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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
AVG §37 Abs4;Betreff
N gegen Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht bezüglich der Berufung gegen den Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Juli 1986, MA 4/4-M 76/86, gemäß § 42 Abs. 5 letzter Satz VwGG:
Spruch
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien dahingehend abgeändert, daß die Beschwerdeführerin für folgende Beträge haftet:
LOHNSUMMENSTEUER für September und Oktober 1985 S 14.279,--
Säumniszuschlag S 586,--
DIENSTGEBERABGABE für September und Oktober 1985 S 3.000,--
Säumniszuschlag für September und Oktober 1985 S 60,--
Säumniszuschlag für Juli 1985 S 24,--
Säumniszuschlag für August 1985 S 27,--
Haftungsbetrag insgesamt S 17.976,--.
Im übrigen wird der Berufung nicht stattgegeben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 25. Juli 1986 zog der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerdeführerin gemäß § 7 und § 54 der Wiener Abgabenordnung (WAO) für einen Rückstand (aushaftende Abgabenschuldigkeiten) der M-GmbH (im folgenden nur noch "GmbH" genannt) von insgesamt S 34.659,-- zur Haftung heran. Der Rückstand war wie folgt aufgegliedert:
LOHNSUMMENSTEUER für August bis Oktober 1985 S 29.279,--
Säumniszuschlag S 586,--
S 29.865,--
DIENSTGEBERABGABE für September, Oktober und
Dezember 1985 S 4.650,--
Säumniszuschlag hiefür S 93,--
Säumniszuschlag für Juli 1985 S 24,--
Säumniszuschlag für August 1985 S 27,--
S 4.794,--.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie sich gegen ihre Heranziehung zur Haftung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach wandte.
Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie wäre ab Mitte November 1985 nicht mehr Geschäftsführerin der GmbH gewesen, trug der Magistrat der Stadt Wien mit Berufungsvorentscheidung Rechnung und verminderte den Haftungsbetrag um die auf Dezember 1985 entfallende Dienstgeberabgabe (S 1.650,--).
Die Beschwerdeführerin beharrte jedoch darauf, für die Abgaben der GmbH überhaupt nicht zu haften, und beantragte am 14. September 1987 (Einlangen bei der Behörde) die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die Magistratsdirektion der Stadt Wien, Rechtsmittelbüro, nahm Einsicht in den die GmbH betreffenden Handelsregisterakt und fertigte aus diesem für ihre Verwaltungsakten Ablichtungen an. Zu den auf diese Weise gewonnenen Aktenunterlagen gewährte die Behörde der Beschwerdeführerin (ihrem Vertreter) Akteneinsicht. Nach Einsichtnahme gab die Beschwerdeführerin gegenüber der Magistratsdirektion die Stellungnahme vom 2. März 1988 ab.
Nach Rückfrage bei jenem Rechtsanwalt, der in dem 1986 eröffneten Konkurs über das Vermögen der GmbH als Masseverwalter bestellt worden war, teilte die Magistratsdirektion, Rechtsmittelbüro, der Beschwerdeführerin mit, daß die Haftungsbeträge noch aufrecht seien und daß die Ermittlung der Haftungsbeträge auf von der Tochter der Beschwerdeführerin (Dienstnehmerin der GmbH) unterfertigten Abgabenerklärungen beruhe. Dennoch bestehende Unklarheiten wären zu konkretisieren. Eine solche Konkretisierung unterblieb nach der Aktenlage.
2. Am 25. April 1989 erhob die Beschwerdeführerin gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien (belangte Behörde) Säumnisbeschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein und verlängerte in der Folge die Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides um drei Monate. Die belangte Behörde holte den versäumten Bescheid jedoch auch innerhalb der verlängerten Frist nicht nach, womit der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Säumnisbeschwerde zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin zuständig ist. Die Bescheidnachholung unterblieb, weil der belangten Behörde mangels Abschluß des Konkursverfahrens der endgültige Steuerausfall bei der GmbH noch nicht bekannt war. Die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
In Erledigung vom 15. Februar 1990 ersuchte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin unter anderem darum, bezüglich der im Verwaltungsverfahren namhaft gemachten Zeugen die genauen Beweisthemen bekanntzugeben. Diesem Ersuchen entsprach die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 13. März 1990.
