TE Vfgh Erkenntnis 1987/12/1 V15/87

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Veröffentlicht am 01.12.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft;
L6930 Wasserversorgung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
BenützungsgebührenG. Sbg LGBl 31/1963 idF 70/1965 und 109/1970 §2
KanalbenützungsgebührenO der Stadt Salzburg vom 18.12.1973 idF vom 15.12.1983
FAG 1979 §15 Abs3 Z4
FAG 1979 §15 Abs3 Z5

Leitsatz

Für 1984 beschlossene Gebührenhöhe weiterhin in Geltung, wenn auch der zeitliche Anwendungsbereich der V auf im Jahre 1984 verwirklichte Tatbestände beschränkt ist; keine Bedenken gegen die gesetzliche Grundlage, insbesondere keine Bedenken, daß durch das Sbg. BenützungsgebührenG die Ermächtigung der Gemeinden nach §15 Abs3 Z4 FAG 1979 eingeengt wird; zum Begriff des Äquivalenzprinzips; längerfristige Gebührenkalkulation mit dem Äquivalenzprinzip an sich vereinbar; hier Rückgriff auf ungedeckte Abgänge "vergangener Kalenderjahre", die kalkulatorisch bewußt in Kauf genommen wurden, in Verletzung des Äquivalenzprinzips - Benützungsgebühr für 1984 von S 8,93 je m3 tatsächlichen Wasserverbrauches gesetzwidrig

Spruch

Die Zahl "8,93" im §4 Z2 der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg am 18. Dezember 1973 beschlossenen, im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 25/1973 kundgemachten Kanalbenützungsgebührenordnung, in der vom Gemeinderat am 15. Dezember 1983 beschlossenen, im Amtsblatt Nr. 24/1983 kundgemachten Fassung wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu B172/85 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Salzburg richtet. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg als Bf. gegen die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühren für das Jahr 1984 abgewiesen. Der beim VfGH angefochtene Berufungsbescheid stützt sich auf das Benützungsgebührengesetz, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 31/1963, in der Fassung Nr. 70/1965 und Nr. 109/1970 in Verbindung mit der Kanalbenützungsgebührenordnung der Landeshauptstadt Salzburg vom 18. Dezember 1973, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 25/1973, in der am 15. Dezember 1983 beschlossenen, im Amtsblatt Nr. 24/1983 kundgemachten Fassung.

§4 Z2 dieser Kanalbenützungsgebührenordnung lautet:

"Die Höhe der Gebühr für die Inanspruchnahme der Abwasseranlage je m3 tatsächlichen Wasserverbrauches beträgt im Jahre 1984 S 8,93 inklusive Umsatzsteuer."

2. Beim VfGH sind bei der Beratung über die angeführte Beschwerde Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Kanalbenützungsgebühr von S 8,93 je Kubikmeter tatsächlichen Wasserverbrauches entstanden. Er hat daher beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkiet der Zahl "8,93" in §4 Z2 der Kanalbenützungsgebührenordnung der Landeshauptstadt Salzburg in der Fassung der Kundmachung Amtsblatt Nr. 24/1983 zu prüfen.

