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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Individualantrag auf Aufhebung einiger Wortteile in §1 Z10 und 15 der auf §2 Abs4 BundesbahnG gestützten TarifV, BGBl. 698/1986; ausschließlicher Normadressat des §2 Abs4 BundesbahnG ist der Wirtschaftskörper ÖBB - Normadressat des §1 der TarifV ist nur der Wirtschaftskörper ÖBB; kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller, sondern nur in deren wirtschaftliche Interessen; Mangel der AntragslegitimationSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In den im wesentlichen gleichlautenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Anträgen erachten sich die Antragsteller - allesamt Schwerzivilbeschädigte - durch §1 Z10 und Z15 der V der Bundesregierung vom 14. Oktober 1986, BGBl. Nr. 698, über gemeinwirtschaftliche Leistungen der Österreichischen Bundesbahnen durch Tarifermäßigungen, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht gerechtfertigt sind (Tarifverordnung) insoweit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) verletzt, als diese Bestimmungen der Tarifverordnung sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen einerseits zwischen Kriegs- und Zivilinvaliden und anderseits innerhalb der Gruppe der Zivilinvaliden zwischen Blinden und Schwerinvaliden, die nicht blind sind, träfen und sie daher unsachlich benachteiligt wären. Nach - zum Teil sehr eingehenden - Rechtsausführungen beantragen die Antragsteller, im §1 Z10 und Z15 der Tarifverordnung im Wort "Schwerkriegsbeschädigte" den Wortteil "kriegs" und im Wort "Zivilblinde" den Wortteil "Zivil" wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz kostenpflichtig aufzuheben. Die zu V 37, 38, 50, 51, 55, 65 und 72/87 protokollierten Individualanträge stellen zudem hilfsweise den Antrag, §1 der Tarifverordnung zur Gänze aufzuheben.
2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung und beantragte, die Anträge mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985).
2.a) §1 der Tarifverordnung lautet (die angefochtenen Wortteile sind hervorgehoben):
"Die Österreichischen Bundesbahnen haben im Schienenverkehr bei der Beförderung von Personen und Reisegepäck die folgenden, aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht gerechtfertigten Tarifermäßigungen einzuräumen. Die sich aus der Differenz zwischen den einzuräumenden und den betriebswirtschaftlich vertretbaren Fahrpreisen ergebenden Einnahmenausfälle, deren voraussichtliche Höhe nachstehend angeführt wird, sind den gemeinwirtschaftlichen Leistungen zuzurechnen.
Tarifermäßigung
durchschnittli- voraussichtli-
ches Ermäßigungs- cher Einnah-
ausmaß gegenüber menausfall in
den vollen Fahr- Millionen
preisen in Schilling
%
1. Wochenstreckenkarte ...... 83,1-85,7 418,8
2. Monatsstreckenkarte und
Schülermonatskarte ....... 85,5-89,4 1207,6
3. Lehrlingsmonatsstrecken-
karte .................... 93,7-94,7 187,2
4. Lehrlingswochenstrecken-
karte im Verkehrsverbund
Ost-Region ................ 92,6 12,4
5. Jahreskarte im Verkehrs-
verbund Ost-Region ....... 87,3 161,9
6. Jahreskarte für Lehrlinge
im Verkehrsverbund
Ost-Region ............... 94,7 2,8
7. Halbpreisermäßigung für
Lehrlinge ................ 50 226,4
8. Halbpreisermäßigung für
Hochschüler und Schüler... 50 380,8
9. Schülerfreifahrt (soweit
sie nicht vom Familienlasten-
ausgleichsfonds bedeckt
wird) .................... 85,5-87,4 623,9
10. Halbpreisermäßigung für
Schwerkriegsbeschädigte
und Zivilblinde.......... 50 36,5
11. Jugendgruppen ........... 50 40,2
12. Halbpreisermäßigung für
Einwohner des Außerfern.. 50 0,9
13. Familienermäßigung ...... 50 50,6
14. Seniorenermäßigung ...... 50 204,7
15. Reisegepäck für Senioren,
Schwerkriegsbeschädigte
Zivilblinde............... 50 3,4
16. zeitlich begrenzte Er-
mäßigungen im Rahmen der
Ersatzverkehrsleistungen
nach einer dauernden Ver-
kehrseinstellung ......... 0,9
Summe: 3 559,0"
b) Die angefochtene Tarifverordnung stützt sich auf §2
Abs4 des Bundesbahngesetzes, BGBl. 137/1969, zuletzt geändert
mit BG BGBl. 151/1984 (im folgenden BundesbahnG). §2
BundesbahnG lautet - in dem hier maßgeblichen Zusammenhang
auszugsweise:
"(1).....
(2)......
(3) Gemeinwirtschaftliche Leistungen im Sinne dieses BG sind solche, die der Aufgabenstellung des Abs1
entsprechen, deren Bereitstellung oder weitere Erbringung auf dem Schienenverkehrswege im öffentlichen Interesse, insbesondere auf dem Gebiet der Verkehrs-, der Wirtschafts-, Agrar- und Forstpolitik, der Finanz- und Wehrpolitik, der Raumordnungs- und Bevölkerungspolitik, der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie der Umweltschutzpolitik, geboten erscheint, die jedoch von den Österreichischen Bundesbahnen unter Bedachtnahme auf die Grundsätze einer kaufmännischen Betriebsführung nicht erbracht werden könnten. Dazu zählt auch die Bereithaltung des Schienenverkehrsweges.
(4) Die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen ist den Österreichischen Bundesbahnen mit V der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates zu übertragen. In der V sind Art, Umfang und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Leistung festzulegen.
(5)......
(6)......
(7)......"
3.a) Wie die Bundesregierung richtig erkennt, enthält §2 Abs4 BundesbahnG eine Verordnungsermächtigung, derzufolge die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates dem Wirtschaftskörper Österreichische Bundesbahnen die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen zu übertragen hat, die von den Österreichischen Bundesbahnen unter Bedachtnahme auf die Grundsätze einer kaufmännischen Betriebsführung nicht erbracht werden könnten (§2 Abs3 leg.cit.). Ausschließlicher Normadressat des §2 Abs4 BundesbahnG ist der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesbahnen. Der angefochtene §1 der Tarifverordnung normiert daher lediglich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bund und dem Wirtschaftskörper Österreichische Bundesbahnen als einem Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes auf die Weise, daß die Österreichischen Bundesbahnen im Schienenverkehr bei der Beförderung von Personen und Reisegepäck im einzelnen näher festgelegte, aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht gerechtfertigte Tarifermäßigungen einzuräumen haben, und daß die sich aus der Differenz zwischen den einzuräumenden und den betriebswirtschaftlich vertretbaren Fahrpreisen ergebenden Einnahmenausfälle, deren voraussichtliche Höhe ebenfalls in der Tarifverordnung angeführt wird, den gemeinwirtschaftlichen Leistungen zuzurechnen sind.
b) Normadressat des §1 der Tarifverordnung ist nur der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesbahnen. Die in Rede stehende Bestimmung berührt also die Antragsteller nicht in ihrer Rechtssphäre, sondern in ihren wirtschaftlichen Interessen (vgl. VfSlg. 9221/1981, 10502/1985, 11084/1986). Da die Rechtssphäre der Antragsteller durch die angefochtene Tarifverordnung nicht berührt wird, fehlt ihnen bereits aus diesen Gründen die Antragslegitimation (s. II.1.). Die Anträge waren daher zurückzuweisen.
4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, BundesbahnenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:V37.1987Dokumentnummer
JFT_10128872_87V00037_00