgeriest worden. Etwa 100 m oberhalb der Ostgrenze verlaufe quer zum Hang eine mehrere hundert Meter breite Mulde, welche eine markante Bringungslinie für die Holzrückung darstelle. Zwischen der Ostgrenze und dieser Mulde sei der Hang gewölbt, wodurch die Rückung des Holzes zu der an der Nordgrenze talwärts verlaufenden Holzbringungsriese wesentlich erschwert sei. Es sei daher anzunehmen, daß in früherer Zeit öfters Holz aus der Gp. 1252 über die Gp. 1266 abgeriest worden sei;

Geländeverformungen bestätigten diese Vermutung. Die Kosten für eine Holzrückung am Boden beliefen sich auf rund S 120,-- je fm. Hingegen seien die Kosten der Holzrückung mit Hilfe eines Seilkranes unverhältnismäßig hoch, was der Sachverständige im folgenden näher ausführte. Das Holz dürfe jedoch nur bei gefrorenem Boden oder bei Schneelage abgeriest werden.

Die Beschwerdeführerin erklärte hiezu, anläßlich der Errichtung des X-Weges sei niemals davon gesprochen worden, daß dem Mitbeteiligen ein Holzbringungsrecht über die Gpn. 1268 und 1266 zustehen würde. Es sei lediglich davon die Rede gewesen, daß die Riese am Rand der Gp.1268 und in weiterer Folge über die Gp. 1275/1 zur Holzbringung benutzt werden könne. Sie sei damit einverstanden, daß der Mitbeteiligte diese westliche Riese über die Gp. 1268 und 1275/1 zur Holzbringung benutze. Sie selbst bringe ihr Holz auch nur über die westlich gelegene Riese. Dem Mitbeteiligten sei die Holzbringung über diese westliche Riese oder mit einem Holzkran zuzumuten.

Der Mitbeteiligte erklärte sich mit der Einräumung eines Bringungsrechtes für die Dauer von drei Jahren einverstanden.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (belangte Behörde) vom 4. August 1988 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin insoweit Folge gegeben, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin abgeändert wurde, daß dem Mitbeteiligten unter einer Reihe von Vorschreibungen gemäß §§ 66 und 67 FG das Recht eingeräumt wurde, innerhalb von drei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides das im südöstlichen Teil der Gp. 1252, KG. A (im Lageplan, der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides darstellt, rot schraffiert) im Ausmaß von ca. 1,500 m2 zu schlägernde Holz (ca. 50 fm) auf kürzstem Wege über die Gpn. 1268 und 1266, beide KG. A, zum X-Weg abzuführen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Einwendungen der Beschwerdeführerin, es solle die Holzbringung entweder im Wege einer Seilbringung über ihre Grundstücke oder unter Benützung einer bestehenden Holzriese über eine andere, nicht ihr gehörige Grundparzelle erfolgen, weil nur so ein unverhältnismäßig großer Schaden in ihrem Waldbestand vermieden werden könne, seien durch die schlüssigen und widerspruchsfreien Darlegungen des beigezogenen forsttechnischen Amtssachverständigen gänzlich widerlegt. Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Bringung über ein anderes Grundstück (Gp. 1275/1) scheitere daran, daß auf dieser Grundparzelle dichter Fichtenjungwuchs stocke, der eine Holzbringung jedenfalls gänzlich unmöglich mache.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der dem Inhalt nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 1 FG ist jeder Waldeigentümer oder Nutzungsberechtigte nach Maßgabe der Bestimmung des Abs. 4 berechtigt, auf die mindestschädliche Weise Holz oder sonstige Forstprodukte über fremden Boden zu bringen und diese dort im Bedarfsfalle vorübergehend auch zu lagern (Bringungsberechtigter), sofern die Bringung (Lagerung) ohne Inanspruchnahme fremden Bodens nur mit unverhältnismäßigen Kosten oder überhaupt nicht möglich ist. Hiebei ist insbesondere auf das Verhältnis der erhöhten Bringungskosten zum Erlös der Forstprodukte und zum Ausmaß des Eingriffes in fremdes Eigentum sowie auf die allfällige Entwertung des Holzes durch unzweckmäßige Bringung Bedacht zu nehmen. Nach Abs. 4 dieses Paragraphen hat über die Notwendigkeit und die Art und Weise der Bringung, wenn hierüber zwischen den Parteien keine Einigung zustande kommt, auf Antrag einer Partei die Behörde unter Berücksichtigung der Erfordernisse gemäß Abs. 1 letzter Satz zu entscheiden.

