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90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht;Norm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verletzung der Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall; Verständigungspflicht gem. §4 Abs2 zweiter Satz StVO 1960 soll sicherstellen, daß zur Hilfeleistung notwendige Maßnahmen der Sicherheitsdienststellen sofort ergriffen werden können - andere Zielrichtung als die Pflicht zur Lenkerauskunft iSd §103 Abs2 KFG 1967 idF BGBl. 615/1977 (Ermittlung des Tatverdächtigen); keine Bedenken gegen diese Regelung; keine RechtsverletzungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Wiener Landesregierung erkannte den Bf. mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 18. Feber 1987 einer Verwaltungsübertretung nach §4 Abs2 zweiter Satz StVO 1960 (idF BGBl. 174/1983) schuldig, weil er es unterlassen hatte, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von einem von ihm als PKW-Lenker verursachten (näher beschriebenen) Verkehrsunfall zu verständigen, bei dem Personen verletzt worden waren. Gegen diesen Bescheid, mit dem eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt wurden, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren auf Aufhebung dieser Entscheidung. Der Bf. macht einerseits eine Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des von ihm als verfassungswidrig angesehenen §4 Abs2 zweiter Satz StVO, und andererseits eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht gerechtfertigt.
1. Der Bf. hält die im zweiten Satz des §4 Abs2 StVO getroffene Regelung über die Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, aus den gleichen Gründen für verfassungswidrig, die den VfGH in seinen Erkenntnissen VfSlg. 9950/1984 und 10394/1985 veranlaßt haben, Bestimmungen im §103 Abs2 des Kraftfahrgesetzes 1967 idF der Nov. BGBl. 615/1977 wegen Verstoßes gegen Art90 Abs2 B-VG sowie gegen das Gleichheitsgebot aufzuheben. Seine Vorwürfe beruhen auf der Annahme, daß der Zweck der in §4 Abs2 zweiter Satz StVO festgelegten Verständigungspflicht praktisch ebenfalls darin bestehe, den einer strafgerichtlich oder verwaltungsstrafbehördlich ahndbaren Tat Verdächtigen festzustellen. Dieser Prämisse - und somit auch den daran geknüpften Schlußfolgerungen - vermag der VfGH jedoch nicht beizupflichten.
Die Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall mit Personenverletzung steht in engstem Zusammenhang mit der im ersten Satz des §4 Abs2 StVO festgelegten Hilfeleistungspflicht für den Verletzten einschließlich der Pflicht, für fremde Hilfe zu sorgen; diese Verständigungspflicht soll insbesonders sicherstellen, daß die zur Hilfeleistung allenfalls notwendigen Maßnahmen der Sicherheitsdienststellen gleichfalls sofort ergriffen werden können. Die Meldepflicht nach §4 Abs2 StVO hat somit eine ganz andere Zielrichtung als die Pflicht zur Lenkerauskunft gemäß §103 Abs2 KFG 1967 idF der Nov. BGBl. 615/1977 (deren praktische Funktion der VfGH in den vorhin zitierten Erkenntnissen in der Ermittlung des Tatverdächtigen gesehen hat); sie kann daher der Pflicht zur Lenkerauskunft weder unter dem Aspekt des Anklageprinzips (Art90 Abs2 B-VG) noch unter dem des Gleichheitsgebotes gleichgestellt werden.
2. Der Bf. weist darauf hin, daß er aus Anlaß des von ihm verursachten Verkehrsunfalls mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. August 1986 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §88 Abs1 und 4, 1. Fall, StGB sowie des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach §94 Abs1 StGB schuldig erkannt wurde, und hält sich im Hinblick auf diese Verurteilung durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil das Unterlassen der Meldung eine straflose Nachtat darstelle. Damit wirft der Bf. jedoch nur die Frage nach der Richtigkeit der getroffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidung auf, die unter dem Blickwinkel des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nach der ständigen Rechtsprechung (s. zB VfSlg. 10379/1985) nicht von Belang ist.
3. Das Beschwerdeverfahren brachte auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Bf. aus von ihm nicht vorgebrachten Gründen in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden hätte.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
jedoch antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
Schlagworte
Straßenpolizei, Kraftfahrrecht, VerwaltungsstrafrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B367.1987Dokumentnummer
JFT_10128870_87B00367_00