TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/6 90/03/0050

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Veröffentlicht am 06.07.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
35/02 Zollgesetz;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art131a;
KFG 1967 §5 Abs3;
KFG 1967 §76 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litc;
VStG §2;
VwGG §34 Abs1;
ZollG 1988 §11 Abs1 litc;
ZollG 1988 §11 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/03/0155 90/03/0156 90/03/0157

Betreff

N gegen Bundespolizeidirektion Salzburg wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg am 19. Dezember 1989,

Spruch

1) Die Beschwerde wird insoweit zurückgewiesen, als der Beschwerdeführer begehrt, folgende drei am 19. Dezember 1989 von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg gegen ihn um

10.55 Uhr am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke begonnenen und im Wachzimmer Lehen fortgesetzten Amtshandlungen, nämlich

a)

die Aufforderung zur Durchführung der Atemluftüberprüfung,

b)

die Verbringung des Beschwerdeführers hiezu über das Ausland (BRD) zum Wachzimmer Lehen und c) die Atemluftmessung selbst, für rechtswidrig zu erklären;

2) Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand und den Einbehalt der Kfz-Schlüssel am Wachzimmer Lehen durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg am 19. Dezember 1989 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.208,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, daß er am 19. Dezember 1989 mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten und bereits "ausfuhrverzollten" Lkw-Zug, nachdem er das Ortsgebiet von Salzburg bereits verlassen und die österreichische Grenzkontrolle bereits passiert gehabt habe, zur Durchführung der Einfuhrverzollung seines Ladegutes in die Bundesrepublik Deutschland am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke gestanden sei und der bayrischen Grenzpolizei bereits Reisepaß und "BRD-Genehmigung" übergeben habe, "als mit einem Streifenwagen der Bundespolizeidirektion Salzburg des Wachzimmer Lehen die Grenzabfertigung des Beschwerdeführers dadurch unterbrochen wurde, als der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, eine Atemluftüberprüfung durchzuführen, er im Streifenwagen wiederum nach Österreich zum Wachzimmer Lehen zurückgebracht wurde, gem. § 76 KFG nach Durchführung einer Atemluftmessung der Führerschein vorläufig abgenommen, die zwangsweise Abstellung des versperrten LKW-Zuges veranlaßt wurde und der Kfz-Schlüssel im Wachzimmer Lehen von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg 'eingezogen' wurde". Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, "nach der Ausreise aus Österreich nicht wiederum zwangsweise durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg mittels Funkstreifenwagen über das Staatsgebiet der BRD außerhalb des Ortsgebietes von Salzburg wiederum nach Salzburg, sohin in das Bundesgebiet zurückgebracht zu werden, nicht hiedurch die Atemluftüberprüfung am Wachzimmer Lehen der Bundespolizeidirektion Salzburg durchführen zu müssen und nicht gemäß § 76 KFG den Führerschein zu verlieren". Sein abschließender Antrag lautet dahingehend, der Gerichtshof möge erkennen, "daß die am 19.12.1989 von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg (Wachzimmer Lehen) gegen den Beschwerdeführer um 10.55 Uhr am Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke begonnene und am Posten des Wachzimmer Lehen fortgesetzte Amtshandlung, nämlich

a) die Aufforderung zur Durchführung der Atemluftüberprüfung;

b) die Verbringung des Beschwerdeführers hiezu über das Ausland (BRD) zum Wachzimmer Lehen;

c)

die Atemluftmessung selbst;

d)

die vorläufige Abnahme des Führerscheines gemäß § 76 KFG, sowie

              e)              die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand und den Einbehalt der Kfz-Schlüssel am Wachzimmer Lehen,

je durch Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg

RECHTSWIDRIG WAR".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Festgehalten wird, daß die Beschwerde, soweit sie sich auf die am 19. Dezember 1989 von einem Beamten der belangten Behörde im Wachzimmer Lehen vorgenommene vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers bezieht, bereits mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1990, Zl. 90/11/0030-4, als unbegründet abgewiesen wurde. Gegenstand des vorliegenden Erkenntnisses sind die übrigen mit der Beschwerde bekämpften Maßnahmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst über die Beschwerde, soweit sie sich gegen die im vorstehend wiedergegebenen Antrag unter den Punkten a), b) und c) angeführten "Maßnahmen" richtet (Zlen. 90/03/0050, 0155, 0156) in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde erweist sich hinsichtlich dieser Maßnahmen als unzulässig.

