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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §232 Abs1;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1990, 390;Betreff
S gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. August 1989, Zl. GA 7-1477/89, betreffend Sicherstellungsauftrag
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Sicherstellungsauftrag vom 1. Juni 1989 ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung von schätzungsweise ermittelten Abgabenansprüchen von insgesamt S 10,121.546,-- an Umsatzsteuer für die Jahre 1978 bis 1984 an. Das Finanzamt begründete den Sicherstellungsauftrag damit, daß eine Erschwerung der Einbringlichkeit zu befürchten sei, weil der Beschwerdeführer bis zuletzt versucht habe, den tatsächlichen Umfang seiner Abgabepflicht zu verschleiern und erst durch umfangreiche Ermittlungen das Ausmaß seiner "Schwarzzuckereinkäufe" habe ermittelt werden können. Aus diesen Begleitumständen sei die Befürchtung abzuleiten, daß der Abgabepflichtige versuchen werde, sich seines Vermögens zum Schaden der Republik Österreich zu begeben.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die bei der Schätzung seines Weinumsatzes vorgenommene Berechnung des Finanzamtes halte weder einer rechnerischen noch einer logischen Prüfung stand. Eine weitere Rechtswidrigkeit werde in der Begründung der Erschwerung der Einbringlichkeit erblickt. Die "aus der Luft gegriffene" Behauptung, der Beschwerdeführer habe bis zuletzt versucht, den tatsächlichen Umfang seiner Abgabenpflicht zu verschleiern, reiche gemäß § 232 BAO als Begründung nicht aus. Dem von der Abgabenbehörde gezogenen Schluß, der Tatbestand der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung sei erfüllt, müßten entsprechende Tatsachenfeststellungen und nicht bloße Vermutungen zu Grunde liegen. Der Beschwerdeführer habe im betreffenden Zeitraum steuerpflichtige Jahresgewinne von insgesamt S 860.877,-- erzielt und insgesamt S 1,510.932,-- an Privatentnahmen verbucht. Unter Einbeziehung der Jahresergebnisse finde der vermutete Finanzbedarf für Gebäudeumbauten Deckung.
Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Finanzamtes ein, die sie dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis brachte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie im wesentlich aus, die Höhe der voraussichtlichen Abgabennachforderungen sei auf Grund der Feststellungen im Zuge der Voruntersuchung ermittelt worden, die gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Begehung des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG eingeleitet worden sei. Dabei seien bei der Berechnung der vom Beschwerdeführer tatsächlich erzielten Umsätze Zeugenaussagen betreffend die vom Beschwerdeführer "schwarz" gekauften Zuckermengen ebenso verwertet worden, wie die sich aus dem Rechenwerk des Beschwerdeführers ergebende Rezeptur zur Weinherstellung. Diese Umlegung der Relation zwischen bücherlich aufscheinendem und außerbücherlich zugekauftem Zucker auf das Verhältnis erklärter und tatsächlich produzierter Weinmenge stelle eine logische Berechungsart dar. Daß mit dieser Berechnungsmethode - wie mit jeder Schätzung - eine gewisse Unsicherheit verbunden sei, müsse der Beschwerdeführer in Kauf nehmen. Auch die Begründung des bekämpften Bescheides in bezug auf die Gefährdung der Einbringlichkeit erweise sich als stichhaltig und auf Tatsachen basierend. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1978 bis 1984 steuerpflichtige Gewinne erklärt habe, sage noch nichts darüber aus, ob diese erklärten Gewinne auch den tatsächlichen Gewinnen entsprochen hätten. Aus dem Zukauf von Zucker, der in den Büchern des Beschwerdeführers keinen Niederschlag gefunden habe, sei vielmehr zu schließen, daß die im Zusammenhang mit diesen Zuckereinkäufen erzielten Erlöse ebenfalls nicht buchmäßig erfaßt worden seien. Diese und andere schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers - z.B. seien Grundaufzeichnungen wie Lieferscheine nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zum Teil vernichtet worden - rechtfertigten daher den Schluß, daß sich der Beschwerdeführer nicht nur der Abgabenfestsetzung, sondern auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten werde. Es sei nicht zu erkennen, daß sich das bisher gezeigte steuerunehrliche Verhalten des Beschwerdeführers geändert hätte. Vielmehr versuche er, trotz der vorliegenden Beweise sich weiterhin mit reinen Schutzbehauptungen zu verteidigen. So wolle er seinen Vermögenszuwachs durch die Privatentnahmen und die erzielten Jahresergebnisse gedeckt sehen. Mit den jährlichen Entnahmen von durchschnittlich ca. S 215.000,-- könne zwar der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers gedeckt sein, die Finanzierung der vorgenommenen Gebäudeumbauten finde jedoch darin keine Deckung. Beispielsweise habe der Beschwerdeführer im Jahre 1984 laut Bilanz S 101.895,-- entnommen und je S 36.000,-- an seine Gattin und seine Lebensgefährtin bezahlt. Außerdem hätten außerbücherliche Zuckereinkäufe in der Höhe von S 203.719,-- abgedeckt werden müssen. Auch ohne Ansatz von Lebenshaltungskosten ergebe sich für dieses Jahr also eine Vermögensunterdeckung von ca. S 170.000,--. Der Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers könne vom Finanzamt daher nur durch den raschen Zugriff auf dessen Vermögen begegnet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. § 232 Abs. 2 BAO normiert, daß der Sicherstellungsauftrag unter anderem die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten habe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.
Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch 577 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung) kann von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne der oben zitierten Vorschrift im wesentlichen dann gesprochen werden, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muß, daß nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint. Im Hinblick auf ein mangelfreies Verfahren ist jedoch zu verlangen, daß der von der Behörde gezogene Schluß, auf welchen sich die Erlassung des Sicherstellungsauftrages stützt, entsprechend eindeutig begründet wird und sich die Behörde vor allem mit der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen in ausreichender Weise auseinandersetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1989, Zl. 88/13/0208).
Die belangte Behörde hat die Gründe für die Aufrechterhaltung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Sicherstellungsauftrages in dem durch Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer dokumentierten Verdacht einer Abgabenhinterziehung und den schwerwiegenden Mängeln in den Büchern und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers erblickt. Abgabenhinterziehung und Mängel der Buchführung sind jedoch nicht so geartete Umstände, daß sie allein stets und ohne weitere Bedachtnahme auf die sonstigen Verhältnisse des Einzelfalles die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag erfüllen. In jedem Falle bedarf es hiezu nach dem Wortlaut des Gesetzes auch einer Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen, da die Frage einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben unabhängig vom Verdacht einer Abgabenhinterziehung von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen nicht zu trennen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1982, Zl. 81/13/0182, vom 15. Februar 1983, Zlen. 82/14/0246, 0268, 0269, und vom 11. Mai 1983, Zl. 82/13/0262).
Infolge der unterbliebenen Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist der für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieses Sicherstellungsauftrages maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedüftig. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150131.X00Im RIS seit
04.07.1990Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009