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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §41 Abs1;Betreff
G-GmbH gegen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Jänner 1990, Zl. 512.570/01-I5/90, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) vom 6. September 1977 wurde der Beschwerdeführerin für die Zwecke der von ihr in E betriebenen Schlächterei die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der Abwässer in einen Vorflutgraben unter bestimmten Auflagen erteilt. Diese Bewilligung wurde "bis zum Anschluß des Betriebes an den Kanal des Reinhalteverbandes S" befristet. Dieser Bewilligungsbescheid ist, obwohl sich in der Folge Zweifel an der Zuständigkeit der BH zu seiner Erlassung ergaben, in Rechtskraft erwachsen.
In der Folge wurde durch Erhebungen der Gewässergüteaufsicht festgestellt, daß die betriebseigene mechanische Kläranlage der Beschwerdeführerin weder dem Stand der Technik noch den Auflagen im eingangs genannten Bewilligungsbescheid entsprach. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb unter Hinweis auf § 27 Abs. 4 WRG 1959 mit Schreiben des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom 14. November 1988 und vom 3. April 1989 ermahnt, doch zog dies keine Verbesserung der Abwassersituation im Betrieb der Beschwerdeführerin nach sich. Am 2. Juni 1989 forderte der LH die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine weitere fachtechnische Äußerung und auf die bereits erfolgten Ermahnungen zur Stellungnahme auf. Dazu ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Juni 1989 um "Bekanntgabe eines Termins zwecks einer Rücksprache - Stellungnahme über die Betriebskläranlage, Verwirkterklärung des Wasserrechtes".
Hierauf wurde mit Bescheid des LH vom 29. Juni 1989 gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 die mit dem Bescheid der BH vom 6. September 1977 erteilte wasserrechtliche Bewilligung als verwirkt erklärt. Nach dem Inhalt der vorgelegten Akten wurde dieser Bescheid der Beschwerdeführerin im Wege der Ersatzzustellung zugestellt und für sie von Katharina Z am 6. Juli 1989 übernommen. Ein Rechtsmittel wurde gegen diesen Bescheid nicht eingebracht.
Unter ausdrücklichem Hinweis auf diesen Verwirkungsbescheid wurde die Beschwerdeführerin hierauf vom LH am 12. Oktober 1989 zur Stellungnahme zu einer neuerlichen Überprüfung ihrer Abwasserbeseitigung aufgefordert. In einem Schreiben vom 3. November 1989 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sie ihre Schlachtkapazität verringert habe, daß in den Vorflutkanal auch Abwässer privater Haushalte und Landwirte eingeleitet würden und daß die Beschwerdeführerin im November mit dem Bau einer eigenen Entsorgungsanlage beginnen würde.
Mit Bescheid vom 9. November 1989 verpflichtete der LH die Beschwerdeführerin gemäß den §§ 32 Abs. 2 lit. a, 99 Abs. 1 lit. c, 105 lit. e und 138 Abs.1 lit. a WRG 1959 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes ihre Betriebskläranlage, über welche Schlachthofabwässer geführt würden, unverzüglich stillzulegen, die weitere Ableitung von Betriebsabwässern in den Vorfluter sofort einzustellen und den betrieblichen Ableitungskanal in fachkundiger Weise längstens binnen acht Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides dauerhaft wasserdicht zu verschließen.
