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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1973 §79;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der A-GmbH, der gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. April 1990, Zl. 312.450/1-III-3/90, betreffend Vorschreibung einer Auflage gemäß § 79 GewO 1973, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der vorgelegten Bescheidkopie wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den
22. Bezirk - vom 14. April 1990 in Ansehung der gewerbebehördlich genehmigten gastgewerblichen Betriebsanlage (Cafe-Restaurant) der Beschwerdeführerin gemäß § 79 GewO 1973 als zusätzliche Auflage vorgeschrieben: "Die Betriebszeit ist ausschließlich von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Dieser Auflage ist unverzüglich nach Rechtskraft dieses Bescheides zu entsprechen." Auf Grund einer seitens der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung bestätigte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 4. September 1989 den erstbehördlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß die bekämpfte Vorschreibung zu lauten habe: "Die Betriebsanlage darf nur in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr betrieben werden." Einer auch dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 19. April 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den zweitbehördlichen Bescheid aus seinen im wesentlichen zutreffenden Gründen, die auch durch die Berufungsauführungen nicht hätten entkräftet werden können. Ergänzend wurde zur Begründung ausgeführt, es sei klarzustellen, daß die bekämpfte Auflage zum Schutz der Gesundheit von Nachbarn vorgeschrieben worden sei. In einem solchen Fall sei jedoch die in einem Verfahren gemäß § 79 GewO 1973 zu beachtende Verhältnismäßigkeit jedenfalls gegeben. Das von den Vorinstanzen durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die in der Wohnung des beschwerdeführenden Nachbarn M auftretenden Lärmimmissionen durch die in der Betriebsanlage in Entsprechung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den
22. Bezirk - vom 5. Mai 1988 gesetzten Schallschutzmaßnahmen nicht wesentlich vermindert worden seien. Dies deshalb, da die gesetzten Maßnahmen lediglich dem Schutz vor Luftschall, nicht jedoch vor Trittschall oder Körperschall dienten. Der gewerbetechnische Amtssachverständige des Bundesministeriums habe in seiner gutächtlichen Äußerung vom 15. Februar 1990 die Vorgutachten bestätigt und weiter ausgeführt, daß auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes keine technischen Vorschläge zur sicheren Reduzierung der aus der Betriebsanlage herrührenden Geräuscheinwirkungen gemacht werden könnten. Bereits der beim von der Bundespolizeidirektion Wien am 11. März 1988 durchgeführten Augenschein anwesende medizinische Amtssachverständige habe die auftretenden betriebskausalen Geräusche auf Grund der damit verbundenen Schlafstörung als gesundheitsgefährdend bezeichnet. Diese Einschätzung sei im medizinischen Gutachten vom 21. Juni 1989 "mit hoher Wahrscheinlicheit" bestätigt worden, wobei die Verwendung dieser Formulierung die Beweiskraft dieses Gutachtens nicht abzuschwächen vermöge. In der dem Bundesministerium vorliegenden Berufung seien die Ergebnisse der durchgeführten Lärmmessungen in ihrer sachlichen Richtigkeit nicht bestritten, sondern lediglich mit dem Hinweis darauf zu relativieren versucht worden, daß "die von der Behörde gemessenen Höchstwerte sicherlich nicht täglich erreicht" würden. Damit könne aber die Notwendigkeit der in Rede stehenden Auflagen nicht bestritten werden, da die gemessenen Höchstwerte bei ordnungsgemäßem Betrieb der Betriebsanlage regelmäßig auftreten könnten, und die Vorschreibung von Auflagen der Vermeidung der "nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren" Gefährdung diene (§ 77 Abs. 1 GewO 1973).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zu hg. Zl. 90/04/0178 protokollierte Beschwerde, deren Vorbringen zufolge sich die Beschwerdeführerin "in ihren Rechten zum Betrieb der für die Ausübung des Gast- und Schankgewerbes in der Betriebsart eines Cafe-Restaurants rechtskräftig genehmigten Betreibsanlage in Wien, X-Straße 26, auch über 22.00 Uhr hinaus durch unrichtige Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 in einem grob mangelhaft gebliebenen Verfahren" verletzt erachtet. Mit dieser Beschwerde ist der Antrag verbunden, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wobei zur Begründung ausgeführt wurde, wie die Beschwerdeführerin schon in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verfahren (in allen drei Instanzen) ausgeführt habe, stelle die Beschränkung der Betriebszeit auf die Zeit bis 22.00 Uhr (statt 2.00 Uhr) einen besonders gravierenden Eingriff dar. Es dürfe als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden, daß Cafehäuser schwergewichtig in den Abendstunden ihre Umsätze erzielten, im wesentlichen ab etwa 20.00 Uhr. Der größte Teil des Umsatzes im gegenständlichen Betrieb der Beschwerdeführerin werde in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und Betriebsschluß, also in nur sechs Stunden des Tages erzielt. Bei einer Reduktion der Betriebszeit auf den Zeitraum bis 22.00 Uhr fielen zwei Drittel dieser Zeit weg, sodaß mit einem Umsatzausfall von zumindest der Hälfte des Gesamtumsatzes gerechnet werden müsse, und ein wirtschaftlicher Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage überhaupt unmöglich gemacht werde. Dem stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Nochmals sei in diesem Zusammenhang auf die Befundaufnahme durch die MA 15 vom 8. Juni 1989 hinzuweisen, die ergeben habe, daß das einzige, der Betriebsanlage sicher zuzuordnende Störgeräusch (Gästegespräche) nur mit einiger Aufmerksamkeit wahrgenommen werden könne, sodaß die Annahme, daß die entsprechenden Immissionen zu einer Gesundheitsschädigung eines Nachbarn (M) führen könnten, unbegründet und unmöglich sei, eine solche Gesundheitsschädigung also gar nicht gegeben sein könne und unbedingt zu wahrende Interessen im Sinne des § 79 Abs. 1 (i.V.m. § 74 Abs. 2 Z. 1) GewO 1973 überhaupt nicht beeinträchtigt seien. Demgegenüber würde der bereits geltend gemachte Einkommensverlust schon während der Dauer des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahrens eintreten und daher einen unwiderbringlichen Schaden für die Beschwerdeführerin eintreten lassen, der die Grenze der Existenzgefährdung mit Sicherheit überschreiten werde.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im vorliegenden Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen. Die belangte Behörde erachtet nach der Begründung des angefochtenen Bescheides die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage gemäß § 79 GewO 1973 im Hinblick auf das Erfordernis des Schutzes der Gesundheit von Nachbarn als gegeben. Von dieser Annahme der belangten Behörde, die im vorliegenden Provisorialverfahren auch nicht etwa von vornherein als unzutreffend zu erkennen ist, hat auch der Verwaltungsgerichtshof zunächst auszugehen. Eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn einer Betriebsanlage ist aber unter das nach § 30 Abs. 2 VwGG relevante Tatbestandsmerkmal der zwingenden öffentlichen Interessen zu subsumieren, weshalb die Zuerkennung
der aufschiebenden Wirkung gegen einen Bescheid, mit dem einer solchen Gefahr begegnet werden soll, vom Gesetz verwehrt ist (vgl. hiezu u.a. den hg. Beschluß vom 11. Dezember 1989, Zl. AW 88/04/0072, und die dort zitierte weitere
hg. Rechtsprechung).
Dem Antrag war somit schon aus diesem Grund nicht stattzugeben, wobei nicht mehr zu prüfen war, ob mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist.
Schlagworte
Zwingende öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:AW1990040056.A00Im RIS seit
05.07.1990