Mit Note vom 18. April 1990 setzte die belangte Behörde den Verwaltungsgerichtshof vom Abschluß des Konkursverfahrens und dem danach verbliebenen "Haftungsrückstand" in Kenntnis. Die Beschwerdeführerin nahm zu dieser ihr mitgeteilten Verständigung am 29. Mai 1990 Stellung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zu den im § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die die Gesellschaft gerichtlich oder außergerichtlich zu vertreten haben (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zlen. 88/15/0065, 89/15/0037). Ihnen fallen die im § 54 Abs. 1 WAO erwähnten Pflichten auch dann zu, wenn noch andere Geschäftsführer bestellt sind, es sei dann, daß Aufgabenteilungen bestehen (Stoll, BAO-Handbuch 30), was hier nicht behauptet wurde.
2. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, daß § 7 Abs. 1 WAO für den Vertreter eine Ausfallshaftung normiert (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011). Daß der Ausfall bei den in Streit stehenden Abgaben (§ 2 Abs. 1 und 2 WAO) bei Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides noch nicht endgültig feststand, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht (bloß) die Aufhebung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides. Vielmehr hat auch in einem solchen Fall die Abgabenbehörde zweiter Instanz - im gegenständlichen Berufungsfall der Verwaltungsgerichtshof - zufolge § 224 Abs. 1 WAO in der Sache selbst zu entscheiden und von sich aus jenen Ausfall an Abgaben festzustellen, für den der Haftungspflichtige (die Beschwerdeführerin) letztlich einzustehen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ersuchte daher die belangte Behörde, ihn vom Abschluß des Konkursverfahrens über die GmbH zu verständigen und ihm mitzuteilen, ob und in welcher Weise (für welche Abgaben bzw. Nebengebühren welcher Monate) sich der Haftungsrückstand von S 34.659,-- gemindert hat.
Die belangte Behörde teilte dem Gerichtshof dazu mit Note vom 18. April 1990 mit, daß das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 20. Februar 1990 mangels Deckung der Kosten des Verfahrens gemäß § 166 Abs. 2 KO aufgehoben worden sei. Der Haftungsrückstand habe sich dessen ungeachtet durch Überweisung der im Verbotsbuch hinterlegten Beträge von S 15.000,-- auf insgesamt S 19.659,-- verringert. Dieser Rückstand setze sich wie folgt zusammen:
Lohnsummensteuer:
Abgabe Rest August bis Oktober 1985 S 14.279,--
Säumniszuschlag S 586,--
Dienstgeberabgabe:
Säumniszuschlag Juli 1985 S 24,--
Säumniszuschlag August 1985 S 27,--
Abgabe September, Oktober und
Dezember 1985 S 4.650,--
Säumniszuschlag September, Oktober
und Dezember 1985 S 93,--.
Der Verwaltungsgerichtshof bot der Beschwerdeführerin, wie erwähnt, Gelegenheit, zu dieser Note Stellung zu nehmen. Hievon machte die Beschwerdeführerin mit dem Schriftsatz vom 29. Mai 1990 Gebrauch. Gegen die einzelnen Abgabenbeträge, auf denen die restliche Haftungssumme von S 19.659,-- beruht, wandte die Beschwerdeführerin zunächst ein, die Dienstgeberabgabe für Dezember 1985 und der damit zusammenhängende Säumniszuschlag seien erst nach Abberufung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der GmbH fällig geworden.
Der Einwand ist berechtigt. Aus dem aktenkundigen Gesellschafterbeschluß vom 22. November 1985 geht nämlich hervor, daß die Beschwerdeführerin mit diesem Tag als Geschäftsführerin der GmbH abberufen und ein neuer Geschäftsführer bestellt wurde (ABl. 86 bis 88). Es oblag der Beschwerdeführerin daher nicht mehr die Abfuhr der Dienstgeberabgabe für Dezember 1985. Der von der belangten Behörde mitgeteilte Betrag an Dienstnehmerabgabe von S 4.650,-- vermindert sich daher um die auf Dezember 1985 entfallende Dienstnehmerabgabe von S 1.650,-- (ABl. 2) auf S 3.000,-- (so auch schon die Berufungsvorentscheidung). Der auf die Dienstnehmerabgabe für Dezember 1985 entfallende Säumniszuschlag (S 33,--) war aus dem "Säumniszuschlag für September, Oktober und Dezember 1985" auszuscheiden, sodaß (für September und Oktober 1985) ein Säumniszuschlag von S 60,-- verbleibt.
