TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/3 86/08/0125

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Veröffentlicht am 03.07.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §29 Abs1 idF 1984/502;
ApG 1907 §6 Abs1 idF 1984/502;
ApG 1907 §6 Abs3 idF 1984/502;
ApG 1907 §6 Abs7 idF 1984/502;
ÄrzteG 1984 §19 Abs1;
ÄrzteG 1984 §19 Abs2 idF 1984/373;
ÄrzteG 1984 §19 Abs2;
ÄrzteG 1984 §19 Abs3 idF 1984/373;
ÄrzteG 1984 §19 Abs4 idF 1984/373;
ÄrzteG 1984 §19 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
VwRallg;

Betreff

1.) Mag. pharm. H, 2.) Mag. pharm. F gegen Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz vom 2. April 1986, Zl. IV-245.307/3-4/86, betreffend Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke am Zweitordinationssitz des Mitbeteiligten in K (mitbeteiligte Partei: Dr. med. G)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.010,-- binnen zwei Wochen bei sonsiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 28. August 1985 erteilte der Landeshauptmann von Burgenland dem Mitbeteiligten gemäß § 29 Abs. 1 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG), die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an dessen Zweitordinationssitz in K.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 2. April 1986 gab der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz dieser Berufung teilweise Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß mindestens die Hälfte der Berufstätigkeit (Ordinationszeiten) am Zweitordinationssitz in K ausgeübt werde und der Wegfall dieser Voraussetzung zum Erlöschen der Hausapothekenbewiligung führt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es zunächst, Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 sei die Bedarfsfrage gemäß § 29 Abs. 1 ApG, weil § 48 Abs. 2 leg. cit. seit dem Inkrafttreten der Apothekengesetznovelle 1984 den Beschwerdeführern ein Mitwirkungsrecht hinsichtlich des Themenkreises des Bedarfes eingeräumt habe. Die Entfernungen zwischen der Arztordination (Zweitordination) und den Betriebsstätten der öffentlichen Apotheken der Beschwerdeführer betrügen unbestritten mehr als 6 km.

Die Frage, ob Anknüpfungspunkt gemäß § 29 ApG nur der erster Berufssitz des Arztes oder auch, wie hier, ein zweiter Berufssitz sein könne, habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. September 1972, Zl. 741/72, im Zusammenhalt mit dem weiteren Erkenntnis vom 5. Februar 1974, Zl. 1160/73, entschieden. Im damaligen Fall - es handelte sich um ein fortgesetztes Verfahren - habe der Arzt den Schwerpunkt seiner ärztlichen Tätigkeit an den zweiten Berufssitz verlegt. Aus den Erkenntnissen ergebe sich, daß das ApG zwar die Erteilung einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke am zweiten Berufssitz des Arztes nicht ausschließe, daß aber naturgemäß auch hiebei alle Voraussetzungen einer ärztlichen Hausapotheke, insbesondere die Anwesenheit des Arztes, vorhanden sein müssen.

Nach Ansicht der belangten Behörde müsse der Arzt mindestens die Hälfte seiner Berufstätigkeit am zweiten Ordinationssitz ausüben, um die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zu erfüllen. Die gegenteilige Auslegung des § 29 ApG würde letzten Endes dazu führen, daß unter Umständen auch eine nur einstündige Ordinationszeit pro Woche für die Erteilung einer solchen Bewilligung als ausreichend angesehen werden könnte. Anknüpfungspunkt könnten naturgemäß nur verbindlich festgelegte Ordinationszeiten sein. Aus der Mitteilung der Ordinationszeiten seitens des Gemeindeamtes K sei ersichtlich, daß der Mitbeteiligte seine Ordinationszeiten je zur Hälfte an seinen beiden Ordinationssitzen halte (je 13 Stunden). Diese Tätigkeit reiche als Anknüpfungspunkt für die Errichtung der ärztlichen Hausapotheke aus. Zwecks Verbindlichkeit für die zu versorgende Bevölkerung, betreffend die Mindestdauer der Ordinationstätigkeit, sei darüber spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der Existenzgefährdungsfrage komme den Beschwerdeführern als öffentlichen Nachbarapothekern Parteistellung nicht zu (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 85/08/0048, sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1985, B 461, 462/85).