Der LH ging dabei begründend von dem in Rechtskraft erwachsenen Verwirkungsbescheid vom 29. Juni 1989 aus. Die Ableitung der Abwässer der Beschwerdeführerin, die seither über keine wasserrechtliche Bewilligung für diese Ableitung verfüge, verursache eine schwere Schädigung der Gewässergüte des äußerst schwachen Vorfluters und sei wegen der damit verbundenen Verletzung des öffentlichen Interesses an der Gewässerreinhaltung auch keiner nachträglichen Bewilligung gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 zugänglich. Es liege eine eigenmächtige Neuerung vor, welche einen wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 rechtfertige. Der bestehende Zustand sei unabhängig von der Ankündigung der Beschwerdeführerin, in absehbarer Zeit mit dem Bau einer eigenen Entsorgungsanlage zu beginnen, durch die Wasserrechtsbehörde zu beseitigen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit einem Schreiben vom 23. November 1989 "Einspruch", worin sie zur Begründung auf ein weiteres Schreiben vom 20. November 1989 verwies. Darin machte die Beschwerdeführerin geltend, sie sei in den Reinhalteverband S eingegliedert, welcher über eine demnächst zu realisierende wasserrechtliche Bewilligung zum Bau eines Verbandssammlers verfüge. Die Beschwerdeführerin habe sich überdies verpflichtet, noch im November 1989 mit dem Ausbau der bestehenden Klärkammern zu beginnen. Außerdem habe sie bereits die Schlachtkapazität ihres Betriebes erheblich verringert, um die vorgegebenen Auflagen zu erfüllen. Mangels einer anderen Lösung sei die Beschwerdeführerin gezwungen, den Schlachtbetrieb mit Ende 1989 zur Gänze einzustellen, was allerdings für die umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe und für die Sicherung der Arbeitsplätze von Nachteil wäre.
Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 1990 dieser Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge. Auch die belangte Behörde ging davon aus, daß der Verwirkungsbescheid des LH vom 29. Juni 1989 in Rechtskraft erwachsen sei und daß die Beschwerdeführerin seither über keine wasserrechtliche Bewilligung für ihre Abwassereinleitung mehr verfüge. Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe im Sinne einer parteifreundlichen Auslegung des § 63 Abs. 3 AVG 1950 die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 20. November 1989 zur Begründung des von dieser erhobenen Rechtsmittels herangezogen. Darin werde aber in Bezug auf den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid vom 9. November 1989 lediglich vorgebracht, daß die Einstellung des Schlachtbetriebes mit Jahresende 1989 eintreten müßte, wenn eine andere Lösung nicht gefunden werden könne; damit würde sich eine ungünstige Situation für die umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe und für die Belegschaft des Betriebes der Beschwerdeführerin ergeben. In der Stellungnahme der Beschwerdeführerin finde sich aber kein Hinweis darauf, daß der LH den seinem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt unrichtig angenommen, oder eine falsche rechtliche Beurteilung vorgenommen hätte. Es könne daher eine Rechtswidrigkeit des der Beschwerdeführerin erteilten wasserpolizeilichen Auftrages nicht erkannt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Als Beschwerdepunkt macht die Beschwerdeführerin die Verletzung von Zustellvorschriften sowie des Parteiengehörs und eine unrichtige Anwendung der Bestimmungen der §§ 32 Abs. 2 lit. a und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in erster Linie darin, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der Rechtskraft jenes Bescheides des LH vom 29. Juni 1989 ausgegangen sei, mit welchem die der Beschwerdeführerin erteilte wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 für verwirkt erklärt wurde. Tatsache sei, daß dieser Bescheid der Beschwerdeführerin bzw. deren vertretungsbefugten Gesellschaftern nie zugekommen sei. Die Zustellung dieses Bescheides sei zu Unrecht nicht eigenhändig, sondern im Wege der Ersatzzustellung an eine gewisse Katharina Z erfolgt, welche jedoch nicht berechtigt sei, an die Beschwerdeführerin adressierte Schriftstücke in Empfang zu nehmen. Fehle es aber diesem Verwirkungsbescheid an der Rechtskraft, dann verfüge die Beschwerdeführerin nach wie vor über die ihr erteilte Bewilligung, weshalb die gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 angeordneten Maßnahmen unzulässig seien.