Weiters trägt die Beschwerdeführerin gegen die Rückstandsaufgliederung der belangten Behörde laut Note vom 18. April 1990 vor, der Lohnsummensteuerrückstand von S 14.279,-- stelle nicht den Abgabenrest August bis Oktober 1985 dar, sondern lediglich einen geringfügigen Abgabenrest für den Monat September 1985 sowie die Abgabe für den Monat Oktober 1985.
Auch damit ist die Beschwerdeführerin im Recht, weil der Erlagsbetrag von S 15.000,-- gemäß § 161 Abs. 1 WAO mit der ältesten Schuldigkeit an Lohnsummensteuer zu verrechnen war und diese Verrechnung die gesamte Lohnsummensteuer für August 1985 (S 12.622,--, ABl. 1) abdeckte. Diese Verrechnung ändert - wie auch für die Erwägungen zu Punkt 3 festzuhalten ist - freilich nichts daran, daß die Lohnsummensteuer für August 1985 ursprünglich nicht ordnungsmäßig (bei Fälligkeit) entrichtet wurde.
Der Berufung konnte somit teilweise Rechnung getragen werden, und zwar durch die Verminderung des gesamten Haftungsbetrages um den Erlag von S 15.000,-- und um die Dienstgeberabgabe für Dezember 1985 samt Säumniszuschlag. Der neue Haftungsbetrag und seine Aufgliederung sind dem Spruch dieses Erkenntnisses zu entnehmen.
3. Bezüglich des verbleibenden Haftungsbetrages war der Berufung, die sich gegen jegliche Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin richtet, aus folgenden Gründen der Erfolg zu versagen:
Der Verwaltungsgerichtshof brachte in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck, es sei Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Verpflichtung nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus -, die besondere Verpflichtung, darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (siehe z.B. nochmals das Erkenntnis vom 26. Juni 1989, Zlen. 88/15/0065, 89/15/0037, und die dort erwähnte Vorjudikatur).
Zu ihrer Rechtfertigung trug die Beschwerdeführerin in der Berufung vor, sie sei bei der GmbH lediglich als kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführerin tätig gewesen. Wegen der Auseinandersetzungen auf Gesellschafterebene sei es bei der GmbH seit Juni 1985 zu einer "Pattsituation" gekommen, wobei die Beschwerdeführerin in dieser "Pattsituation" als lediglich kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführerin nicht in der Lage gewesen sei, rechtsgültig irgendwelche Vertretungshandlungen zu setzen. Darüber hinaus sei sie auch nicht auf den Geschäftskonten der GmbH alleine zeichnungsbefugt gewesen. Trotz zweier Generalversammlungen Ende Juli sowie Ende August 1985 sei es kurzfristig nicht möglich gewesen, die "Pattsituation" zu beseitigen. Dies sei erst Mitte November 1985 gelungen. Die Beschwerdeführerin sei zur Vornahme notwendiger Vertretungshandlungen durchaus bereit gewesen, die "Gegenseite" habe jedoch jegliche Mitwirkung an Vertretungshandlungen kategorisch abgelehnt. Ähnlich verantwortete sich die Beschwerdeführerin im Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Abgabenzahlungen, zu denen die Beschwerdeführerin bereit gewesen sei, habe die Gegenseite unterbunden. In der Stellungnahme vom 2. März 1988 brachte die Beschwerdeführerin vor, daß zur Zeit der Auseinandersetzungen auf Gesellschafterebene die laufenden Zahlungen der GmbH über deren Geschäftskonto bei der X-Bank geleistet worden wären, für das sowohl der Schwiegersohn der Beschwerdeführerin Ing. A als auch der Treugeber des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers, Michael B, gemeinsam (kollektiv) zeichnungsberechtigt gewesen wären. Ab September 1985 habe Michael B die Gegenzeichnung von Überweisungsaufträgen für fällige Abgaben verweigert. Die Beschwerdeführerin habe nachweislich im Oktober 1985 die Mitunterfertigung von Überweisungsaufträgen für termingebundene Zahlungen durch ihren Anwalt urgieren lassen. Es könne der Beschwerdeführerin nicht als Verschulden angelastet werden, daß die Durchführung der über ihren Auftrag von ihrem Schwiegersohn unterfertigten Zahlungsbelege unterblieben sei. Die fehlende Mitwirkungsbereitschaft ihres Mitgeschäftsführers Georg C bzw. dessen Treugebers Michael B könne nicht der Beschwerdeführerin vorgeworfen werden.
