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yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnenNorm
BewG 1955 §10 Abs2;Betreff
A-AG gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. März 1989, Zl. GA 11-1854/88, betreffend Gesellschaftsteuer:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß die beschwerdeführende Aktiengesellschaft (A-AG) im Jahre 1986 alle eigenen Aktien zu einem Kurs von S 1.400,-- veräußert hatte. Für diese Aktien konnte zum Teil ein Erwerb zum Börsenkurswert nachgewiesen werden. Ein Aktienpaket im Nominale von S 3,027.600,-- hatte die Beschwerdeführerin jedoch im Jahre 1979 von einem Konzernbetrieb zu einem Kurs von S 479,-- für S 100,-- Nominale erworben. Der damalige Börsenkurs betrug S 579,--.
Dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid liegt der Standpunkt zu Grunde, daß der Konzernbetrieb (Gesellschafter) im Jahre 1979 das Aktienpaket im Nominale von S 3,027.000,-- im Sinne des § 2 Z. 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) zu einer seinen Wert - den Börsenkurswert - nicht erreichenden Gegenleistung überlassen habe und damit die spätere Veräußerung des Aktienpaketes diesen Tatbestand verwirklicht hätte. Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei der Beschwerdeführerin zwar beizupflichten, daß das Schrifttum § 2 Z. 4 KVG als Ergänzungs-, Ersatz- oder Nebentatbestand des § 2 Z. 3 KVG bezeichne und in ihm einen Sonderfall einer freiwilligen Gesellschafterleistung erblicke. Hieraus sei jedoch nicht abzuleiten, daß im Fall der Verwirklichung des § 2 Z. 4 KVG jeweils zu prüfen wäre, ob vom Gesellschafter konkret ein Vorteil eingeräumt werde, den ein Dritter nicht gewährt hätte. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber diesen besonderen Fall einer möglichen freiwilligen Gesellschafterleistung offensichtlich zu dem Zweck der leichteren Vollziehung des Gesetzes in einen eigenen Steuertatbestand gegossen habe, bei dessen Verwirklichung die Einräumung eines konkreten Vorteiles durch den Gesellschafter von Gesetzes wegen als gegeben anzunehmen sei. Die Frage der Auslegung des § 2 Z. 4 KVG reduziere sich im Beschwerdefall sohin darauf, was unter "Wert der Gesellschaftsrechte" zu verstehen sei. Die belangte Behörde meine nun, daß der Begriff "Wert der Gesellschaftsrechte", auch wenn er nur indirekt als Besteuerungsmaßstab in Betracht komme, dennoch aus den Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes zu entnehmen sei. Gemäß § 13 BewG 1955 seien Wertpapiere, die im Inland einen Kurswert hätten, mit diesem Kurswert anzusetzen. Diese Auffassung vertrete auch Huemer in seinem Kommentar zur Gesellschaftsteuer auf Seite 22. Egly spreche in seinem Gesellschaftsteuerkommentar davon, daß der zitierte Tatbestand (nur) verwirklicht sei, wenn die Gesellschaftsrechte nicht zu ihrem vollen Wert (z.B. unentgeltlich ODER UNTER KURS) erworben worden seien (Hinweis auf die zweite Auflage, Seite 219 zu § 8 Nr. 3). Hiebei falle auf, daß Egly diese Meinung nicht bei der Kommentierung des Steuertatbestandes vertrete, sondern bei der Kommentierung des Steuermaßstabes, was auch für die Auslegung der beiden Normen nach einheitlichen Wertbegriffen spreche.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 KVG bestimmt, was "GEGENSTAND DER GESELLSCHAFTSTEUER" ist, was "der Gesellschaftsteuer unterliegt". Nach Z. 4 der Gesetzesstelle unterliegt der Gesellschaftsteuer auch die Veräußerung eigener Gesellschaftsrechte durch eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn ihr die Gesellschaftsrechte unentgeltlich oder zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen worden sind.
§ 8 KVG legt den "STEUERMAßSTAB" fest. Gemäß Z. 3 dieser Gesetzesstelle wird die Steuer bei der Veräußerung von eigenen Gesellschaftsrechten (§ 2 Z. 4) von dem bei der Veräußerung erzielten Preis abzüglich des Entgelts, das die Gesellschaft für den Erwerb der Rechte entrichtet hatte, berechnet.
