TE Vfgh Beschluss 1987/11/28 G163/87, G164/87, G202/87, G203/87, G204/87

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Veröffentlicht am 28.11.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Ein nachteiliger Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft wäre, was die beabsichtigte Anfechtung von Bestimmungen der StPO und des Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes betrifft, nachteiliger gar nicht möglich, weil eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft strafrechtlilch nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte

Spruch

1. Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe werden abgewiesen.

2. Der Antrag auf Änderung des Art140 B-VG wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit mehreren von Dkfm. P W und Dipl.Ing. W P namens der "ARGE-RECHTSSTAAT-AUSTRIA" an den VfGH gerichteten Eingaben wird die Bewilligung

der Verfahrenshilfe zur Einbringung von "Individualbeschwerde(n) wegen Verfassungswidrigkeit" verschiedener Gesetzesstellen, nämlich des §452 Z7 StPO, des §13 Abs2 und §29 Abs1 des "Gesetzes zur Bestellung von Geschworenen und Schöffen vom 13. Juni 1946" und der §§47 RAO, 63 ff ZPO sowie 41 StPO begehrt.

Mit der zu G163/87 protokollierten Eingabe wird geltend gemacht, §452 StPO verstoße gegen Art6 Z3 litc MRK und Art7 B-VG, da durch diese Bestimmungen die Beigabe eines kostenlosen Verteidigers im bezirksgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werde.

Mit der zu G164/87 protokollierten Eingabe wird die Verfassungswidrigkeit des §13 Abs2 und des §29 Abs1 des "Gesetzes zur Bestellung von Geschworenen und Schöffen" behauptet, weil die Regelungen im Widerspruch zu Art91 B-VG stünden und gleichheitswidrig seien.

Mit der zu G202-204/87 protokollierten Eingabe wird die Verfassungswidrigkeit von §47 RAO, §§63 ff ZPO und §41 StPO behauptet; auch diese Bestimmungen stünden im Widerspruch zu Art7 B-VG und Art6 MRK; damit wird der Antrag verbunden, Art140 B-VG zu ändern.

2. Sämtliche Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erweisen sich als unbegründet:

Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 B-VG ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Derartige Behauptungen bringt die antragstellende "Arbeitsgemeinschaft zur Verbesserung der Rechtsprechung des Rechtsstaates Österreich (ARGE-RECHTSSTAAT-AUSTRIA)" nicht vor. Ein solcher Eingriff wäre, was die beabsichtigte Anfechtung von Bestimmungen der StPO und des Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes betrifft, auch gar nicht möglich, weil eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte; auf dem Boden der vorliegenden Vorbringen erübrigt sich auch sonst zu prüfen, inwieweit überhaupt eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft als Rechtsträger für eine Antragstellung nach Art140 B-VG in Frage kommt (vgl. VfSlg. 2676/1954, 4099/1961, 6845/1972). Nach Inhalt der vorliegenden Eingaben ist vielmehr offenkundig, daß die Bestimmungen, deren Anfechtung die antragstellende Gesellschaft bürgerlichen Rechts anstrebt, nicht nachteilig in ihre Rechtssphäre eingreifen, daß vielmehr abstrakte Überlegungen zum Anlaß der Eingaben genommen werden.

Die beabsichtigten Individualanträge sind somit aussichtslos (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe waren daher in nichtöffentlicher Sitzung (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG) abzuweisen (vgl. VfGH 4.3.1987 B17/87).

3. Was den Antrag auf Änderung des Art140 B-VG betrifft, genügt es darauf zu verweisen, daß dem VfGH hiezu die Befugnis fehlt.

Die Eingabe war daher auch insoferne gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G163.1987

Dokumentnummer

JFT_10128872_87G00163_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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