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Einen Verfahrensmangel erblicken die Beschwerdeführer zunächst darin, daß im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung eine Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer für den zweiten Berufssitz des Mitbeteiligten noch nicht vorgelegen sei. Es handle sich um eine dem Bedarf zugehörige Frage, sodaß die Beschwerdeführer in diesem Umfang Partei seien. Es hätte ihnen Parteiengehör zur Mitteilung der Gemeinde K über die Ordinationszeiten des Mitbeteiligten gewährt werden müssen. Der Mitbeteiligte habe von seiner Erstordination aus rund

2.800 Personen medizinisch zu betreuen; demgegenüber wohnten in K nur 1.544 Einwohner. Schon daraus ergebe sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten an seinem ersten Berufssitz in L, woran auch die offensichtlich bloß formale Angleichung der Ordinationszeiten nichts ändern könne. Schon allein deswegen hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, daß die Angleichung der zu Beginn des Verfahrens in offensichtlich richtigem und weit niedrigerem Ausmaß am Zweitordinationssitz in K bestehenden Ordinationszeiten nur aus rein formalen Gründen während des Verfahrens erfolgt sei. Der Mitbeteiligte habe seinen Tätigkeitsschwerpunkt niemals verlegt.

Im übrigen sei die Erteilung der Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke am zweiten Berufssitz nach dem ApG überhaupt unzulässig. Für die Rechtslage vor der Apothekengesetznovelle 1984 habe gegolten, daß das ApG aus dem Jahr 1907 zu einer Zeit erlassen worden sei, als das ärztliche Berufsrecht einen zweiten Berufssitz noch nicht gekannt habe. Sitz der Regelungen über die ärztliche Hausapotheke sei das Apothekengesetz. Das (alte) Apothekengesetz habe die Führung einer (zweiten) ärztlichen Hausapotheke am zweiten Berufssitz weder vorgesehen, noch habe es dies vorsehen können. Daran habe sich, obwohl die Problematik bei den Verhandlungen über die Fassung der Apothekengesetznovelle 1984 allgemein bekannt gewesen sei, nichts geändert. Im § 29 Abs. 1 ApG nF sei nicht einfach von einem Berufssitz des Arztes die Rede, worunter ein jeder Berufssitz ohne Qualifikation als Erst- oder Zweitberufssitz verstanden werden könnte; vielmehr spreche diese Gesetzesstelle ausdrücklich von "seinem" Berufssitz. "Bei gesetzeskonformer Auslegung im Sinne der Lehre von der Anknüpfung" ergebe sich daher, daß unter dem Begriff "seinem Berufssitz" des § 29 Abs. 1 ApG nur der erste Berufssitz im Sinne des § 19 Abs. 2 ÄrzteG verstanden werden könne und vom ApG die Errichtung einer ärztlichen Hausapotheke am "zweiten Berufssitz" gemäß § 19 Abs. 4 ÄrzteG nicht vorgesehen sei.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 29 Abs. 1 und 3 ApG lauten:

"(1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

(2) ...

(3) Verlegt ein praktischer Arzt seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke."

§ 19 des Ärztegesetzes in der hier anzuwendenden Fassung der Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 373/1984 bestimmt auszugsweise:

"(2) Der praktische Arzt oder Facharzt, der seinen Beruf als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, hat anläßlich der Anmeldung bei der Österreichischen Ärztekammer (§ 11) frei seinen Berufssitz zu bestimmen. Berufssitz ist der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, in der und von der aus der praktische Arzt bzw. der Facharzt seine freiberufliche Tätigkeit ausübt.