Die Bedenken des VfGH gingen im wesentlichen dahin, daß die Höhe der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1984 dem für Benützungsgebühren nach §15 Abs3 Z4 des Finanzausgleichsgesetzes 1979, BGBl. 673/1978, geltenden Äquivalenzprinzip widerstreite.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VfGH liegt es im Wesen der Gebühr für die Benützung gemeindlicher Einrichtungen und Anlagen im Sinne des Finanzausgleichsrechtes, daß die gesamten Erträge der Gebühren zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürfen, als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwachsen vgl. z. B. VfSlg. 7583/1975 und VfSlg. 8847/1980). Bei der Erfassung des Jahreserfordernisses für die Festsetzung der Kanalbnützungsgebühr der Landeshauptstadt Salzburg für das Jahr 1984 wäre demzufolge ein im Jahre 1982 erzielter Einnahmenüberschuß in der Höhe von S 4,748.267,85 zu berücksichtigen gewesen. Dieser Überschuß hätte (unter Zugrundelegung der auf der Basis 1983 vorzunehmenden Schätzung des Wasserverbrauches für das Jahr 1984 und des Jahreserfordernisses, von dem der Überschuß abzuziehen gewesen wäre) zu einer Ermäßigung der Gebühr geführt. Demgegenüber wurde in die Kalkulation des Jahreserfordernisses für das Jahr 1984 vom Gemeinderat aus den Abgängen der Vorjahre ein Betrag einbezogen, "der unter Berücksichtigung des Überschusses 1982 erforderlich ist, um eine Beibehaltung des für das Jahr 1983 geltenden Bruttogebührensatzes auch für das Jahr 1984 zu rechtfertigen". Diese Abgänge aus dem Betrieb der städtischen Kanalisation betrugen laut Amtsbericht des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vom 1. Dezember 1983 in den Jahren 1974 bis 1980 insgesamt S 27,296.308,99. Bei der Festsetzung der Höhe der Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 1978, 1979 und 1980 hat der Gemeinderat zwar jeweils zum Ausdruck gebracht, daß die Abgänge der vorangegangenen Jahre von der Gemeinde zu tragen sind. Entgegen diesen Beschlüssen des Gemeinderates aus den Jahren 1977 bis 1979 hat der Gemeinderat, um die Beibehaltung des Bruttogebührensatzes von S 8,93 für das Jahr 1984 zu rechtfertigen, in seinem Beschluß vom 15. Dezember 1983 aus den Abgängen der Vorjahre einen entsprechenden Betrag unter Berufung auf §2 Abs4 des Benützungsgebührengesetzes miteinbezogen.

Der VfGH hat in seinem Prüfungsbeschluß zu B172/85 die Bedenken geäußert, daß

"Eine verfassungskonforme Auslegung des §2 Abs4 des Benützungsgebührengesetzes ... aber zu gebieten (scheint), unter dem Begriff 'vergangene Kalenderjahre' nicht eine unbeschränkt in der Vergangenheit liegende Zahl früherer Jahre, sondern nur Jahre zu verstehen, die in einer gewissen Nähe zu dem Jahr stehen, für das die Festsetzung des Tarifes der Gebühr vorzunehmen ist. Dabei wird sich der dem Verordnungsgeber im Einzelfall zustehende Spielraum für das Ausmaß der Heranziehung der ungedeckten Abgänge vergangener Kalenderjahre nach dem jeweiligen durchschnittlichen Ergebnis des Aufkommens an Gebühren zu richten haben. Es besteht das Bedenken, daß bei Abgängen des Gebührenertrages, wie sie sich in den Jahren 1974 bis 1981 gezeigt haben, ein Rückgriff auf ungedeckte Abgänge bis zum Jahre 1974 allein zu dem Zwecke, um die Wirkung des im Jahre 1982 erzielten Überschusses bei der Festsetzung der Gebühr für das Jahr 1984 auszuschalten, im §2 Abs4 des Benützungsgebührengesetzes nicht mehr gedeckt ist.

Vielmehr scheint es, daß die Festsetzung des Tarifes in der Höhe von S 8,93 für das Jahr 1984 wegen der Heranziehung ungedeckter Abgänge früherer Kalenderjahre mit dem Äquivalenzprinzip in Widerspruch steht."