Der Gesetzgeber unterscheidet somit (auch) bei der Veräußerung eigener Gesellschaftsrechte durch eine inländische Kapitalgesellschaft deutlich zwischen der Verwirklichung des gesellschaftsteuerpflichtigen Tatbestandes und dem auf den verwirklichten Tatbestand anzuwendenden "Steuermaßstab". Bezüglich des Tatbestandes des § 2 Z. 4 KVG sind die Begründung des Gesetzes und das Schrifttum einhellig der Auffassung, daß dieser Tatbestand lediglich den Sonderfall einer freiwilligen Leistung eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Z. 3 KVG darstellt (vgl. die Begründung zum KVG, RStBl 1934, S 1464, Huemer, a.a.O., Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz3, Seite 39, 49 und 90, derselbe, Kapitalverkehrsteuergesetz4, Seite 43, Kinnebrock-Meulenberg, Kapitalverkehrsteuergesetz5, Seite 102, und Egly-Klenk, Gesellschaftsteuerkommentar4, Seite 125), und zwar den Sonderfall einer Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung im Sinne des § 2 Z. 3 lit. b KVG (siehe neben dem schon zitierten Schrifttum auch Brönner-Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz3, Seite 59). Die Tatbestände des § 2 Z. 3 und 4 KVG sind grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, daß der Gesellschafter der Gesellschaft mit seiner freiwilligen Leistung einen Vorteil einräumt, nach Z. 4 eben mit der unentgeltlichen oder "verbilligten" Überlassung eigener Gesellschaftsrechte an die Gesellschaft. Die Vorteilsgewährung löst allerdings nicht schon (wie es Z. 3 lit. b entspräche) mit der Überlassung des Gesellschaftsanteiles, sondern erst mit dessen Veräußerung durch die Gesellschaft die Gesellschaftsteuerpflicht aus (Huemer, a.a.O., Seite 21 f, Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz3, a.a.O., und Egly-Klenk, a.a.O.).
§ 2 Z. 4 KVG unterstellt der Steuer die Vorteilsgewährung auf Grund objektiver Tatbestandselemente, nämlich der Überlassung der Gesellschaftsrechte an die Gesellschaft ohne Gegenleistung (unentgeltlich) oder zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung. Entsprechend dem auf Erfassung einer Vorteilsgewährung durch den Gesellschafter an die Gesellschaft abzielenden normativen Gehalt des § 2 Z. 4 KVG stellt sich bei Prüfung des Tatbestandselementes, daß Gesellschaftsrechte zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen wurden, die Frage, welche Gegenleistung an jemanden, der der Gesellschaft keinen Vorteil einräumen würde, für die Überlassung der Gesellschaftsrechte zu erbringen gewesen wären. Es ist dies aber keine Frage der (allenfalls für den "Steuermaßstab" bedeutsamen) steuerlichen Bewertung der Gesellschaftsrechte; es geht vielmehr schlicht um das Problem, was die Gesellschaft für die Überlassung der Gesellschaftsanteile im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu leisten gehabt hätte. Es handelt sich also nicht um den Vergleich mit einem steuerlichen Wert der Gesellschaftsrechte, sondern um den Vergleich mit dem allgemeinen Verkehrswert, dies auch aus der Überlegung, daß im täglichen Leben nicht die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften die grundlegende Wertvorstellung der Vertragspartner über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussen (vgl. Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz2, Seite 52).
