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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ÄrzteG 1984 §1 Abs2;Betreff
N gegen Landeshauptmann der Steiermark vom 30. August 1989, Zl. 12-25 Sh 1/64-1988, betreffend Übertretung des Ärztegesetzes
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates Graz vom 11. August 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit vom 10. April bis 13. Mai 1988 in seinem Betrieb in Graz, X-Gasse, auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeiten, die unmittelbar am Menschen ausgeführt werden, insbesondere die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen Krankheiten sowie Gemütskrankheiten, und die Behandlung solcher Zustände (z.B. Behandlung für Wirbelsäule und Migräne, Antistreßbehandlung) durchgeführt, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung zu haben. Er habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 108 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 4 Ärztegesetz 1984 verletzt, nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe sechs Tage) verhängt. In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde unter anderem ausgeführt, die dem Beschwerdeführer zu Last gelegte Tathandlung sei 1) auf Grund seiner Anpreisungen auf Geschäftspapieren und Inseraten, 2) auf Grund eines "im Zuge einer Erhebung des Gesundheitsamtes der Stadt Graz abgelegten Geständnisses", und 3) auf Grund einer schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers festgestellt und erwiesen. Die Ausübung des Berufes eines Heilmasseurs sei freiberuflich nicht gestattet; dieser Beruf dürfe nur im Dienste einer Krankenanstalt oder im Dienste sonstiger unter ärztlicher Leitung stehender Einrichtungen sowie zur unmittelbaren Unterstützung von freiberuflich tätigen Ärzten ausgeübt werden. Daher sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.
Dieses Straferkenntnis wurde vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpft. Der Landeshauptmann der Steiermark entschied hierüber mit Bescheid vom 30. August 1989 wie folgt:
"Die Berufung von Herrn N, geboren am ..., wohnhaft in 8010 Graz, X-Gasse, dieser vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Z, gegen das Straferkenntnis des Magistrates Graz vom 11.8.1989, GZ. A3-K-St 219/1988-1, wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 abgewiesen, gleichzeitig jedoch der Spruch wie folgt abgeändert:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Herrn N gemäß § 108 Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373/1984 in der geltenden Fassung, eine Geldstrafe von S 1.000,-- sowie für den Uneinbringlichkeitsfall ein Ersatzarrest von 36 Stunden verhängt.
Im Sinne des § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 sind 10 % der Strafverfahrenskosten, also S 100,--, somit insgesamt S 1.100,--, mittels beiliegenden Erlagscheines binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erlagscheines einzuzahlen."
In der Begründung dieses Berufungsbescheides wurde unter anderem ausgeführt, daß die erste Instanz den strafbaren Tatbestand zu Recht festgestellt habe, dies sei aus der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers erwiesen, weshalb auch die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als ausreichend angesehen werden könne. Die Berufung des Beschwerdeführers auf seine Gewerbeberechtigung für einen Massagebetrieb verkenne vollkommen die Belange der medizinisch-fachlichen Tätigkeiten nach dem Ärztegesetz. Diagnose und Therapie seien den Ärzten vorbehalten ungeachtet des Umstandes, daß sich der Arzt für die Durchführung ärztlicher Verrichtungen einzelner Hilfspersonen unter seiner Aufsicht bedienen dürfe. Diagnostische Tätigkeiten und therapeutische Verrichtungen griffen in den ärztlichen Tätigkeitsbereich ein. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei auf Grund der Aussendung des Verbandes österreichischer Heil-, Sport- und Bademasseure berechtigt, spezifische Anwendungen im Zusammenhang mit thereapeutischen Heilbehandlungen durchzuführen, gehe ins Leere. Zu Heilbehandlungen sei ausschließlich der ärztliche Berufsstand in den Ordinationen oder Kranken- und Kuranstalten berufen, allenfalls unter Beiziehung qualifizierten Pflegepersonals nach dem Krankenpflegegesetz. Daher sei die Verwaltungsübertretung als erwiesen anzunehmen. Hinsichtlich der Strafhöhe sei die Berufungsbehörde der Ansicht, daß die Höhe der neu festgesetzten Strafe ausreichen werde, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wird einerseits die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen, "gleichzeitig jedoch der Spruch wie folgt abgeändert:" Es folgt, wie oben zitiert, ein bloßer Ausspruch über die nunmehr neu bemessene Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung sowie die Entscheidung über die Kosten, somit Aussprüche nach § 44a lit. c und lit. e VStG 1950. Der Spruch bringt nicht zum Ausdruck, daß allenfalls nur die diesen Gesetzesbestimmungen entsprechenden Teile des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abgeändert werden sollen, sondern ändert nach seiner oben zitierten Formulierung den erstinstanzlichen Spruch schlechthin ab. Nach einer solchen umfassenden Formulierung wäre es aber notwendig gewesen, das gesamte erstinstanzliche Straferkenntnis, allenfalls mit Abänderungen, zu wiederholen, insbesondere auch die Aussprüche über die als erwiesen angenommene Tat und die verletzten Verwaltungsvorschriften (§ 44a lit. a und b VStG 1950). Der neu gefaßte Spruch enthält aber nur Aussprüche im Sinne des § 44a lit. c und lit. e VStG 1950.
