TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/3 89/08/0265

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Veröffentlicht am 03.07.1990
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §20 idF 1987/615;
AlVG 1977 §25 Abs5 idF 1987/615;
AlVG 1977 §46 Abs1 idF 1987/615;

Betreff

NJ gegen Landesarbeitsamt Wien vom 24. August 1989, Zl. IVb/7022/7100 B, VNr. 920/3086 050837, betreffend Nachzahlung des Familienzuschlages

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 8. November 1982 beim Arbeitsamt Versicherungsdienste in Wien den Antrag auf Arbeitslosengeld. Dabei gab er auch an, für seine in Jugoslawien lebende Ehegattin und seine drei Söhne zu sorgen.

Im Februar 1983 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Heimatgemeindeamtes vor, wonach seine Ehegattin und seine drei Söhne zu seinem Haushalt gehörten, von ihm erhalten würden, in keinem Arbeitsverhältnis stünden und auch nicht selbständig erwerbstätig seien. Dabei gab der Beschwerdeführer auch die schriftliche Erklärung ab, daß sein im Jahre 1966 geborener Sohn MJ nicht mehr in die Schule ginge.

Am 10. Oktober 1983 richtete der nunmehrige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein Schreiben an das Arbeitsamt Versicherungsdienste, in dem er darauf hinwies, daß sein Mandant zwischen November 1982 und März 1983 Arbeitslosengeld bezogen habe. Zur Vorlage beim Finanzamt im Familienbeihilfen-Nachzahlungsverfahren ersuche er daher um eine diesbezügliche Bestätigung. Zusätzlich bitte er um eine kurze Verständigung, ob seinem Mandanten für die Zeit des Bezuges des Arbeitslosengeldes für seine in Jugoslawien lebende Ehefrau und seine Kinder auch Familienzuschläge ausbezahlt worden seien. Sofern dies der Fall sei, ersuche er um Bekanntgabe, für welche Zeiten und für welche Personen die Familienzuschläge gewährt worden seien.

Das Arbeitsamt Versicherungsdienste veranlaßte daraufhin die Nachzahlung der Familienzuschläge für die Ehegattin und zwei Söhne des Beschwerdeführers.

Am 4. Mai 1984 richtete der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers neuerlich ein Schreiben an das Arbeitsamt, in dem er wieder um Bekanntgabe ersuchte, für welche Zeiten und welche Personen Familienzuschläge gewährt worden seien.

Aufgrund der Mitteilung des Arbeitsamtes, daß

drei Familienzuschläge ausbezahlt worden seien, ersuchte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 4. Juli 1984 um Auskunft, ob der dritte Familienzuschlag für die Ehegattin oder den ältesten Sohn MJ gewährt worden sei.

Das Arbeitsamt teilte daraufhin mit Schreiben vom 18. Juli 1984 mit, daß für den Sohn MJ kein Familienzuschlag gewährt worden sei.

1.2. Am 28. Juni 1989 stellte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen förmlichen Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlages für das älteste Kind MJ für die Zeit vom November 1982 bis März 1983.

Dabei legte er zunächst eine Erklärung des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 1985 vor, in der dieser angab, seinen Sohn MJ zwischen November 1982 und März 1983 nicht beim Arbeitsamt angemeldet zu haben, da das nächstgelegene Arbeitsamt von seinem Haus in Jugoslawien mindestens 50 km entfernt sei.

Ferner wurden zwei Bestätigungen der Ortskanzlei A, Gemeindetag B, vorgelegt. Aus der Bestätigung vom 23. August 1984 geht hervor, daß der Beschwerdeführer seinen Sohn MJ in der Zeit zwischen November 1982 und März 1983 erhalten habe, da dieser keine Beschäftigung habe finden können und keine Einkünfte gehabt habe. Er habe im Haushalt seines Vaters gelebt. In einem Schreiben vom 27. September 1985 wird schließlich bescheinigt, daß MJ in keinem Arbeitsverhältnis stehe und sich auch nicht mit irgendwelchen privaten professionellen Tätigkeiten befasse.

1.3. Mit Bescheid vom 17. Juli 1989 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste in Wien dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Familienzuschlages für das Kind MJ gemäß § 20 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) keine Folge.

In der Begründung wurde auf § 20 Abs. 2 AlVG verwiesen, wonach der Familienzuschlag unter anderem für Kinder gebühre, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Person tatsächlich wesentlich beitrage. Der Familienzuschlag gebühre jedoch nicht, wenn den zuschlagsberechtigten Personen zugemutet werden könne, den Aufwand für einen angemessenen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Nach der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung vom 4. Oktober 1985 sei sein Sohn MJ in der Zeit von November 1982 bis März 1983 bei keinem Arbeitsamt gemeldet gewesen. Deshalb gebühre kein Familienzuschlag.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, in der er im wesentlichen darauf verwies, daß aus den vorgelegten Bestätigungen hervorgehe, sein Sohn MJ habe keine Beschäftigung finden können.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes dahin abgeändert, daß dem Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Juni 1989 auf Nachzahlung des Familienzuschlages für sein Kind MJ für die Zeit vom November 1982 bis März 1983 gemäß § 25 Abs. 5 AlVG keine Folge gegeben wurde.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer am 8. November 1982 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Dieses sei ihm samt dreier Familienzuschläge (für die Gattin sowie für seine Söhne C und D) zuerkannt worden. Da sein Anspruch auf Arbeitslosengeld anerkannt worden sei, habe er auch gemäß § 47 Abs. 1 AlVG eine entsprechende Mitteilung über die Höhe seines Anspruches erhalten. Damit sei das diesbezügliche Verfahren der Anspruchsbeurteilung abgeschlossen gewesen, zumal der Beschwerdeführer diese Mitteilung damals auch unwidersprochen zur Kenntnis genommen habe.