Eine Vorschrift, die eine Zustellung des Bescheides des LH vom 29. Juni 1989 zu eigenen Handen angeordnet hätte, besteht nicht; die Wasserrechtsbehörde hat daher durch die Anordnung der Ersatzzustellung das Gesetz nicht verletzt. Die Beschwerdeführerin war im übrigen vor diesem Verwirkungsbescheid unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 4 WRG 1959 zweimal ermahnt worden. Dazu kommt, daß die Beschwerdeführerin in dem dem nunmehr angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verwaltungsverfahren einen Zustellmangel hinsichtlich des Verwirkungsbescheides vom 29. Juni 1989 nie behauptet hat, weshalb es keinen Verfahrensmangel darstellt, daß die belangte Behörde ebenso wie der LH auf Grund der Aktenlage davon ausgegangen sind, der Verwirkungsbescheid sei der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß zugegangen.
Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
Aus dieser Bestimmung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Geltung des Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuleiten. Neues Sachverhaltsvorbringen ist daher im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässig. Das Neuerungsverbot bezieht sich auf tatsächliches Vorbringen und auf solches Rechtsvorbringen, zu dessen Beurteilung weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind; hinsichtlich solchen Vorbringens ist die Rüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. zu diesen Ausführungen die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 522 ff, angeführte Judikatur).
Daß die Wasserrechtsbehörde im Beschwerdefall von der Tatsache der erfolgten Zustellung des Bescheides des LH vom 29. Juni 1989 an die Beschwerdeführerin und von dessen Rechtskraft ausging, war der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage bereits im erstinstanzlichen Verfahren bekannt (siehe dazu bereits den Vorhalt des LH vom 12. Oktober 1989, welchen die Beschwerdeführerin mit ihrer Stellungnahme vom 3. November 1989 beantwortet hat, ohne auf ihre Unkenntnis des Verwirkungsbescheides hinzuweisen). Die Rechtskraft dieses Verwirkungsbescheides hat der LH dann ausdrücklich seinem wasserpolizeilichen Auftrag vom 9. November 1989 zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hat aber auch ihr dagegen erhobenes Rechtsmittel nicht dazu verwendet, die von ihr nunmehr (erstmals) in der Beschwerde behauptete fehlende Zustellung des Verwirkungsbescheides vorzubringen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher seiner Entscheidung die im Verwaltungsverfahren unbestritten gebliebene und im Akteninhalt gedeckte Sachverhaltsannahme zugrunde zu legen, daß die der Beschwerdeführerin erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung ihrer Abwässer in den Vorflutgraben bereits vor Erlassung des nunmehr beschwerdegegenständlichen wasserpolizeilichen Auftrages rechtskräftig für verwirkt erklärt worden ist.
Es verstößt aber auch die weitere Beschwerdebehauptung, die Wasserrechtsbehörde erster Instanz habe der Beschwerdeführerin hinsichtlich des im Vorhalt vom 12. Oktober 1989 genannten Erhebungsergebnisses der Gewässeraufsicht nicht das Parteiengehör gewährt, gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Die Beschwerdeführerin hat eine Unkenntnis dieses Erhebungsergebnisses weder in ihrer Stellungnahme zu dem genannten Vorhalt noch im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde behauptet.
Die Beschwerdeführerin geht nach dem Gesagten nicht von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus, wenn sie meint, der bekämpfte wasserpolizeiliche Auftrag sei deshalb gesetzwidrig, weil die der Beschwerdeführerin erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der Abwässer noch bestehe. Fehlte es der Beschwerdeführerin jedoch im Zeitpunkt der Erlassung dieses wasserpolizeilichen Auftrages an einer entsprechenden wasserrechtlichen Bewilligung, dann stellte die Fortsetzung der Einleitung ihrer Betriebsabwässer in den Vorflutgraben eine eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 dar (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1959, Slg. 4913/A). Daran sowie am Vorliegen des mit dem wasserpolizeilichen Auftrag verfolgten öffentlichen Interesses an der Gewässerreinhaltung (§ 105 lit. e WRG 1959) vermag es bei dieser Sachlage nichts zu ändern, daß nach den von der Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren aufgestellten und in der Beschwerde wiederholten Behauptungen auch von dritter Seite Abwässer in den betreffenden Vorfluter eingeleitet werden.
Da sich der angefochtene Bescheid somit als frei von der in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeit erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990070021.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
18.02.2014