TE Vwgh Erkenntnis 1990/8/27 89/15/0097

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Veröffentlicht am 27.08.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art18 Abs2;
KfzStG §7;
KfzStG §8 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 576;

Betreff

X-AG gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 14. Juni 1989, Zl. 82/1-9/Hb-1989, betreffend Kraftfahrzeugsteuer:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die ein Bauunternehmen betreibt, entrichtet für die auf sie zugelassenen Kraftfahrzeuge (etwa 45) die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 5 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1952 (KfzStG) nicht in Stempelmarken, sondern durch vierteljährliche Vorauszahlung. Mit Eingabe vom 3. Oktober 1988 beantragte sie für Steh- und Reparaturzeiten eine Reduktion der Jahreskraftfahrzeugsteuer 1987/88 um 6,2 %.

Die bescheidmäßige Abweisung dieses Antrages bekämpfte die Beschwerdeführerin im Berufungsweg mit der Begründung, daß das Finanzamt das im § 7 KfzStG verankerte freie Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die Rechtmäßigkeit und Billigkeit des Begehrens ergebe sich daraus, daß der angestrebte Erfolg, die Reduzierung der Kraftfahrzeugsteuer für die Stillstands- und Reparaturzeiten, auch durch die Ab- und Anmeldung erreicht werden könne. Diese Vorgangsweise sei für den Steuerpflichtigen und die Verwaltungsbehörde aufwendig und unökonomisch. Es gehe nicht darum, das Gleichmäßigkeitsgebot der Besteuerung (§ 114 BAO) zu durchbrechen, sondern eine dem tatsächlichen Einsatz entsprechende Kraftfahrzeugbesteuerung ohne An- und Abmeldung der zahlreichen Fahrzeuge zu erreichen. Es handle sich hiebei um Stehzeiten, die durch den Winterstillstand branchenbedingt seien, und nicht um solche, die bei jedem Fahrzeughalter auftreten.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid nicht statt. Im Beschwerdefall sei die "Pauschalierung" im Sinne des § 7 KfzStG nicht aus Gründen der "schwierigen" Steuerermittlung erfolgt, sondern um dem Steuerpflichtigen die Administration zu vereinfachen. "Konzessionen dieser Art" würden weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch vom Standpunkt der Steuergerechtigkeit einen Steuerabschlag für Steh- und Reparaturzeiten umfassen. Auch wenn sich Stehzeiten über einen längeren Zeitraum erstreckten, sei die Behörde trotzdem nicht berechtigt, Pauschalabschläge zu gewähren; einen derartigen Ermessensspielraum sehe das Kraftfahrzeugsteuergesetz nicht vor. Gemäß § 4 KfzStG dauere die Steuerpflicht eines in einem inländischen Zulassungsverfahren zugelassenen Kraftfahrzeuges vom Beginn des Monates der Zulassung bis zum Ablauf des Monates, in dem die Zulassung erlischt oder die Kennzeichentafeln vorübergehend zurückgelegt werden. Demzufolge sei es der Behörde verwehrt, ohne Abmeldung bzw. Zurücklegung der Kennzeichen für einzelne Fahrzeuge oder pauschal für den Fuhrpark eines Unternehmens prozentuelle Steuerabschläge zu gewähren.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Möglichkeit zu einer Pauschalierung der Kraftfahrzeugsteuer wurde erstmals mit Art. III lit. f der Verkehrsteuernovelle 1948, BGBl. Nr. 57, geschaffen. Ein neuer, mit "Pauschalierung" überschriebener § 14a, eingefügt in das (deutsche) Kraftfahrzeugsteuergesetz aus dem Jahre 1935 (KfzStG 1935), sah vor, daß in den Fällen, in denen die Feststellung der Unterlagen für die Steuerfestsetzung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sein würde, die Berechnung und Entrichtung der Steuer im Pauschverfahren zugelassen werden kann.

In der zweiten Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1935, BGBl. Nr. 210/1948 (im folgenden nur noch als "zweite Durchführungsverordnung" bezeichnet), war unter anderem (in § 1 Abs. 2) angeordnet, daß dem Unternehmer bei einer Pauschversteuerung gestattet werden kann, von einer Steuerabmeldung nach § 6 Abs. 1 Z. 1 KfzStG 1935 abzusehen, solange das Fahrzeug nicht endgültig außer Betrieb gesetzt wird. In diesen Fällen kann laut zweiter Durchführungsverordnung für den ganzen Bestand des Unternehmens an Kraftfahrzeugen oder für einzelne Gruppen von Kraftfahrzeugen aus diesem Bestand für Stehzeiten und Reparaturen ein Pauschabstrich von der Zeit, innerhalb welcher das Kraftfahrzeug angemeldet war, festgesetzt werden.