Da das damalige Verfahren bereits abgeschlossen gewesen sei, stelle der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Juni 1989 einen Antrag auf "Nachzahlung des Familienzuschlages für seinen Sohn MJ für die Zeit vom November 1982 bis März 1983" - wie dies von ihm auch richtigerweise so genannt worden sei - dar. Gemäß § 25 Abs. 5 AlVG sei aber eine Verfügung zur Nachzahlung für Zeiträume, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Arbeitsamt zurücklägen, unzulässig, weshalb eine Nachzahlung des Familienzuschlages für einen Zeitraum VOR dem 28. Juni 1984 nicht erfolgen könne. Das Arbeitsamt habe vom maßgeblichen Sachverhalt, nämlich von der Unzufriedenheit des Beschwerdeführers mit dem damals festgestellten Leistungssatz, frühestens mit seinem Antrag vom 28. Juni 1989 Kenntnis erlangt.

Zwar verlängere sich der Zeitraum von fünf Jahren um Zeiten, in denen ein gerichtliches oder behördliches Verfahren anhängig gewesen sei, das die Frage des Anspruches unmittelbar oder mittelbar betroffen habe, jedoch treffe dies im vorliegenden Fall nicht zu, da laut Aktenlage kein derartiges behördliches Verfahren anhängig gewesen sei. Die Erlangung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen aus Jugoslawien könne auch nicht als ein solches Verfahren angesehen werden, da es sich einerseits um eine Bestätigung vom Beschwerdeführer selbst, andererseits aber auch nur um eine Bestätigung über den maßgeblichen Sachverhalt, nicht aber um eine behördliche Klärung desselben gehandelt habe, zumal der Beschwerdeführer diese Belege auch schon im Jahre 1985 in Händen gehalten habe und ihm eine frühere Vorlage deshalb sehr wohl möglich gewesen sein müßte.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 25 Abs. 5 AlVG in der ab 1. Jänner 1988 - und damit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - geltenden Fassung der Novelle vom 25. November 1987, BGBl. Nr. 615, lautet:

"(5) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Arbeitsamt, zurückliegen. Der Zeitraum von fünf Jahren verlängert sich um Zeiten, in denen ein gerichtliches oder behördliches Verfahren anhängig war, das die Frage des Anspruches unmittelbar oder mittelbar betroffen hat."

Gemäß § 20 Abs. 1 AlVG besteht das Arbeitslosengeld aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen.

Nach § 20 Abs. 2 AlVG sind Familienzuschläge für Ehegatten (Lebensgefährten) Eltern und Großeltern, Kinder und Enkel, Stiefkinder, Wahlkinder und Pflegekinder (zuschlagsberechtigte Personen) zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Personen tatsächlich wesentlich beiträgt. Der Familienzuschlag gebührt nicht wenn den zuschlagsberechtigten Personen zugemutet werden kann, den Aufwand für einen angemessenen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten.

§ 46 Abs. 1 AlVG bestimmt:

"Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist vom Arbeitslosen persönlich bei dem nach seinem Wohnort zuständigen Arbeitsamt geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das hiefür bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular zu verwenden. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn das Antragsformular innerhalb der vom Arbeitsamt festgesetzten Frist beim Arbeitsamt persönlich abgegeben wurde. Hat der Arbeitslose die vom Arbeitsamt festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrages ohne triftigen Grund versäumt, so ist der Anspruch erst ab dem Tag zu beurteilen, an dem der Antrag beim Arbeitsamt abgegeben wurde. Über die Abgabe des Antrages ist dem Antragsteller eine Bestätigung auszustellen."

Gemäß § 46 Abs. 3 erster Satz AlVG in der 1982 geltenden Fassung BGBl. Nr. 588/1981 (nunmehr Abs. 4) hat der Arbeitslose seinen Anspruch beim Arbeitsamt nachzuweisen.

Gemäß § 47 Abs. 1 zweiter Satz AlVG ist dem Antragsteller ein schriftlicher Bescheid auszufolgen, wenn dem Antragsteller ein Anspruch nicht anerkannt wird.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 25 Abs. 5 AlVG bestreitet, kommt seinem Vorbringen Berechtigung zu.

Die dem § 46 Abs. 1 erster bis dritter Satz AlVG entsprechende Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld am 8. November 1982 schloß im Hinblick auf § 20 AlVG, wonach das Arbeitslosengeld aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen besteht, auch jene auf Familienzuschläge für die im Antrag genannten Personen in sich. Da über den damit geltend gemachten Zuschlag für den ältesten Sohn des Beschwerdeführers MJ - trotz fristgerechter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung - erst am 17. Juli 1989 bescheidmäßig im Sinne des § 47 Abs. 1 AlVG abgesprochen wurde, war bis zur Zustellung dieses Bescheides ein Verfahren im Sinne des zweiten Satzes des § 25 Abs. 5 AlVG anhängig.

Die Anwendung des § 25 Abs. 5 AlVG kam daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1989, Zl. 88/08/0319).

2.3. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080265.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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