Gemäß Art. 131a B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person diese Person Beschwerde erheben, wenn sie durch die betreffende Maßnahme in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerdeberechtigung nach dieser Bestimmung ist demnach an die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person geknüpft. Die bloße Aufforderung zur Durchführung der Atemluftüberprüfung stellt - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluß vom 17. Jänner 1990, Zl. 89/03/0311, ausgesprochen hat und auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 und 8 VwGG verwiesen wird - keine Anwendung unmittelbaren Zwanges dar. Was aber die Verbringung des Beschwerdeführers zur Durchführung der Atemluftüberprüfung zum Wachzimmer Lehen und die Atemluftmessung selbst anlangt, ergibt sich weder aus den Beschwerdeausführungen noch aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt dafür, daß die Behördenorgane dabei Zwangsgewalt ausgeübt hätten. Der gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeige ist vielmehr zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer der Aufforderung, sich dem Alkomattest zu unterziehen, freiwillig nachkam. Gegenteiliges wird selbst vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Solcherart sind die unter den Punkten a) bis c) des Beschwerdeantrages angeführten "Maßnahmen" nicht als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art. 131a B-VG zu qualifizieren, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen war.

Über die im übrigen zulässige Beschwerde, soweit sie sich gegen die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand und den Einbehalt der Kfz-Schlüssel am Wachzimmer Lehen richtet (Zl. 90/03/0157), hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 3 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, die sich offenbar in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden (Abs. 1), an der Lenkung oder Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern. Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges u. dgl., anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn bei der Person, gegen die sie angewendet worden sind, der durch Alkohol beeinträchtigte Zustand nicht mehr gegeben und ihr auch nicht ein zum Lenken des betreffenden Fahrzeuges allenfalls nötiger Führerschein nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften abgenommen ist oder wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.

Unbestritten ist, daß dem Beschwerdeführer die Fahrzeugschlüssel im Wachzimmer Lehen und damit nicht nur im Bundesgebiet der Republik Österreich, sondern auch im örtlichen Wirkungsbereich der belangten Behörde (siehe dazu die Verordnung der Bundesregierung vom 7. Dezember 1976, BGBl. Nr. 690) abgenommen wurden. Aber auch der Ort, an dem die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand verfügt wurde, nämlich der Grenzübergang Freilassing/Saalbrücke, befindet sich, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 90/11/0030, ausgeführt hat - auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen -, auf österreichischem Gebiet und ist, da die Staatsgrenze der Republik Österreich in diesem Bereich - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführte - mit der Stadtgrenze von Salzburg ident ist (siehe dazu auch den Plan von Salzburg, 1 : 15.000, Freytag-Berndt und Artaria KG Wien) ebenfalls im örtlichen Wirkungsbereich der belangten Behörde gelegen. Daß sonst die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 StVO nicht vorgelegen seien, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und es besteht dafür auch nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt.

Soweit sich demnach die Beschwerde gegen die zwangsweise Abstellung des Lkw-Zuges im versperrten Zustand und den Einbehalt der Kfz-Schlüssel am Wachzimmer Lehen richtet, erweist sie sich als unbegründet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Dabei war zu berücksichtigen, daß die belangte Behörde hinsichtlich aller mit der Beschwerde bekämpften fünf Maßnahmen nur eine Gegenschrift erstattet und nur einen Verwaltungsakt vorgelegt hat und hinsichtlich der vorläufigen Abnahme des Führerscheines der auf diese Maßnahme entfallende Kostenanteil bereits mit dem Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 90/11/0030, zugesprochen wurde.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990030050.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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