3. In seiner Äußerung vom 11. 5. 1987 rechtfertigte der Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg die Höhe der Kanlabenützungsgebühr für das Jahr 1984 unter Hinweis auf die bisherige Judikatur des VfGH zum Äquivalenzprinzip damit, daß auch diese Gebühr "im zeitlichen Durchschnitt die Kosten der Leistungserstellung nicht übersteig(t)". Insbesondere führte der Gemeinderat aus, daß der im Jahr 1982 erzielte "Überschuß" in der Höhe von S 4,748.267,85 nur daraus resultierte, daß der Wasserwirtschaftsfonds die zu erwartende und daher kalkulierte Schuldendienstrate in der Höhe von S 10,5 Millionen im Jahr 1982 nicht vorschrieb, sondern erst im Jahr 1985. Nach Meinung des Gemeinderates wäre es auch zulässig gewesen, kalkulatorisch "bezüglich dieser Wasserwirtschaftsfonds-Rate - anstatt den 'Überschuß' in die Gebührenkalkulation 1984 einzubeziehen - eine (verzinste) Rücklage zu bilden, um damit die für die Folgejahre zu erwartende Nachzahlung der Wasserwirtschaftsfonds-Rate aus dem Jahr 1982 abdecken zu können. Dadurch hätte sich - ebenso wie im Fall, daß die für das Jahr 1982 zu bezahlende Wasserwirtschaftsfonds-Rate tatsächlich auch im Jahr 1982 vorgeschrieben worden wäre - anstelle des vorangeführten 'Überschusses' im Jahr 1982 ein Abgang von ca. S 5,8 Millionen ergeben, der bei der Kalkulation der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1984 im Sinne des §2 Abs4 Benützungsgebührengesetz ebenfalls zu berücksichtigen gewesen wäre."

Tatsächlich erfolgte die Beschlußfassung des Gemeinderates unter Berücksichtigung des "Überschusses" aus dem Jahr 1982 unter Heranziehung ungedeckter Abgänge vergangener Kalenderjahre in der Höhe von S 12,980.351,12. Das bedeutet, daß nicht alle innerhalb des zurückliegenden Zeitraumes von zehn Jahren (seit 1974) entstandenen noch ungedeckten Abgänge in die Gebührenkalkulation einbezogen wurden, sondern daß entsprechend der folgenden Aufstellung nur ein Teil des Abganges aus dem Jahre 1976 sowie die Abgänge aus den Jahren 1977 bis 1980 herangezogen wurden:

1980:    S 1,262.806,28

1979:    S   247.990,41

1978:    S 2,570.748,50

1977:    S 5,291.043,70

1976:    S 3,607.762,23                (Teil des Gesamtabganges

                                       aus 1976 von

                                       S 7,937.191,02; anstelle

                                       des vom Gemeinderat

                                       offenkundig aufgrund eines

                                       Rechenfehlers angegebenen

                                       Abgangsteiles von

                                       S 2,607.762,23)

         ---------------*****      S 12,980.351,12

Nach Meinung des Gemeinderates wurde der Abgang (= ungedeckte Kosten) als solcher auch nicht dadurch beseitigt, daß der Gemeinderat im Zuge der Beschlußfassungen über die Neufestsetzung der Kanalbenützungsgebühren für die jeweils folgenden Jahren bei der Erfassung des Jahreserfordernisses auf die Heranziehung ungedeckter Abgänge der vergangenen Kalenderjahre "verzichtet" hat. Aufgrund der Bestimmungen des §2 Abs4 Benützungsgebührengesetz muß es vielmehr nach Meinung des Gemeinderates als zulässig angesehen werden, daß der Gemeinderat - gleichgültig, ob er auf die Heranziehung der jeweiligen Abgänge der vergangenen Kalenderjahre für die Gebührenkalkulation eines bestimmten Jahres "verzichtet" hat oder nicht - vorhandene ungedeckte Abgänge vergangener Kalenderjahre innerhalb eines Zeitraumes von etwa zehn Jahren für die Erfassung des Jahreserfordernisses im Sinne des §2 Abs2 Benützungsgebührengesetz heranzieht. Da nur die ungedeckten Abgänge der vergangenen sieben Kalenderjahre und zu einem geringen Teil des achten Kalenderjahres herangezogen wurden, ergibt sich nach Auffassung des Gemeinderates, daß - über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet - "die aus den Kanalbenützungsgebühren erzielten Einnahmen immer noch erheblich unter dem Jahreserfordernis im Sinne des §2 Abs2 Benützungsgebührengesetz lagen und daher durch die Heranziehung dieser Abgänge im zeitlichen Durchschnitt gesehen nicht gegen das Äquvalenzprinzip verstoßen wurde".