Die Beschwerdeführerin ist unter Hinweis auf einschlägiges Schrifttum (Hackl, Verwaltungsrecht, 189 f, Neisser-Schantl-Welan, ÖJZ 1974, 374, Mayr, Die Verordnung, 37, Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 190 f, und Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht2, 1161 ff) der Auffassung, daß die zweite Durchführungsverordnung nach wie vor gelte. Die Beschwerdeführerin wendet sich damit gegen die dem Erkenntnis vom 24. Mai 1966, Zl. 1700/65, zugrundeliegende Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes, daß mit dem Außerkrafttreten des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1935 mit 1. Juli 1952 gemäß (ursprünglich) § 12 KfzStG, BGBl. Nr. 110, auch die zweite Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1935 außer Kraft getreten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof findet jedoch - auf Grund der Beschwerde - keinen Anlaß, von dieser Rechtsmeinung abzurücken. Er hat für seine Rechtsmeinung die (auch von der Beschwerdeführerin zitierte) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für sich, daß "reine" bzw. "bloße" Durchführungsverordnungen - wie sie die Beschwerdeführerin selbst zutreffend im Falle der zweiten Durchführungsverordnung gegeben sieht - mit dem Gesetz wegfallen, das ihrer Erlassung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG die gesetzliche Grundlage geboten hat (siehe insbesondere die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 1952, V 22/51, Slg. Nr. 2.266, vom 17. Juni 1952, V 3/52, Slg. Nr. 2326, vom 21. Juni 1952, B 38/52, Slg. Nr. 2344, und vom 14. Oktober 1960, V 3/60, Slg. Nr. 3820). Dieser Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof - ebenfalls in ständiger Rechtsprechung - angeschlossen (Erkenntnisse vom 10. Juli 1962, Zl. 1671/60, vom 24. November 1963, Zl. 985/62, Slg. Nr. 2982/F, vom 10. März 1988, Zl. 87/16/0072, und die in diesem Erkenntnis erwähnte Vorjudikatur), und zwar im Falle der jüngsten Entscheidung (Zl. 87/16/0072) in weitgehender Kenntnis des von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Schrifttums, wie dies dort die Literaturangaben zeigen.

Obwohl der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Mai 1966, Zl. 1700/65, die zweite Durchführungsverordnung im Sinne der ständigen Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof für außer Kraft getreten hielt, kam er doch zur Auffassung, daß "auch nach dem KfzStG 1952 die Gewährung von Pauschalabstrichen für Stehzeiten und Reparaturen durchaus möglich ist". Der Gerichtshof sieht auch - auf Grund des angefochtenen Bescheides - keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen.

Nach dem ebenfalls mit "Pauschalierung" überschriebenen § 7 KfzStG kann in den Fällen, in denen die Feststellung der Unterlagen für die Steuerermittlung unverhältnismäßige Schwierigkeiten verursachen würde, auf Antrag des Steuerschuldners die Steuer im Pauschwege festgesetzt werden. Nähere Auskunft darüber, wann die Feststellung der Unterlagen für die Steuerermittlung unverhältnismäßige Schwierigkeiten verursachen würde, gibt § 7 KfzStG nicht. Einen Anhaltspunkt bietet jedoch § 8 Abs. 2 leg. cit., der ebenfalls die Pauschalierung der Kraftfahrzeugsteuer zum Gegenstand hat und davon spricht, daß das Finanzamt "dem Steuerschuldner für jedes in die Pauschalierung einbezogene Kraftfahrzeug" eine bestimmte Bescheinigung auszustellen hat. Die Wortfolge "für jedes in die Pauschalierung einbezogene Kraftfahrzeug" - des Steuerschuldners - deutet darauf hin, daß die Pauschalierung für den Fall gedacht ist, daß der Steuerschuldner für MEHRERE KRAFTFAHRZEUGE die Kraftfahrzeugsteuer zu entrichten hat. Dies bestätigt auch die Entstehungsgeschichte des § 7 KfzStG 1952. Dessen Vorbild war - weitgehend wörtlich - der schon erwähnte § 14a KfzStG 1935. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Verkehrsteuernovelle 1948 (in der Regierungsvorlage noch als "Verkehrsteuernovelle 1947" bezeichnet) wurde mit dem neuen § 14a KfzStG 1935 "die Möglichkeit zu einer Pauschalierung der Steuer geschaffen, um bei Betrieben mit einer größeren Anzahl von Fahrzeugen eine Vereinfachung in der Steuerermittlung zu erzielen"

(503 Blg. sten. Prot. NR V. GP). Zur Nachfolgebestimmung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952 besagen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes, "die Pauschalierungsbestimmung, die sich als zweckmäßig erwiesen hat, wurde beibehalten" (570 Blg. sten. Prot. NR VI. GP).

Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Kraftfahrzeugsteuer für eine Vielzahl von Kraftfahrzeugen desselben Steuerschuldners können auch entstehen, wenn Kraftfahrzeuge aus betriebsbedingten Gründen in sonst unüblicher Weise durch längere Zeit unbenützt bleiben. Bei solchen "Stehzeiten", die unter Umständen auch durch Reparaturen an den Kraftfahrzeugen bedingt sein können ("Reparaturzeiten"), hat der Steuerschuldner die Möglichkeit, das betreffende Kraftfahrzeug abzumelden (§ 43 KFG 1967, BGBl. Nr. 267) oder den Zulassungsschein und die Kennzeichentafel vorübergehend bei der "Zulassungsbehörde" zu hinterlegen (§ 52 KFG 1967). Dies erspart dem Kraftfahrzeugbesitzer mit Ablauf des Monats, in dem die Zulassung gemäß § 43 KFG 1967 erlischt oder in dem gemäß § 52 KFG 1967 die Kennzeichentafeln vorübergehend zurückgelegt werden, die Kraftfahrzeugsteuer (§ 4 Abs. 1 KfzStG, siehe auch Fischer-Grundtner-Hellar, Das österreichische Kraftfahrgesetz nach der 12. Novelle, Seiten 223 und 257). Der Eintritt und Austritt einer Mehrzahl von Kraftfahrzeugen während eines Steuerzeitraumes (§ 6 Abs. 1 KfzStG) kann aber nun sehr wohl die Steuerermittlung im Sinne des § 7 KfzStG schwierig gestalten. Eine Pauschalierung kann sinnvoll Abhilfe schaffen und hält sich in einem solchen Fall entsprechend § 20 BAO durchaus in den Grenzen, die der als Ermessensbestimmung gestaltete § 7 KfzStG dem Ermessen zieht. Eine sinnvolle Ermessensübung kann aber auch darin gesehen werden, wenn erfahrungsgemäß betriebsbedingt anfallende längere Stehzeiten, die ein Vorgehen nach § 43 oder § 52 KFG 1967 rechtfertigen würden, im Wege der Pauschalierung auch ohne vorübergehende Abmeldung des Kraftfahrzeuges bzw. ohne vorübergehende Zurücklegung der Kennzeichentafeln berücksichtigt werden. Denn auf diese Weise würde jenen Schwierigkeiten bei der Steuerermittlung begegnet, die eintreten würden, wenn man auf der vorübergehenden Abmeldung des Kraftfahrzeuges bzw. auf der vorübergehenden Zurücklegung der Kennzeichentafeln bestehen wollte. Auf dieser Anschauung beruhte erkennbar schon die zweite Durchführungsverordnung zu § 14a KfzStG 1935, der Vorgängerbestimmung des § 7 KfzStG, nach der auch für angemeldete Kraftfahrzeuge ein "Pauschabstrich" für Stehzeiten und Reparaturen zulässig war. Fritsch-Häusler, Kraftfahrzeug und Steuer, Wien 1956, Seite 48, führen zu § 7 KfzStG aus, daß eine Kraftfahrzeugsteuerpauschalierung insbesondere bei Unternehmen zweckmäßig sei, die über einen sehr großen Kraftfahrzeugpark verfügen, wobei jedoch nicht alle Fahrzeuge ständig eingesetzt seien. Um hier ein fortwährendes An- und Abmelden zu vermeiden (das oft wirtschaftlich nicht tragbar wäre, da gewisse Spezialfahrzeuge immer einsatzbereit sein müßten, auch wenn sie monatelang nicht gebraucht würden), erfolge die Berechnung der Stehzeiten und damit der Dauer der Steuerpflicht innerhalb eines Steuerzeitraumes mit einem Durchschnittssatz für jedes Kraftfahrzeug, der dann mit dem für dieses Kraftfahrzeug geltenden Steuersatz multipliziert werde.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht in diesen Überlegungen eine zutreffende Auslegung des § 7 KfzStG 1952, die auch dem Erkenntnis vom 24. Mai 1966, Zl. 1700/65, entspricht, in dessen Fall es ebenfalls zu keinen Abmeldungen bzw. Zurücklegungen von Kennzeichentafeln im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 KfzStG 1952 gekommen war. Die im angefochtenen Bescheid geäußerte Ansicht, Pauschalabschläge wären (ohne Abmeldung bzw. Zurücklegung der Kennzeichentafeln) auch bei Stehzeiten über einen längeren Zeitraum (schlechthin) unzulässig, vermag der Gerichtshof somit nicht zu teilen. Er hält auch die Bedenken der Gegenschrift, ein Pauschalabschlag für Stehzeiten verstoße "gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung", für unbegründet. Ein solcher Verstoß würde nur vorliegen, wenn Stehzeiten im Unternehmen nur im allgemein üblichen Ausmaß anfielen. Fallen Stehzeiten jedoch in höherem Maße an, wie z.B. bei einem Bauunternehmen während der Wintermonate, so erscheint ein Abschlag für Stehzeiten sachlich gerechtfertigt.

Nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen kommt der Beschwerde bereits aus den Beschwerdegründen in Abschnitt IIA (Punkte 5 und 6) Berechtigung zu. Eine Auseinandersetzung mit dem in Abschnitt IIB "aus Gründen advokatorischer Vorsicht" enthaltenen Beschwerdevorbringen war damit entbehrlich. Im Hinblick auf die berechtigten Beschwerdegründe aber war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4 Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150097.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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