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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/16/0060Betreff
HC gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1) 14. Feber 1990, GZ. GA 14-1/C-97/1/2/89, und
2)
vom 15. Feber 1990, GZ. GA 14-1/C-97/1/1/90, betreffend ad
1)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung, ad 2) Zurückweisung einer Berufung
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens war über den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 4. August 1989 wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG in teilweiser Tateinheit mit dem Finanzvergehen der Monopolhehlerei gemäß § 46 Abs. 1 lit. a FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von 45.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 45 Tage) verhängt worden.
Dieses Erkenntnis war nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens durch Hinterlegung gemäß § 17 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG) beim zuständigen Postamt 1024 mit "Beginn der Abholfrist 21.9.89" zugestellt worden.
Die dagegen vom Beschwerdeführer erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist am 24. Oktober 1989 zur Post gegebene Berufung war vom Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 3. November 1989 gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen worden.
Mit Schriftsatz vom 17. November 1989 beantragte der Beschwerdeführer beim Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen das obzitierte Straferkenntnis und erhob gegen den Zurückweisungsbescheid vom 3. November 1989 ein als "Berufung" bezeichnetes Rechtsmittel. Zur Begründung führte er aus, die Unkenntnis der Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustG, wonach im Falle einer Zustellung durch Hinterlegung die Frist bereits mit der postamtlichen Hinterlegung und nicht erst mit der Übernahme des Schriftstückes (wie bei Empfangnahme vom Postzusteller) zu laufen beginne sowie die ihm im Straferkenntnis unvollständig erteilte Rechtsmittelbelehrung seien als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO (richtig wohl: § 167 Abs. 1 FinStrG) anzusehen.
Das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz wies mit seinem Bescheid vom 4. Dezember 1989 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, daß die im Wiedereinsetzungsantrag genannten Umstände keine Wiedereinsetzungsgründe darstellten und darüberhinaus dem Beschwerdeführer mangels Erkundigung bei einem Rechtskundigen jedenfalls (richtig wohl: keine) leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB anzulasten sei.
Die belangte Behörde gab mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Beschwerdeentscheidung vom 14. Feber 1990 der vom Beschwerdeführer gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages erhobenen "Berufung", in der er im wesentlichen die schon im Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachten Argumente wiederholte, keine Folge, weil ein Rechtsirrtum für sich allein nicht schon als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten sei. Im übrigen sei dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß er gerade im (besonderen) Fall der Zustellung durch Hinterlegung, dem unübersehbaren Hinweis auf der schriftlichen Verständigung "Beginn der Abholfrist am 21. September 1989" eine höhere Aufmerksamkeit hätte zuwenden müssen. Daß er diesen Hinweis unbeachtet ließ und sich vor allem nicht nach dessen inhaltlicher Bedeutung erkundigt habe, sei unentschuldbar. Daß mit diesem Tage die Monatsfrist des Rechtsmittels zu laufen beginnen müsse, sei nämlich für jedermann leicht einsehbar, sonst würde es im Belieben des Adressaten stehen, die Abholung des Zustellstückes beliebig hinauszuschieben und damit eintretende Rechtsfolgen willkürlich zu verzögern.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Zweitbescheid vom 15. Feber 1990 wurde die vom Beschwerdeführer als "Berufung" bezeichnete Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 3. November 1989 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens ausgeführt, zutreffend sei, daß die Rechtsmittelbelehrung im Straferkenntnis keinen Hinweis enthalte, daß im Falle einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten. Eine Rechtsmittelbelehrung könne - zum Unterschied von einer Rechtsbelehrung - ihrem Wesen nach nicht eine erschöpfende Zusammenfassung des Verfahrensrechtes mit allen Rechten und Pflichten der Betroffenen enthalten. Ihre Aufgabe sei nur eine gedrängte Darstellung der für den Betroffenen unmittelbar bedeutsamen Fristen und Verfahrenshandlungen. Der Inhalt und Umfang der Rechtsmittelbelehrung sei im übrigen durch die Bestimmungen des § 93 Abs. 3 BAO bzw. § 150 FinStrG fest umrissen. Es sei daher der Finanzstrafbehörde zweiter Rechtsstufe verwehrt, darin, daß die Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustG nicht in der Rechtsmittelbelehrung zitiert sei, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes und eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erblicken.