(3) Der praktische Arzt bzw. der Facharzt darf grundsätzlich nur einen Berufssitz haben. Die freiberufliche Ausübung des ärztlichen Berufes ohne bestimmten Berufssitz (Wanderpraxis) ist verboten.

(4) Ein praktischer Arzt oder ein Facharzt, der seine freiberufliche Tätigkeit regelmäßig wiederkehrend an bestimmten Wochentagen oder für eine kalendermäßig bestimmte Zeitdauer auch an einem zweiten Berufssitz auszuüben beabsichtigt, bedarf hiezu einer Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn eine ausreichende allgemeinärztliche oder fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für den zweiten Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet nicht gewährleistet ist. Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn der für ihre Erteilung maßgebend gewesene Bedarf nicht mehr besteht..."

2.2. Maßgebend ist im vorliegenden Fall die für den Entscheidungszeitpunkt zu prüfende Frage des Vorliegens eines Berufssitzes im Sinne des § 29 Abs. 1 ApG.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 85/08/0048, Slg. N.F.

Nr. 11756/A = ZfVB 1985/6/2110, ausgeführt hat, ist unter dem Begriff des "Berufssitzes" des Arztes sowohl im Sinne des § 29 ApG als auch im Sinne des § 19 Abs. 1 und 4 ÄrzteG die Ordinationsstätte zu verstehen.

2.3. Mangels einer besonderen, auf den Geltungsbereich des ApG abgestellten Definition des Berufssitzes des praktischen Arztes im § 29 Abs. 1 ApG ist für den Inhalt dieses Begriffes maßgebend, daß es sich jedenfalls um einen Berufssitz im Sinne des Berufsrechtes der Ärzte handeln muß. Dies schließt nicht aus, daß sich aus dem Apothekengesetz selbst noch weitere Merkmale ableiten lassen, denen der Berufssitz des praktischen Arztes genügen muß, damit dem Arzt dort die Haltung einer Hausapotheke bewilligt werden kann.

2.3.1. Was nun zunächst die Frage anlangt, ob eine ärztliche Hausapotheke nur am ersten Berufssitz oder auch am zweiten bewilligt werden kann, so enthält das ApG keine Regelung, die die Hausapothekenbewilligung auf den einen oder den anderen Berufssitz beschränken würde oder eine Erteilung an einen Arzt mit zwei Berufssitzen überhaupt ausschlösse. Insoweit wird hinsichtlich des Begriffsinhaltes des "Berufssitzes" auf das ärztliche Berufsrecht verwiesen. Ob es sich bei dieser Verweisung um eine statische (auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 29 Abs. 1 ApG in der Fassung der Novelle 1984 am 1. Jänner 1985 bezogene) oder um eine dynamische Verweisung auf den jeweiligen Inhalt des ärzterechtlichen Berufssitzes handelt, kann im Beschwerdefall (der angefochtene Bescheid datiert vom 2. April 1986) dahingestellt bleiben, weil sich der Inhalt dieses verwiesenen Begriffes im ÄrzteG in den hier maßgeblichen Regelungen seit dem 1. Jänner 1985 nicht mehr entscheidend verändert hat. Es kommt hier also, was die Zahl der Berufssitze anlangt, auf den Begriffsinhalt, wie er nach dem 1. Jänner 1985 im Ärztegesetz enthalten ist, an.

Aus § 19 Abs. 2, 3 und 4 ÄrzteG in der Fassung der Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 373/1984 ergibt sich nun, daß der Arzt neben seinem Berufssitz noch einen zweiten Berufssitz haben kann. Während der erste Berufssitz frei gewählt wird und bloß meldepflichtig ist, bedarf die am zweiten Berufssitz ausgeübte freiberufliche ärztliche Tätigkeit einer behördlichen Bewilligung, die das Vorliegen eines ensprechenden Bedarfes zur Voraussetzung hat. Der Arzt kann also - höchstens - zwei Berufssitze haben, einen in Ausübung der Niederlassungsfreiheit freigewählten Berufssitz und einen behördlich bewilligten zweiten Berufssitz.