Die Beschwerdeführerin macht also im wesentlichen geltend, der andere Geschäftsführer (bzw. dessen Treugeber) hätten sie bei Erfüllung der abgabenrechtlichen Zahlungspflicht behindert. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß, wird der Geschäftsführer tatsächlich so beschränkt, daß er die seinen Rechtspflichten gegenüber Dritten korrespondierenden Geschäftsführungsrechte nicht mehr wahrnehmen kann, er entweder im Rechtsweg sofort alles ihm rechtlich zu Gebote Stehende zu unternehmen hat, um diesen Zustand abzustellen, oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen hat; der Geschäftsführer, der weiterhin als Geschäftsführer tätig bleibt, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, hat auch seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Entrichtung der die GmbH treffenden Abgaben verletzt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1982, Zlen. 81/14/0145 ff, vom 25. Februar 1983, Zl. 81/17/0079, vom 27. März 1985, Zl. 83/13/0110, vom 30. März 1987, Zl. 86/15/0080, vom 10. September 1987, Zl. 86/13/0148, vom 13. November 1987, Zl. 85/17/0035, vom 22. Februar 1989, Zl. 85/13/0214, vom 23. Mai 1990, Zl. 89/13/0143, und vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0158).
Folgt man der Berufung der Beschwerdeführerin, so kam es bereits im Juni 1985 bei der GmbH zu einer "Pattsituation", die auf Grund des Verhaltens des anderen Geschäftsführers Vertretung und Geschäftsführung der GmbH in Frage stellten. Diese Situation wurde erst im November 1985, also erst nach rund einem halben Jahr, bereinigt. Durch rund ein halbes Jahr bestand damit unter anderem die Gefahr, daß Abgaben nicht entrichtet werden, wie sie sich dann auch ab September 1985 realisierte. Aber auch dann hat die Beschwerdeführerin noch nicht die gebotenen Schritte unternommen. Die Beschwerdeführerin ist weder sofort zurückgetreten, noch hat sie sofort im Rechtsweg alles ihr rechtlich zu Gebote Stehende unternommen, um die Zahlungsbehinderung abzustellen.
Abhilfe im Rechtsweg hätte zunächst § 16 Abs. 2 GmbHG geboten, demzufolge ein Geschäftsführer, der Gesellschafter ist, aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden kann. Aus den Akten des Handelsgerichtes Wien 7 HRB 23.934, von dem sich (abgelichtete) Teile in den Verwaltungsakten befinden und der der Beschwerdeführerin auf Grund der Akteneinsicht bekannt ist, geht hervor, daß der andere Geschäftsführer, Georg C, neben der Beschwerdeführerin auch (mit 50 %iger Beteiligung am Stammkapital) im Sinne des § 16 Abs. 2 GmbHG Gesellschafter der GmbH war (siehe aus den Akten des Handelsgerichtes Wien z.B. den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31. Oktober 1985, 5 R 82/85). Wenn er durch sein Verhalten die weitere Geschäftstätigkeit der GmbH gefährdete und die Erfüllung ihrer Zahlungspflichten verhinderte, wie ihm dies die Beschwerdeführerin vorwirft, so läge darin auch ein wichtiger Grund für die Abberufung des Georg C als Geschäftsführer (vgl. auch Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 153, der beispielhaft sogar schon in der Vernachlässigung der Geschäftsführung einen wichtigen Grund sieht). Da eine Abberufung gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG auch durch einstweilige Verfügung erfolgen kann (Gellis, Kommentar zum GmbHG2, 164, Reich-Rohrwig, aaO, 163, Beschluß des OGH vom 9. Juni 1982, 6 Ob 656/82, HS 12.336), wäre für die Beschwerdeführerin auch rasche Abhilfe möglich gewesen. Die Abberufung des Georg C als Geschäftsführer hätte zwar noch nicht der Beschwerdeführerin selbst die Alleingeschäftsführung verschafft, aber insbesondere durch Bestellung eines Notgeschäftsführers im Sinne des § 15a GmbHG dazu führen können, daß die GmbH ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt (siehe nochmals OGH 6 Ob 656/82). Auch der Rücktritt der Beschwerdeführerin selbst hätte eine solche Abhilfe ermöglicht:
