TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/3 90/11/0030

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Veröffentlicht am 03.07.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
11/01 Staatsgrenzgesetz;
35/02 Zollgesetz;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/04 Grenzverkehr;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art3;
GrenzabfertigungsAbk BRD 1955;
KFG 1967 §76 Abs1;
Notenwechsel BRD 1980 Grenzübergang Freilassing Saalbrücke;
StaatsgrenzG 1973;
VStG §2;
ZollG 1988 §11 Abs1 litc;
ZollG 1988 §11 Abs4;

Betreff

N gegen Bundespolizeidirektion Salzburg wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf die am 19. Dezember 1989 von einem Beamten der belangten Behörde im Wachzimmer Lehen vorgenommene vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers bezieht, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 552,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, daß er am 19. Dezember 1989 mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten und bereits "ausfuhrverzollten" Lkw-Zug, nachdem er das Ortsgebiet von Salzburg bereits verlassen und die österreichische Grenzkontrolle bereits passiert gehabt habe, zur Durchführung der Einfuhrverzollung seines Ladegutes in die Bundesrepublik Deutschland am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke gestanden sei und der bayrischen Grenzpolizei bereits Reisepaß und "BRD-Genehmigung" übergeben gehabt habe, "als mit einem Streifenwagen der Bundespolizeidirektion Salzburg des Wachzimmer Lehen die Grenzabfertigung des Beschwerdeführers dadurch unterbrochen wurde, als der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, eine Atemluftüberprüfung durchzuführen, er im Streifenwagen wiederum nach Österreich zum Wachzimmer Lehen zurückgebracht wurde, gem. § 76 KFG nach Durchführung einer Atemluftmessung der Führerschein vorläufig abgenommen, die zwangsweise Abstellung des versperrten Lkw-Zuges veranlaßt wurde und der KFZ-Schlüssel im Wachzimmer Lehen von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg 'eingezogen' wurde". Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, "nach der Ausreise aus Österreich nicht wiederum zwangsweise durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg mittels Funkstreifenwagen über das Staatsgebiet der BRD außerhalb des Ortsgebietes von Salzburg wiederum nach Salzburg, sohin in das Bundesgebiet zurückgebracht zu werden, nicht hiedurch die Atemluftüberprüfung am Wachzimmer Lehen der Bundespolizeidirektion Salzburg durchführen zu müssen und nicht gemäß § 76 KFG den Führerschein zu verlieren". Sein abschließender Antrag lautet dahingehend, der Gerichtshof möge erkennen, "daß die am 19.12.1989 von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg (Wachzimmer Lehen) gegen den Beschwerdeführer um 10.55 Uhr am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke begonnene und am Posten des Wachzimmer Lehen fortgesetzte Amtshandlung, nämlich

a)

die Aufforderung zur Durchführung der Atemluftüberprüfung;

b)

die Verbringung des Beschwerdeführers hiezu über das Ausland (BRD) zum Wachzimmer Lehen;

c)

die Atemluftmessung selbst;

d)

die vorläufige Abnahme des Führerscheines gem. § 76 KFG, sowie

              e)              die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand und den Einbehalt der Kfz-Schlüssel am Wachzimmer Lehen,

je durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg

RECHTSWIDRIG WAR."

Festgehalten wird, daß mit dem gegenständlichen Erkenntnis lediglich der eine Angelegenheit des Kraftfahrwesens betreffende Teil der Beschwerde, also jener, der sich auf die vorläufige Abnahme des Führerscheines gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 bezieht, eine Erledigung findet, während hinsichtlich der übrigen bekämpften Maßnahmen eine gesonderte Entscheidung (des hiefür zuständigen Senates des Gerichtshofes) ergeht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit erwogen:

Unbestritten ist, daß die vorläufige Abnahme des Führerscheines bereits im Wachzimmer Lehen und damit nicht nur im Bundesgebiet der Republik Österreich, sondern auch im örtlichen Wirkungsbereich der belangten Behörde (siehe dazu die Verordnung der Bundesregierung vom 7. Dezember 1976, BGBl. Nr. 690) erfolgt ist. Es kann dahinstehen, ob der Teil der Amtshandlung, der am Grenzübergang stattgefunden hat, - wie vom Beschwerdeführer behauptet - rechtswidrig war, hätte dies doch bejahendenfalls damit nicht zwangsläufig auch die Rechtswidrigkeit der (wenn auch im Rahmen der gleichen Amtshandlung) gesetzten Maßnahmen im Wachzimmer selbst nach sich gezogen.