Die Apothekengesetznovelle 1984 differenziert - in Kenntnis des ärztlichen Berufsrechtes, das seit der Ärztegesetznovelle BGBl. Nr. 50/1964 den zweiten Berufssitz vorsah - zwischen den beiden Arten von Berufssitzen nicht. Da es sich in beiden Fällen um einen "Berufssitz" handelt, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der praktische Arzt an seinem zweiten Ordinationssitz, das ist der behördlich bewilligte Berufssitz, die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erhält. Umgekehrt hindert eine ärztliche Tätigkeit an einem zweiten Berufssitz nicht von vornherein und schlechthin die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke für den ersten Berufssitz.

2.3.2. Daß dem ApG die eben behandelte Differenzierung des Ärztrechtes fremd ist, bedeutet freilich nicht, daß der Berufssitz im Sinne des § 29 Abs. 1 ApG nicht apothekenspezifische - zusätzliche - Merkmale aufweisen müßte. Diese lassen sich aus dem Regelungszusammenhang des ApG ableiten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 87/08/0259, ausgesprochen hat, weist das ApG auch den praktischen Ärzten dort, wo eine öffentliche Apotheke nicht besteht, einen Teil der Versorgungsaufgabe zu. Die Zahl der bestehenden ärztlichen Hausapotheken von ca. 950 im Verhältnis zu einer etwa gleich großen Zahl von öffentlichen Apotheken zeigt, daß das Versorgungssystem der ärztlichen Hausapotheken jenes der öffentlichen Apotheken ergänzt und die durch ärztliche Hausapotheken zu erfüllende Versorgungsaufgabe nicht nur als marginal bezeichnet werden kann. Der Primat der Heilmittelversorgung durch die öffentlichen Apotheken findet ungeachtet dieser weitgehend formalisierten Trennung der beiden Versorgungsteilsysteme noch immer im § 29 Abs. 4 bis 8 ApG seinen normativen Niederschlag.

Der Gesetzgeber ist dabei von einem typischen Begriffsbild des niedergelassenen praktischen Arztes ausgegangen, den er bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen durch die Bewilligung der ärztlichen Hausapotheke in die Erfüllung der eben genannten subsidiären Versorgungsaufgabe eingebunden hat. Dies belegen auch die historischen Erwägungen zu dem heute freilich nicht mehr relevanten Wohnsitzbegriff des ApG in der Fassung vor der Novelle 1984 im hg. Erkenntnis vom 26. September 1972, Zl. 741/72, wo zu Recht darauf hingewiesen wird, daß zur Zeit der Entstehung des ApG im Jahr 1907 bei den Ärzten die Einheit von Wohnung und Berufssitz durchaus der Regelfall war. Nur von einem Arzt, der das Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit an dem betreffenden Ordinationssitz entfaltet, kann bei einer Durchschnittsbetrachtung erwartet werden, daß er - zumal er die ärztliche Hausapotheke gemäß § 31 Abs. 1 ApG selbst führen muß und Hilfskräfte zum selbständigen Dispensieren von Arzneien gemäß § 31 Abs. 2 ApG nicht verwenden darf - den gesetzlichen Anforderungen an Betriebsanlage, Betriebseinrichtung und ordnungsgemäße Führung des Betriebes nach den §§ 6 Abs. 1 und 3 sowie 7 ApG und den darauf gestützten Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung in vollem Umfange nachkommen wird.

