TE Vfgh Beschluss 1987/11/30 G70/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Index

10 Verfassungsrecht;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
KO idF des InsolvenzrechtsänderungsG 1982, BGBl 370 §81 Abs3
VfGG §19 Abs3 Z2 litc
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Individualantrag (eines Rechtsanwaltes) auf Aufhebung des §81 Konkursordnung idF BGBl. 370/1982; Darlegung der Bedenken nur hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung des Masseverwalters nach Abs3; kein untrennbarer Zusammenhang mit den anderen Bestimmungen des §81 KO - mangelnde Darlegung der Bedenken gegen diese Bestimmungen; in bezug auf §81 Abs3 KO Zumutbarkeit der Durchführung eines diesbezüglichen Zivilprozesses als Beklagter; in diesem Umfang Mangel der Antragslegitimation; Zurückweisung des Individualantrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der einschreitende Rechtsanwalt den wie folgt lautenden §81 der Konkursordnung idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, BGBl. 370, (im folgenden: KO) als verfassungswidrig aufzuheben:

"(1) Der Masseverwalter hat sich über die wirtschaftliche Lage und die bisherige Geschäftsführung des Gemeinschuldners, über die Ursachen seines Vermögensverfalls, über das Ausmaß der Gefährdung von Arbeitsplätzen, über das Vorliegen von Haftungserklärungen Dritter und über alle für die Entschließung der Gläubiger wichtigen Umstände genaue Kenntnis zu verschaffen und unverzüglich zu prüfen, ob ein Unternehmen des Gemeinschuldners fortgeführt oder wieder eröffnet werden kann. Der Masseverwalter kann ein Unternehmen des Gemeinschuldners fortführen. Er hat ferner unverzüglich den Stand der Masse zu ermitteln, für die Einbringung und Sicherstellung der Aktiven sowie für die Feststellung der Schulden, insbesondere durch Prüfung der angemeldeten Ansprüche, zu sorgen und Rechtsstreitigkeiten, welche die Masse ganz oder teilweise betreffen, zu führen. Er hat die durch den Gegenstand seiner Geschäftsführung gebotene Sorgfalt (§1299 ABGB) anzuwenden und über seine Verwaltung genaue Rechnung zu legen.

(2) Gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter hat er die gemeinsamen Interessen zu wahren.

(3) Der Masseverwalter ist allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht, verantwortlich.

(4) Der Masseverwalter hat die ihm zugewiesenen Tätigkeiten selbst auszuüben. Für einzelne Tätigkeiten, insbesondere die Prüfung der Bücher, die Schätzung des Anlageund Umlaufvermögens und die vorausschauende Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Unternehmensfortführung kann er Dritte mit Zustimmung des Gerichtes heranziehen. Diese darf nur erteilt werden, wenn die betreffende Tätigkeit besondere Schwierigkeiten bietet, der zu Betrauende zur Erfüllung der Aufgabe geeignet und verläßlich ist und eine wesentliche Schmälerung der Masse nicht zu gewärtigen ist. Unter diesen Voraussetzungen kann das Gericht auch von Amts wegen oder auf Antrag des Masseverwalters oder des Gläubigerausschusses die Prüfung durch Sachverständige anordnen. Gegen diesen Beschluß ist kein Rechtsmittel zulässig."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung sowie - hilfsweise - die Abweisung des Antrags begehrt.

II. Die im Antrag dargelegten Bedenken betreffen die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters und beziehen sich somit der Sache nach ausschließlich auf den Absatz 3 im §81 KO. Die begründungslos aufgestellte Behauptung des Antragstellers, die übrigen Bestimmungen dieses Paragraphen stünden mit dem Absatz 3 in einem untrennbaren Zusammenhang, trifft nicht zu. Diesbezüglich genügt der Hinweis, daß eine gedachte Aufhebung des Abs3 zu keiner wesentlichen Änderung des normativen Inhalts der verbleibenden Absätze im §81 KO führte.

Da im Antrag Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Absätze 1, 2 und 4 des §81 KO nicht dargelegt sind, war der Antrag wegen dieses Prozeßhindernisses (s. zB VfSlg. 9747/1983) insoweit zurückzuweisen.

III. Auch im restlichen Umfang erweist sich der Antrag als unzulässig, und zwar deshalb, weil dem Einschreiter die Legitimation fehlt. Der VfGH nimmt hiebei auf seine ständige, auch hier beizubehaltende Rechtsprechung zur Antragsberechtigung bei Individualanträgen auf Gesetzesprüfung Bezug (s. zB VfSlg. 10353/1985), aus der hervorzuheben ist, daß diese Berechtigung einen auf bestimmte Weise qualifizierten Eingriff der angefochtenen Norm in die Rechtssphäre des Antragstellers erfordert sowie daß der Rechtsbehelf Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit gewährt, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht.

Daß der Antragsteller eine Inanspruchnahme seiner Person zum Schadenersatz aus der bloßen Bestellung zum Masseverwalter nicht abzuleiten vermag, ist unmittelbar einsichtig und bedarf daher keiner weiteren Begründung.

Soweit sich der Einschreiter jedoch auf Vorgänge im Zusammenhang mit einem bestimmten Konkursverfahren bezieht, in welchem er zum Masseverwalter bestellt worden war, ist im einzelnen folgendes zu bemerken:

Das Verhalten des Antragstellers in bezug auf ein "Offert, das gemeinschuldnerische Unternehmen aufzufangen und den Gläubigern für eine Zwangsausgleichsquote gutzustehen" ist nach seinem eigenen Vorbringen schadenersatzrechtlich ohne Bedeutung, weil das Konkursgericht einen dieses Angebot betreffenden Vertrag nicht genehmigte.

Was die angedrohte Inanspruchnahme wegen des Abhandenkommens einer Lederjacke aus Geschäftsräumen eines gemeinschuldnerischen Unternehmens anlangt, ist es dem Antragsteller schon im Hinblick auf den anzunehmenden Streitwert in einem diesbezüglichen Zivilprozeß zumutbar, einen solchen Rechtsstreit als Beklagter zu führen sowie im allfälligen Rechtsmittelverfahren seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §81 Abs3 KO darzulegen und eine amtswegige Antragstellung auf Gesetzesprüfung anzuregen. Grundsätzlich das gleiche gilt für Schadenersatzansprüche, deren Geltendmachung ihm wegen einer behaupteten Verzögerung bei der Weiterleitung von Postsendungen an den Rechtsvertreter der Gemeinschuldnerin in Aussicht gestellt wurde.

Der vorliegende Antrag war sohin auch insoweit, als er sich auf Absatz 3 im §81 KO bezieht, zurückzuweisen.

IV. Diese Entscheidungen wurden in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc bzw. gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG getroffen.

Schlagworte

VfGH / Antrag, Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G70.1987

Dokumentnummer

JFT_10128870_87G00070_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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