Ferner wies der Gemeinderat in seiner Äußerung darauf hin, daß die ihm bei seiner Beschlußfassung vom 5. 12. 1983 betreffend die Neufestsetzung des Gebührentarifes für 1984 vorgelegene Gebührenkalkulation verschiedene Kostenfaktoren nicht oder nicht in voller Höhe berücksichtigte, deren Einbeziehung nach dem Äquivalenzprinzip aber zulässig gewesen wäre. Unter Berücksichtigung höherer Eigenkapitalzinsen und der anteiligen Kosten der Zentralverwaltung sowie des Vermessungsamtes hätte nach Meinung des Gemeinderates in die Gebührenkalkulation noch ein zusätzlicher Betrag in der Höhe von S 5,972.987,32 aufgenommen werden können, ohne dabei gegen das Äquivalenzprinzip zu verstoßen. Das hätte zur Folge, "daß für die gegenständliche Gebührenkalkulation tatsächlich nur die Abgänge der Jahre 1980, 1979 und 1978 sowie ein Teil des Jahres 1977 heranzuziehen gewesen wären."

Darauf hingewiesen hat der Gemeinderat schließlich, daß er auf die Heranziehung ungedeckter Abgänge ab dem Jahre 1979 anläßlich der Beschlußfassung der Kanalbenützungsgebühren für das jeweilige Folgejahr nicht einmal mehr "verzichtet" hat. Die tatsächliche Heranziehung ungedeckter Abgänge vergangener Kalenderjahre erfolgte aber erstmals bei der Festsetzung des Tarifes für das Jahr 1983 durch Heranziehung des Abganges aus dem Jahr 1981, sodaß die Abgänge aus den Jahren 1979 und 1980 bis zur Festsetzung des Tarifes für das Jahr 1984 völlig unberücksichtigt geblieben seien.

II. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Der VfGH hat bei seiner Entscheidung über die zu B172/85 protokollierte - zulässige - Beschwerde von der in §4 Z2 der Kanalbenützungsgebührenordnung - einer V - in der angeführten Fassung festgesetzten, durch die Zahl "8,93" bestimmten Höhe der Kanalbenützungsgebühr je Kubikmeter tatsächlichen Wasserverbrauches auszugehen.

Der VfGH nimmt ferner im Sinne seiner ständigen Judikatur zum Abgabenrecht (VfSlg. 8101/1977, 8709/1979 und 9374/1982) an, daß die am 15. Dezember 1983 beschlossene Höhe der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1984 weiterhin in Geltung steht, mag sich auch der zeitliche Anwendungsbereich dieser Verordnungsbestimmung auf im Jahre 1984 verwirklichten Gebührentatbestände beschränken.

III. Die vom VfGH im Prüfungsbeschluß zu B172/85 geltend gemachten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Zahl "8,93" in § 4 Z2 der Kanalbenützungsgebührenordnung in der Fassung Amtsblatt Nr. 24/1983 treffen zu.

1. Gemäß §1 des Benützungsgebührengesetzes, LGBl. 31/1963, in der Fassung der Novellen LGBl. 70/1965 und 109/1970, sind die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung (in der Landeshauptstadt Salzburg des Gemeinderates) Gebühren für die Benützung von gemeindeeigenen Trinkwasserversorgungs- und Abwasseranlagen zu erheben. Gemäß §2 Abs1 leg. cit. sind die Gebühren von der Gemeindevertretung (in der Landeshauptstadt Salzburg vom Gemeinderat) in einem Tarif festzusetzen. Gemäß §2 Abs2 leg. cit. ist der Festsetzung des Tarifes zugrundezulegen,

"daß das im Rechnungsjahr zu erwartende Aufkommen an Gebühren dem Jahreserfordernis für

a)

den Betrieb und die Erhaltung der jeweiligen Anlage (§1);

b)

die Verzinsung und Tilgung der von der Gemeinde aufgewendeten Herstellungskosten unter Berücksichtigung einer nach der Art der Anlage zu erwartenden Lebensdauer entspricht."