Eine solche Unvollständigkeit eines Berufungsbescheides in Strafsachen bewirkt, wie sich aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1985, Zl. 85/02/0047, vom 7. November 1986, Zl. 86/18/0196 und vom 27. Juni 1990, Zl. 90/18/0001, ergibt, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des gesamten Berufungsbescheides.
Darüber hinaus bemerkt der Verwaltungsgerichtshof aus Gründen der Verfahrensökonomie folgendes:
Das erstinstanzliche Straferkenntnis ist in seinem Spruchteil "ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung zu haben", deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil ein solcher Sachverhalt weder nach § 108 Abs. 1 noch nach § 2 Abs. 4 des Ärztegesetzes 1984 Tatbestandsmerkmal einer verletzten Verwaltungsvorschrift ist. Die erstgenannte Gesetzesbestimmung stellt nämlich die Ausübung der im § 1 Abs. 2 und 3 Ärztegesetz umschriebenen Tätigkeiten, "ohne hiezu nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften berechtigt zu sein", unter Strafe.
§ 2 Abs. 4 Ärztegesetz spricht davon, daß anderen Personen als den in Abs. 1 und 3 genannten Ärzten die Ausübung des ärztlichen Berufes verboten ist. Der Satzteil "ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung zu haben" entspricht somit keinem gesetzlichen Tatbild.
Darüberhinaus leidet das Verwaltungsstrafverfahren an folgenden Verfahrensmängeln:
Ankündigungen und Anpreisung von Tätigkeiten begründen - unabhängig von der Frage, ob sie als solche strafbar sind (der Beschwerdeführer wurde deswegen nicht bestraftÜ) - noch nicht den Beweis der Ausführung der angekündigten oder angepriesenen Tätigkeiten. Das erstinstanzliche Straferkenntnis und damit auch der angefochtene Bescheid vermochten nicht darzutun, wann, vor wem und mit welchem Inhalt der Beschwerdeführer vor Organen des Gesundheitsamtes Graz ein Geständnis abgelegt haben soll. Sofern die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens unter diesem Geständnis das Schreiben des Magistrates Graz an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Mai 1988 verstehen sollten, wonach der Beschwerdeführer "bei der Erhebung" gestand, "daß er diese Behandlungen auf Empfehlungen von Ärzten bei seinen Kunden auch durchführe", ist darauf hinzuweisen, daß aus dem Zusammenhang keineswegs klar hervorgeht, was unter "diesen Behandlungen" zu verstehen sei, weil im vorangehenden Absatz nur ganz allgemein davon gesprochen wird, daß der Beschwerdeführer "in diversen Aussendungen auch spezielle Behandlungen für Wirbelsäule und Migräne" ankündigte. Was unter diesen Behandlungen zu verstehen sei, ergibt sich aus dem genannten Schreiben aber nicht. Schließlich enthält auch die schriftliche Äußerung des Beschwerdeführers vom 8. Juli 1988 kein Geständnis der Vornahme einer spezifisch ärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Ärztegesetz. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer als "Sport- und Heilmasseur" bezeichnete, läßt noch keine Schlußfolgerung auf bestimmte ausgeführte Tätigkeiten zu; die im gleichen Absatz der Äußerung erwähnte Vornahme von Massagen und Gymnastik an der Wirbelsäule wird nicht als Tätigkeit des Beschwerdeführers, sondern als Tätigkeit einer unbestimmten Person, von der der anonyme Anzeiger erkennen solle, daß sie gewisse Behandlungserfolge erzielen könne, geschildert. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht der Ansicht, daß die bloße Behauptung, Heilungen durchführen zu können, ohne daß eine Untersuchung oder Behandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Ärztegesetz vorliegt, schon einen strafbaren Tatbestand bildet, weil man anders ja auch die Behauptung, durch Gebete Heilungen erzielen zu können, unter Strafe stellen müßte.
Aus dem weiter oben angeführten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren nach Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung mit S 360,--, die Vollmacht mit S 120,-- und der in einfacher Ausfertigung vorgelegte angefochtene Bescheid mit S 30,-- zu vergebühren waren.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180156.X00Im RIS seit
22.05.2001