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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Tiroler Landesregierung vom 22. Februar 1990, Zl. IIb2-V-7978/4-1990, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin wegen der Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil sie 1. am 10. September 1989 um 0.35 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW von der "Albrecht-Ausfahrt" in die Reither-Spitzstraße in Seefeld bis zu ihrer Wohnung in Seefeld, Kalkkögelweg 363, gelenkt habe, obwohl sie sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, und 2. am 10. September 1989 um 7.50 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand "auf dem Kalkkögelweg, Bahnhofsquerstraße, Andreas-Hofer-Straße, Münchner Straße in Seefeld bis Haus Nr. 300" gelenkt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß "beide Fakten des Straferkenntnisses" weder bezüglich der Tatzeit noch des Tatortes dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG 1950 entsprächen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten:
§ 44a lit. a VStG 1950 bestimmt, daß der "Spruch" (§ 44 Abs. 1 Z. 6 leg. cit.), wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, daß jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit. a VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswdirig erscheinen läßt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11894/A).
Bei einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 bedarf es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin weder der Angabe der genauen "Fahrlinie" des Bestraften noch der Zeitpunkte des Beginnes und des Endes der Fahrt, weil die Erfordernisse der Konkretisierung von Tatzeit und Tatort nicht isoliert, sondern in Verbindung zueinander zu betrachten sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1988, Zl. 87/03/0222). Dabei kommt es hinsichtlich der Tatzeit auch nicht auf die exakte Angabe der jeweiligen Minute an (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 1989, Zl. 88/03/0115, betreffend eine Tatzeitangabe von "gegen 0.15 Uhr"). Solcherart kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die Beschwerdeführerin durch die im vorliegenden Fall gewählten Tatumschreibungen unter Bedachtnahme auf ihre Verteidigung dienende Beweismittel Zweifel daran haben könnte, wofür sie bestraft wurde, und befürchten müßte, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Angaben der jeweiligen Tatzeiten stoßen gleichfalls auf keine Bedenken, mögen sich auch aus der Anzeige geringfügige Divergenzen im Bereich von höchstens einigen Minuten ableiten lassen.
Die belangte Behörde ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß die Beschwerdeführerin dem im Berufungsverfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten, demzufolge sie sich bei der Durchführung der gegenständlichen Fahrten in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, nicht entgegengetreten sei. Diese Annahme ist durch die Aktenlage nicht gedeckt: Die Beschwerdeführerin wies in ihrer nach Kenntnisnahme des Gutachtens abgegebenen Stellungnahme vom 12. Februar 1990 darauf hin, daß der erste Arzt, dem sie zur Blutabnahme vorgeführt worden sei, dreimal (vergeblich) versucht habe, eine Blutabnahme durchzuführen. Durch die von ihm verwendeten alkoholhältigen Desinfektionsmittel, die an der selben Stelle aufgetragen worden seien, an der der zweite Arzt dann die Blutabnahme vorgenommen habe, sei eine Verfälschung des Blutalkoholwertes eingetreten. Darüberhinaus habe sie nach dem "1. Vorfall" zu Hause Alkohol zu sich genommen. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde ebensowenig auseinandergesetzt wie mit der im Strafverfahren aufgestellten Behauptung der Beschwerdeführerin, daß der festgestellte Blutalkoholwert - auch - auf zuvor von ihr eingenommene bestimmte Medikamente zurückzuführen sei.
Diese Begründungsmängel belasten den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. etwa zur Frage einer möglichen Resorption von Alkohol durch die Haut das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1988, Zl. 85/18/0100). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages Tatbild Verfahrensrecht VerfahrensmängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990030110.X00Im RIS seit
12.06.2001