Die Frage, ob sich der Beschwerdeführer mit dem von ihm gelenkten Lkw-Zug bei Beginn der Amtshandlung "bereits im Ausland" befunden hat, ist aber insofern von Bedeutung, als es sich bei der vorläufigen Abnahme des Führerscheines gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 um eine Sicherungsmaßnahme handelt, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird, weil sie verhindern soll, daß eine Person als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Fahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1990, Zl. 89/11/0238, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift zutreffend auf das zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland am 14. September 1955 getroffene Abkommen über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr, BGBl. Nr. 240/1957, in Verbindung mit dem Notenwechsel vom 5. November 1980 über die Errichtung vorgeschobener deutscher Grenzdienststellen am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke, BGBl. Nr. 573/1980, hingewiesen, woraus sich eindeutig ergibt, daß (auch) die deutschen Grenzdienststellen an diesem Grenzübergang zur Gänze auf österreichischem Gebiet gelegen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/03/0140, unter Bezugnahme auf Bestimmungen des Zollgesetzes 1988, BGBl. Nr. 644, allgemein die Auffassung, daß (erst) "die Grenzübertrittsstelle als Beginn des österreichischen Straßennetzes anzusehen" sei, verworfen. Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer mit seinem Lkw-Zug, um auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu gelangen, von seinem Standort aus noch eine gewisse Strecke bis zur Staatsgrenze zurückzulegen gehabt hätte und daher, dem genannten Zweck entsprechend, die vorläufige Abnahme seines Führerscheines jedenfalls gerechtfertigt war.

Der Beschwerdeführer bringt auch vor, daß am selben Tag bereits um etwa 10.20 Uhr seitens der bayrischen Grenzpolizei (auf Grund der bei ihm festgestellten Alkoholisierungssymptome) ihm gegenüber mündlich ein Lenkverbot für drei Stunden ausgesprochen und "durch vorläufige Führerscheinabnahme gem. § 76 KFG dieses in ein andauerndes nach Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Hoheitsgebiet von Österreich rechtswidrig abgeändert" worden sei. Es stellt sich daher weiters die Frage, ob nicht allein durch das befristete Lenkverbot dem mit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines (welche der Aktenlage nach zwischen 11.20 und 11.35 Uhr erfolgte) verbundenen Sicherungszweck entsprochen gewesen wäre. Einer solchen Annahme stünde jedoch - ungeachtet der Frage, ob einem derartigen Lenkverbot überhaupt Rechtswirkungen auf österreichischem Bundesgebiet zugekommen wären - entgegen, daß der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß die einschreitenden Organe der belangten Behörde über das (allenfalls) bereits erteilte Lenkverbot unterrichtet gewesen seien, sodaß sie darauf hätten Bedacht nehmen können, und sie nach der österreichischen Rechtsordnung, die im gegebenen Zusammenhang ein "befristetes Lenkverbot" nicht kennt, sondern in solchen Fällen nur ein Vorgehen im Sinne der Bestimmungen des § 76 KFG 1967 vorsieht, bei vorläufiger Abnahme des Führerscheines nicht zu beurteilen hatten, wann der Beschwerdeführer (und daher, ob er nach Ablauf dieser drei Stunden) die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper wiedererlangen werde. Daß sonst die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 KFG 1967 nicht vorgelegen seien, macht der Beschwerdeführer nicht geltend, und es besteht dafür auch nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt.

Da sich somit die Beschwerde insoweit als unbegründet erweist, war sie in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Dabei war zu berücksichtigen, daß die belangte Behörde hinsichtlich aller fünf bekämpften Maßnahmen nur EINE Gegenschrift erstattet und nur EINEN Verwaltungsakt vorgelegt hat, weshalb die von ihr insgesamt mit S 2.760,-- verzeichneten Kosten entsprechend (das heißt mit je einem Fünftel) aufzuteilen waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990110030.X00

Im RIS seit

13.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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