Abs. 6 dieser Bestimmung normiert, daß, bestehen mehrere Bringungsmöglichkeiten über fremde Grundstücke, die Bringung der Eigentümer jenes Grundstückes zu dulden hat, durch dessen Inanspruchnahme im geringsten Ausmaße in fremdes Eigentum eingegriffen wird. Kann bei der einen oder anderen dieser Bringungsmöglichkeiten durch Vorkehrungen, die wieder beseitigt und deren Kosten dem Bringungsberechtigten zugemutet werden können, der Eingriff in fremdes Eigentum wesentlich herabgesetzt werden, so ist dies bei der Auswahl des fremden Grundstückes zu berücksichtigen. Dem Bringungsberechtigten ist gegebenenfalls aufzutragen, solche Vorkehrungen auf seine Kosten vorzusehen und nach durchgeführter Bringung wieder zu beseitigen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich vor allem dagegen, daß die von ihr vorgeschlagene Bringung über die Grundparzelle 1275/1 als gänzlich unmöglich angesehen wurde. Sie führt aus, daß die belangte Behörde außer acht gelassen habe, daß nach den Befunden der beigezogenen Sachverständigen über die Parzelle Nr. 1275/1, welche zugegebenermaßen mit Fichtenjungwuchs bestockt sei, eine 2 m breite Riese führe. Dadurch komme die belangte Behörde zur unrichtigen Schlußfolgerung, daß in diesem Bereich eine Holzbringung gänzlich unmöglich sei. Jedenfalls liege ein Verfahrensmangel vor, weil für die rechtliche Beurteilung wesentlich wäre, inwiefern tatsächlich eine Bringungsmöglichkeit in der erwähnten Riese gegeben sei. Es seien die Fragen der Mindestschädlichkeit möglicher Alternativen, der Inanspruchnahme fremden Bodens und der Verhältnismäßigkeit der Kosten möglicher Alternativen zu prüfen und Feststellungen dazu erforderlich gewesen.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung, wie aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlich ist, auf § 66 ABS. 1 FG gestützt. Diese Bestimmung regelt das Verhältnis zwischen dem Bringungsberechtigten und demjenigen, der die Bringung zu dulden hat. Die Behörde hat festzustellen, welche die "mindestschädliche WEISE" der Bringung über fremden Boden darstellt und ob die Bringung (Lagerung) ohne Inanspruchnahme fremden Bodens nur mit unverhältnismäßigen Kosten ober überhaupt nicht möglich ist.

Bestehen mehrere BringungsMÖGLICHKEITEN über fremde Grundstücke, so hat die Behörde DARÜBERHINAUS gemäß § 66 ABS. 6 leg. cit. vorzugehen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die belangte Behörde hätte prüfen und feststellen müssen, welche der Bringungsmöglichkeiten im geringsten Ausmaß in fremdes Eigentum eingreift. Für das Ausmaß des Eingriffes in fremdes Eigentum ist dabei nicht ausschließlich die Länge des in Anspruch genommenen Weges ausschlaggebend.

Die belangte Behörde hat es - in Verkennung der Rechtslage - aber unterlassen, ausreichende Feststellungen im Sinne dieser Ausführungen zu § 66 Abs. 6 leg. cit. hinsichtlich der Bringungsmöglichkeiten zu treffen. Sie hätte auch feststellen müssen, welche Bringungsmöglichkeit DIE GERINGSTEN KOSTEN bei der geringsten Inanspruchnahme fremden Grundes verursacht.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, mußte ihr Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988100166.X00

Im RIS seit

02.07.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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