Gemäß §2 Abs4 leg. cit. können bei der Erfassung des Jahreserforernisses gemäß Abs2 auch ungedeckte Abgänge der vergangenen Kalenderjahre herangezogen werden.

Der VfGH hat bereits in seinem Prüfungsbeschluß ausgeführt, daß er gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen des Benützungsgebührengesetzes aus Anlaß des zu B172/85 anhängigen Falles keine Bedenken hegt. Insbesondere hat der VfGH die Auffassung vertreten, daß durch das Benützungsgebührengesetz die nach §15 Abs3 Z4 des Finanzausgleichsgesetzes 1979, BGBl. 673/1978 (seit 1. Jänner 1985 §15 Abs3 Z5 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. 544/1984), den Gemeinden eingeräumte Ermächtigung, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, auszuschreiben, nicht eingeengt wird (vgl. VfSlg. 10738/1985, 10947/1986; VfGH 11. 3. 1987, G169/86, V70/85; vgl. auch den Beschluß vom 28. 6. 1986, V70/85). Das Benützungsgebührengesetz legt in seinem §2 für die Festsetzung der Gebührentarife das Äquivalenzprinzip in einer der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. z.B. VfSlg. 7583/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur sowie VfSlg. 8847/1980) entsprechenden Art und Weise fest.

Der VfGH bleibt auch bei seiner bereits im Erkenntnis VfSlg. 8847/1980 vertretenen Rechtsmeinung, daß das Äquivalenzprinzip nur erfordert, "daß im zeitlichen Durchschnitt die Gebühren die Kosten der Leistungserstellung nicht übersteigen", sodaß gegen die gemäß §2 Abs4 Benützungsgebührengesetz zulässige Heranziehung ungedeckter Abgänge der vergangenen Kalenderjahre bei der Erfassung des Jahreserfordernisses nichts einzuwenden ist.

Wie aus der Begründung des Erkenntnisses des VfGH VfSlg. 8847/1980, S. 491, deutlich wird, hat der VfGH die Aufrechnung der Verluste mit den Gewinnen beim Betrieb einer Gemeindeeinrichtung über einen Zeitraum von - damals - zehn Jahren mit Rücksicht darauf als gerechtfertigt angesehen, daß "bei Festsetzung der Gebühren ... nur von Prognosewerten ausgegangen werden (kann)". Lediglich Verluste oder Gewinne, die sich aus den einer Prognose (als einer bloßen Wahrscheinlichkeitsaussage) zwangsläufig anhaftenden Unsicherheiten ergeben, erachtete der VfGH in jenem Erkenntis als zulässige Rechtfertigung für eine über einen längeren Zeitraum angestellte Äquivalenzrechnung für Benützungsgebühren.

Der VfGH schließt aber auch nicht aus, daß zwecks Vermeidung größerer jährlicher Sprünge in der Gebührenhöhe eine längerfristige Gebührenkalkulation mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar ist, die einzelne oder auch mehrere Jahre lang Verluste (bzw. Überschüsse) absichtlich - also nicht aufgrund von Prognosefehlern - entstehen läßt, um diese Verluste (bzw. Überschüsse) auf der Basis derselben Kalkulation durch erwartete Überschüsse (bzw. Verluste) späterer Jahre auszugleichen. Das Äquivalenzprinzip für Benützungsgebühren gemäß §15 Abs3 Z4 Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. 673/1978 (jetzt §15 Abs3 Z 5 Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984), ist insoweit lediglich als Verbot anzusehen, bei der Festsetzung der Gebühren für Gemeindeeinrichtungen und -anlagen über jene Kosten hinauszugehen, die den Gemeinden bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Errichtung und einem ebensolchen Betrieb einer Anlage insgesamt erwachsen.