Welchen Anforderungen eine Heilmittelabgabestelle nach Auffassung des Gesetzgebers zu entsprechen hat, ergibt sich klar aus diesen zuletzt genannten Bestimmungen. Eine fachlich ordnungsgemäße Heilmittelzubereitung, - lagerung und -abgabe setzt eine vorschriftsmäßig eingerichtete Betriebsstätte voraus und hat auch tatsächlich an dieser zu erfolgen. Sie bedarf einer entsprechenden Betreuung und wird zweifellos - man denke etwa an Zubereitungen mit beschränkter Verwendungsdauer - durch zu geringe Umsätze erschwert. Befürchtungen, daß ärztliche Hausapotheken am Sitz der Zweitordination, an dem der Arzt nicht seine Haupttätigkeit (sondern im Extremfall etwa nur eine geringfügige Tätigkeit von wenigen Stunden pro Woche) entfaltet, Risken für eine ordnungsgemäße Heilmittelgebarung mit sich bringen, oder daß zur Vermeidung dieser Risken die vorgebliche Hausapotheke in Wahrheit vom ersten Berufssitz aus (an dem sich ja voraussetzungsgemäß keine ärztliche Hausapotheke befinden darf) versorgt werden könnte, sind nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die belangte Behörde hat daher dem Gesetzesbegriff des Berufssitzes in § 29 Abs. 1 ApG insofern eine zutreffende Deutung gegeben, als sie auf das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit abgestellt hat. Auch bestehen gegen einen solchen Gesetzesinhalt keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da er in den dargelegten gesundheitspolitischen Überlegungen seine sachliche Rechtfertigung findet.

2.3.3. Wie bereits unter Punkt 2.3.1. ausgeführt, wird das Vorhandensein zweier ärztlicher Berufssitze allein die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke nicht hindern. So würde ja auch eine bestehende Hausapothekenbewilligung am ersten Berufssitz wegen einer hinzutretenden Zweitordination geringen Umfanges nicht verloren gehen (die Frage der Verlegung braucht hier nicht weiter untersucht zu werden). Es wird also auf das Schwergewicht, genauer gesagt, auf das Übergewicht, der entfalteten ärztlichen Tätigkeit in dem für die ärztliche Hausapotheke in Aussicht genommenen Berufssitz ankommen. Bemerkt wird dazu noch, daß aus den hg. Erkenntnissen vom

26. Septebmer 1972, Zl. 741/72, und vom 5. Februar 1974, Zl. 1160/73, abgesehen von der teilweise überholten Rechtslage, auch deswegen für die zu behandelnde Frage des Ausmaßes der jeweils erbrachten ärztlichen Tätigkeit nichts zu gewinnen ist, weil diesen Erkenntnissen ein Fall zugrundelag, in denen der damalige Beschwerdeführer "auch zeitlich gesehen, seine Hauptordination" am zweiten Berufssitz eingerichtet hatte. Dafür, an welchen der Berufssitze der Arzt das Schwergewicht seiner beruflichen Tätigkeit verlagert hat, bilden die verbindlich festgesetzten Ordinationszeiten nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein taugliches Indiz, solange sich nicht sachverhaltsbezogen ergibt, daß die Ordinationszeiten willkürlich und nicht der Zahl der behandelten Patienten entsprechend gewählt wurden. Darauf aber kommt es letzten Endes bei der Beurteilung des Schwergewichtes einer ärztlichen Tätigkeit an.

2.4. Die belangte Behörde hat - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - die Rechtslage insofern verkannt, als sie nicht auf das Überwiegen der Berufstätigkeit abgestellt hat, sondern bei gleichen (formalen) Ordinationszeiten die Zulässigkeit einer Hausapothekenbewilligung bejaht hat.

Im übrigen erweist sich auch auf dem Boden ihrer Rechtsauffassung die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Verfahrensrüge des mangelnden Parteiengehörs als berechtigt, in welcher sie die Richtigkeit und die Aussagekraft der gemeindeamtlichen Bestätigung über die Ordinationszeiten in Zweifel ziehen. Auf Grund der unrichtigen Rechtsauffassung der belangten Behörde sind die Sachverhaltsfestellungen ergänzungsbedürftig geblieben.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes prävaliert, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.5. Soweit in der Beschwerde die im angefochtenen Bescheid unterbliebene Prüfung der Existenzgefährdung der beschwerdeführenden Parteien gerügt wird, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf das in Punkt 2.2. zitierte hg. Erkenntnis.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst BGBl. Nr. 206/1989.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1986080125.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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