TE Vwgh Erkenntnis 1990/8/29 90/02/0017

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Veröffentlicht am 29.08.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
PauschV VwGH 1989 Art1 litA Z1;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
StVO 1960 §99 Abs3 litb idF 1971/274 ;
StVO 1960 §99 Abs3 litb idF 1971/274;
VStG §44a lita;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516 ;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 14. Dezember 1989, Zl. MA 70-11/478/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 9. November 1988 um ca. 15.00 Uhr in Wien 3, A-Gasse 34, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkws an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides darin, daß die belangte Behörde nicht festgestellt habe, in welcher "Fahrspur" (gemeint wohl: in welchem Fahrstreifen) der Kontakt der beteiligten Fahrzeuge stattgefunden habe.

Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß es für das Tatbild des § 4 Abs. 5 StVO gleichgültig ist, auf welchem Teil einer Straße mit öffentlichem Verkehr sich ein Verkehrsunfall ereignet. Soweit der Beschwerdeführer meint, ein Kontakt wäre gar nicht möglich gewesen, weil er den Lkw "schließlich in zweiter Spur" abgestellt habe, ist ihm entgegenzuhalten, daß damit kein zwingender Beweis dafür erbracht wird, welche Fahrlinie er zuvor eingehalten hat. Die vermißten Feststellungen waren daher entbehrlich.

Zutreffend führt der Beschwerdeführer aber aus, die Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO setze voraus, daß es bei einem Verkehrsunfall zu einem Sachschaden gekommen ist.

Für einen Schuldspruch wegen dieser Verwaltungsübertretung genügt die bloße Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht; von der belangten Behörde wäre der Beweis für einen derartigen Sachschaden zu erbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1987, Zl. 87/02/0004).

Im angefochtenen Bescheid wird zwar wiedergegeben, welche Teile des betroffenen Mopeds laut Anzeige durch den Unfall beschädigt worden sein sollen. Die belangte Behörde hat sich aber nicht in der Lage gesehen, Feststellungen über die eingetretenen Schäden zu treffen. Sie hat als erwiesen angenommen, daß das Moped schon vor dem gegenständlichen Vorfall mehrmals infolge des herrschenden Windes umgefallen ist. Die angezeigten Beschädigungen konnten daher auch schon bei dieser Gelegenheit entstanden sein. Überdies hat der Geschädigte laut Anzeige ausgeführt, er habe sein Moped auf der Seite liegend vorgefunden. Da das Moped vom Beifahrer des Beschwerdeführers nach dem gegenständlichen Vorfall unstrittig wieder aufgestellt worden war, muß es bis zum Eintreffen des Geschädigten daher neuerlich umgefallen sein, was ebenfalls zu Beschädigungen führen konnte. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Amtssachverständigen zu verweisen, wonach er sich zum durch den Vorfall verursachten Schadensausmaß nicht äußern könne, zumal die Angaben des Geschädigten in der Anzeige und im Befundbogen voneinander abwichen.

Der Beschwerdeführer hat sich zwar (nach den Feststellungen der belangten Behörde) als unfallsbeteiligter Fahrzeuglenker ohne Verständigung der nächsten Polizeidienststelle vom Tatort insoweit auf eigenes Risiko entfernt, als es ihm allenfalls nicht gelingen konnte, den von der Behörde prima facie angenommenen Eintritt eines Sachschadens zu widerlegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0195, sowie auch das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0082). Es ist ihm aber im Verwaltungsverfahren gelungen, die Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufes - nämlich eine Schadensherbeiführung durch Sturmeinwirkung - darzutun, weshalb die belangte Behörde mit einem bloßen Anscheinsbeweis für die Verursachung nicht das Auslangen finden durfte. Vielmehr wäre der Beweis zu führen gewesen, daß die angezeigten Schäden durch den Anstoß des Lkws des Beschwerdeführers und nicht durch Sturmeinwirkung herbeigeführt worden sind.

Zwar ist die Höhe des Schadens bei der Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO ohne Bedeutung und sind selbst geringfügige Beschädigungen tatbildlich (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 15. Mai 1990). Im Beschwerdefall steht aber nicht fest, daß es durch den von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Fahrzeugkontakt überhaupt zu einer (zusätzlichen) Beschädigung des Mopeds gekommen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne daß auf die übrigen Beschwerdegründe eingegangen werden müßte.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sei lediglich noch bemerkt, daß es sich bei der Ablehnung des zum Nachweis, daß das Moped bei Annäherung des Lkws bereits am Boden lag, gestellten Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen D. mit der Begründung, dieser sei nicht verpflichtet gewesen, dem Verkehrsgeschehen seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen, bzw. (in der Gegenschrift) ein allfälliger Irrtum dieses Zeugen könnte ihm nicht vorgeworfen werden, er stehe als Arbeitnehmer des Beschwerdeführers in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis, um eine unzulässige vorwegnehmende Beweiswürdigung handelt (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens3, Seite 262, sowie aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 90/18/0006).

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Der Beschwerdeführer hat an Schriftsatzaufwand weniger als den zulässigen Pauschbetrag verzeichnet, zuzüglich der nicht gesondert zuzusprechenden Umsatzsteuer aber mehr. Es gebührt ihm daher Ersatz in der verordneten Höhe (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 687).

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020017.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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