Da bei der GmbH kollektive Geschäftsführung bestand, hätte auch Georg C die Geschäfte nicht allein führen können (Reich-Rohrwig, aaO, 161), der Gesellschaft hätten im Sinne des § 15a GmbHG die zur Vertretung erforderlichen Geschäftsführer gefehlt und es wäre auch in diesem Fall die Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht gekommen. Es bedeutete im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin, daß sie die Nichtentrichtung der Abgaben in Kauf nahm, ohne sofort ihrer Behinderung im Rechtsweg mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen. Auf Grund dieses schuldhaften Verhaltens blieben die im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Abgaben unberichtigt. Daß die Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Abberufung dem neuen Geschäftsführer die ausständigen Abgaben zur Kenntnis brachte und diesem die Möglichkeit zu ihrer Entrichtung bot, ändert nichts daran, daß der Abgabenausfall keinesfalls eingetreten wäre, wenn die Abgaben bereits pflichtgemäß bei ihrer Fälligkeit entrichtet worden und nicht schuldhafterweise unberichtigt geblieben wären (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1986, Zl. 84/13/0246, vom 30. März 1987, Zl. 86/15/0080, vom 10. September 1987, Zl. 86/13/0148, und vom 30. Mai 1989, Zl. 89/14/0044). Daß bei Fälligkeit die Mittel zur Abgabenentrichtung noch vorhanden gewesen wären, gibt die Beschwerdeführerin in der Berufung und im Vorlageantrag selbst zu.
Daß die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Verpflichtungen geeignete Erfüllungsgehilfen heranzog, ändert nichts daran, daß sie der Verhinderung der Abgabenzahlungen nicht sofort in der bereits aufgezeigten Weise begegnete.
Eine Schlechterstellung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern wird der Beschwerdeführerin nicht vorgeworfen. Es trifft sie aber der Vorwurf, daß die Abgabenzahlungen trotz der zu ihrer vollen Entrichtung vorhandenen Mittel unterblieben.
Die von der Beschwerdeführerin beantragten Beweise sollten in keinem Fall erweisen, daß die Beschwerdeführerin sofort im Rechtsweg alles zu Gebote Stehende unternahm, um die Behinderung der Abgabenzahlungen abzustellen, oder daß sie die Geschäftsführung sofort zurücklegte. Die unter Beweis zu stellenden Tatsachen waren vielmehr im Sinne des § 144 Abs. 3 WAO unerheblich. Eine Parteienvernehmung der Beschwerdeführerin erübrigte sich auch deshalb, weil sie sowohl vor der Verwaltungsbehörde als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof ausreichend Gelegenheit zu schriftlicher Äußerung hatte und von dieser Gelegenheit auch ausreichend Gebrauch machte.
4. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Berufung nach Maßgabe des Punktes 2 stattzugeben, im übrigen aber (Punkt 3) der Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Bezüglich des Schriftsatzaufwandersatzes ist folgendes zu bemerken:
Die Beschwerdeführerin begehrte in der Beschwerde vom 25. April 1989 im Sinne des § 59 Abs. 3 VwGG unter anderem Aufwandersatz in Form von Schriftsatzaufwand. In ihren Schriftsätzen vom 13. März 1990 und vom 29. Mai 1990 machte sie jeweils "Schriftsatzaufwand im gebührenden Ausmaß gemäß § 59 VwGG" geltend. Da aber mit dem in der Verordnung BGBl. Nr. 217/89 vorgesehenen Pauschalsatz der gesamte Schriftsatzaufwand, der einem Beschwerdeführer in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwächst, abgegolten wird, konnte der Schriftsatzaufwandersatz nur einmal mit dem Betrag von S 10.110,-- zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150059.X00Im RIS seit
27.08.1990