Gegen die beiden Rechtsmittelentscheidungen vom 14. und 15. Feber 1990 richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem Vorbringen in dem Recht auf Bekämpfung des gegen ihn erlassenen Straferkenntnisses verletzt. Er beantragt, die beiden genannten Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
1) ZUR BESCHWERDE GEGEN DEN BESCHEID VOM 14. FEBER 1990:
Gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist gemäß § 17 Abs. 1 ZustG das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Nach der Anordnung des Abs. 2 der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist von der Hinterlegung der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Daß dem Beschwerdeführer ein derartiger "Hinweis" auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen ("Wirkung") der Hinterlegung, dessen Fehlen zur Unwirksamkeit der Hinterlegung führen würde, nicht zugekommen sei, hat er im Administrativverfahren nicht vorgetragen. Wurde er aber darauf hingewiesen, daß hinterlegte Sendungen gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG als mit dem ersten Tag, der mit mindestens zwei Wochen zu bemessenden Abholfrist als zugestellt gelten, d. h. daß alle Rechtswirkungen eintreten, die durch das Gesetz an die Zustellung geknüpft sind, so vermag der Beschwerdeführer eine "unvollständige Belehrung" durch die - im übrigen dem Gesetz entsprechende - Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses nicht für sich ins Treffen zu führen.
Solcherart vermag sich der Beschwerdeführer nicht einmal auf die Unkenntnis des Gesetzes, mit der sich übrigens nach § 2 ABGB niemand entschuldigen und die daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtens auch nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 167 Abs. 1 FinStrG qualifiziert werden kann (so die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1980, Zlen. 2508, 2600, 2819/80, vom 30. April 1985, Zl. 85/05/0057, und vom 26. Juni 1985, Zlen. 84/11/0284, 85/11/0103 und 0104), berufen.
Aber auch hinsichtlich der Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei Beachtung der ihm vom Gesetze eingeräumten einmonatigen Berufungsfrist auffallend sorglos gehandelt, ist der erstangefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum.
Seit der Neufassung des § 167 Abs. 1 letzter Satz FinStrG durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 312, hindert zwar nicht mehr jede Form von Verschulden die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Unschädlich ist aber nur ein minderer Grad des Versehens. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber jedoch, wenn er die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1989, Zl. 89/16/0093, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).
Das Nichtbeachten des zu seinem Rechtsschutz in der Verständigung des Zustellers (Formular 1 zu § 17 Abs. 2 ZustG, St.Dr. Lager-Nr. 1303) enthaltenen Hinweises auf die Rechtswirkungen, welche die Hinterlegung auslöst, kann nicht mehr bloß als minderer Grad des Versehens beurteilt werden.
2) ZUR BESCHWERDE GEGEN DEN ZWEITANGEFOCHTENEN BESCHEID VOM
15. FEBER 1990:
Nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens unerlief bei der Zustellung des Straferkenntnisses des Hauptzollamtes Wien vom 4. August 1989 kein Fehler.
Bereits die zu 1) gemachten Ausführungen zeigen, daß die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Administrativbeschwerde wegen der unbestrittenermaßen erfolgten Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG zu Recht als verspätet zurückgewiesen wurde. Bei diesem Ergebnis kann auch der Beschwerde, die sich gegen den diese Zurückweisung bestätigenden zweitangefochtenen Becheid vom 15. Feber 1990 richtet, rechtens kein Erfolg beschieden sein.
Die beiden angefochtenen Bescheide lassen keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990160059.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
24.07.2012