Der VfGH hält es hingegen mit dem Äquivalenzprinzip ebenso wie mit dem in diesem Sinne auszulegenden §2 Benützungsgebührengesetz für unvereinbar, die Kalkulationsgrundlagen für die jeweilige Jahresgebühr nach Belieben zu verändern. Das Äquivalenzprinzip gestattet es nicht, eine ständige Gebührenkalkulation aus Anlaß eines einmaligen Jahresgewinns im nachhinein so zu verändern, daß dieser Gewinn bei der folgenden Gebührenfestlegung nicht berücksichtigt wird. Die Beschlüsse des Gemeinderates vom 15. 12. 1977, wonach "die Abgänge 1974 bis 1976 ... von der Gemeinde zu tragen" sind, vom 15. 12. 1978, wonach "der ungedeckte Abgang des Jahres 1977 bei der Erfassung des Jahreserfordernisses gemäß §2 Abs2 Benützungsgebührengesetz nicht herangezogen und sohin der Abgang von der Gemeinde getragen werden soll" und vom 14. 12. 1979, wonach die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1980 ausdrücklich ohne Heranziehung des ungedeckten Abganges des Jahres 1978 beschlossen wurde, besitzen zwar als solche keinen rechtsverbindlichen Charakter. Als Bestandteil einer längerfristigen gemeindlichen Gebührenkalkulation schließen sie aber aus, daß Verluste aus den Kanalbenützungsgebühren, die in den Jahren 1974 bis 1980 entstanden sind, herangezogen werden, um bei der Festlegung der Kanalbenützungsgebühr für 1984 den in der Jahresrechnung für 1982 aufscheinenden Gewinn auszugleichen. Eine diesen Ausgleich zulassende Auslegung des §2 Abs4 Benützungsgebührengesetz würde dem Äquivalenzprinzip widersprechen.

Aber auch der von der Gemeinde in ihrer Äußerung vom 11. 5. 1987 unternommene Versuch, zur Rechtfertigung ihres Kanalbenützungsgebührentarifs für 1984 neue Kostenfaktoren nachzuschieben, wie etwa die erst später zu entrichtende Wasserwirtschaftsfonds-Schuldendienstrate oder die bisher in der Gebührenkalkulation nicht veranschlagten Kosten der zentralen Verwaltung oder des Vermessungsamtes, ist nach Meinung des VfGH mit einer am Äquivalenzprinzip zu messenden Gebührenkalkulation nicht zu vereinbaren. Das Äquivalenzprinzip würde seinen die Höhe von Benützungsgebühren im Sinne des §15 Abs3 Z4 Finanzausgleichsgesetz 1979 (bzw. §15 Abs3 Z5 Finanzausgleichsgesetz 1985) begrenzenden Charakter weitgehend verlieren, wenn es der Gemeinde bei jeder neuen Gebührenfestsetzung für eine bestimmte Gemeindeeinrichtung offenstünde, durch eine nachträgliche Änderung der für die Gebührenkalkulation maßgeblichen Kostenfaktoren die Gebührenhöhe zu manipulieren. Auch die von der Gemeinde in ihrer Äußerung vom 11. 5. 1987 völlig neu angeführten Kostenfaktoren bewirken daher eine mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbare Änderung der für die Gemeindekanalisation von der Gemeinde selbst gewählten Kalkulationsgrundlagen.

Ein Rückgriff auf ungedeckte Abgänge "vergangener Kalenderjahre", die kalkulatorisch bewußt in Kauf genommen wurden, ist sohin nach Meinung des VfGH bei der Gebührenfestsetzung gemäß §2 Benützungsgebührengesetz nur zulässig, sofern der Rückgriff im Rahmen des Äquivalenzprinzips auf der Grundlage einer einmal gewählten Gebührenkalkulation erfolgt. Dies ist hinsichtlich des Beschlusses des Gemeinderates vom 15. Dezember 1983, kundgemacht im Amtsblatt Nr. 24/1983, für die Höhe der Kanalisiationsgebühren im Jahre 1984 nicht der Fall.

Die Zahl "8,93" in §4 Z2 der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg am 18. Dezember 1973 beschlossenen, im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 25/1973

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinden, Kanalisation, Abgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V15.1987

Dokumentnummer

JFT_10128799_87V00015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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