Für den Verkehrswert im Sinne der vorstehenden Ausführungen kann jedoch der Umfang der erworbenen Gesellschaftsrechte durchaus eine Rolle spielen. Im Falle einer entsprechend hohen, qualifizierten Mehrheit nimmt sogar der Gesetzgeber auf diesen Umstand bedacht ("Paketzuschlag" gemäß § 13 Abs. 3 BewG 1955) und weicht damit von dem für ihn bei der Bewertung von Wertpapieren und Anteilen in erster Linie maßgebenden Kurswert - wenn auch nach oben - ab. Es können aber auch Verhältnisse vorliegen, die bei einem zwar umfangreichen, gesellschaftsrechtlich (mehrheitsmäßig) aber nicht qualifizierten "Aktienpaket" auf einen Verkehrswert hinweisen, der unter dem von der belangten Behörde für maßgeblich erachteten Kurswert liegt. Solche Verhältnisse hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren für den Beschwerdefall durchaus schlüssig aufgezeigt. Sie brachte in der Berufung vor, daß ein Aktienpaket der A-AG in der Größenordnung von mehr als 3 Mio S Nominale (Kurswert 1979 14,5 Mio S) an der Börse auf Grund des üblichen geringen Umfanges der Handelsaktivitäten nicht zum Kurswert abgesetzt werden könne. Dies habe auch Rechtsanwalt Dr. S in seinem (der Berufung auszugsweise beigelegten) Schreiben vom 18. Juli 1979 festgestellt, da nach von ihm eingeholten Informationen das Anbot des Aktienpaketes zu einem katastrophalen Kursverfall der A-Aktien geführt hätte. Zweck dieser Untersuchung sei es nämlich gewesen, zu prüfen, ob der Vorstand der A-AG beim Erwerb der eigenen Aktien gesetzmäßig handelte, da dies nach § 65 des Aktiengesetzes 1965 nur zur Abwendung eines schweren Schadens zulässig sei. Daß der Börsenkurs für ein Aktienpaket der gegenständlichen Größenordnung nicht den handelsüblichen Wert darstelle, zeige sich auch an dem Veräußerungsgeschäft im Jahre 1986. Die A-AG habe damals bei einem Börsenkurs von S 1.610,-- einen Abschlag von rund 13 % vom Kurswert hinnehmen müssen. Anzunehmen, daß dennoch der Börsenkurs erlösbar gewesen wäre, hieße, dem Vorstand der A-AG ein pflichtwidriges Verhalten zu unterstellen. Wirtschaftlich erkläre sich der Abschlag als Verzinsung für die nicht sofort mögliche Realisierung zum Börsenkurs.
Im auszugsweise vorgelegten Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. S verwies dieser auf die Folgen, die sich zwangsläufig ergeben müßten, wenn ein Aktienpaket in der Größenordnung von mehr als 3 Mio Schilling Nominale auf den Markt geworfen werde; bei dem (damals) geringen Umfang börsenmäßiger Transaktionen am Wiener Wertpapiermarkt würde dies - wie Erkundigungen des Dr. S an der Börse bestätigt hätten - einen katastrophalen Kursverfall der A-Aktien auslösen, gleichzeitig aber Ruf und Kredit der A-AG empfindlich schädigen. Diese Folgen würde naturgemäß auch jeder außenstehende Interessent für das Aktienpaket zu seinen Gunsten ausnützen, sodaß aller Voraussicht nach eine Veräußerung der Aktien nur weit unter ihrem derzeitigen "Buchwert" möglich wäre.
Daß bei der Veräußerung im Jahre 1986 ein Abschlag vom Kurswert hingenommen werden mußte, gaben der Prüfer in seiner Stellungnahme vom 8. Juli 1988 und das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung unwidersprochen als Tatsache wieder.
Zum angefochtenen Bescheid und zur Gegenschrift sei noch folgendes bemerkt:
Im Regelfall wird es zutreffen, daß der Kurswert von Aktien ihrem Verkehrswert entspricht. Aus der Sicht des Regelfalles ist auch den auf die Kurswerte abgestellten Beispielen bei Huemer, a.a.O., Seite 22, und dessen Aussage zuzustimmen, daß der Wert bei börsenmäßig notierten Gesellschaftsrechten gleich dem Börsenkurs ist; gleiches gilt für die im angefochtenen Bescheid zitierten Ausführungen von Egly. In besonderen Fällen kann der "Wert" des § 2 Z. 4 KVG (Verkehrswert) aber vom Kurswert abweichen (siehe auch das von der Beschwerdeführerin zitierte Beispiel bei Brönner-Kamprad, a.a.O., Seite 62). Es ist dann allerdings Sache des Steuerpflichtigen, die Gründe für ein solches Abweichen vom Kurswert konkret darzutun. Im Beschwerdefall ist dies geschehen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin nicht persönliche Verhältnisse im Sinne des § 10 Abs. 2 BewG 1955 ins Treffen geführt, sondern den Verkehrswert bestimmende objektive Faktoren für jene Gesellschaftsanteile aufgezeigt, deren Erwerb und Veräußerung die Gesellschaftsteuerpflicht auslösen soll, wobei nicht zu übersehen ist, daß der Gesetzgeber selbst derartigen Faktoren Gewicht beigemessen hat (siehe nochmals § 13 Abs. 3 BewG 1955).
Der Beschwerde, der ähnliche Überlegungen zu Grunde liegen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in den vorstehenden Ausführungen angestellt hat, kommt somit Berechtigung zu. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung. Für die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entbehrliche Replik war jedoch kein Aufwandersatz zuzuerkennen; der Schriftsatzaufwand ist zudem mit dem in der Verordnung pauschalierten Aufwandersatz zur Gänze abgegolten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150062.X00Im RIS seit
14.01.2002