TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/7 90/18/0096

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Veröffentlicht am 07.09.1990
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

N gegen oberösterreichische Landesregierung betreffend Übertretungen Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf die Sachverhaltsdarstellung und die rechtlichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1989, Zl. 88/18/0353, wird hingewiesen. Nach Einlangen dieses aufhebenden Erkenntnisses bei der belangten Behörde ließ diese das Beweisverfahren ergänzen. Der derzeit 26-jährige Beschwerdeführer erklärte in einem Schriftsatz vom 2. Mai 1989, glaublich mit 15 Jahren habe er sich bei der Sportausübung einmal den Kopf angeschlagen. Er habe damals keinen Arzt aufgesucht, da sich sein körperlicher Zustand sehr rasch gebessert habe. Eine relative Alkoholintoleranz sei ihm weder "seit der Tat" (23. Oktober 1986) noch vorher bekannt gewesen. Die unsichere Rombergprobe führe er auf die Müdigkeitszunahme zwischen Beendigung der Fahrt und der klinischen Untersuchung (Zeitraum etwa eine halbe Stunde) zurück. Die Eltern des Beschwerdeführers, zur Frage der Sportverletzung im Alter von 15 Jahren vernommen, entschlugen sich der Aussage. Der Beschwerdeführer beantragte die Vernehmung eines ständig bestellten gerichtlichen Sachverständigen zum Nachweis des Umstandes, daß die "positiven" Ergebnisse bei der klinischen Untersuchung ausschließlich oder überwiegend auf eine Ermüdungszunahme zurückzuführen seien. Ein medizinischer Amtssachverständiger führte zur Frage dieser Ermüdungszunahme folgendes aus:

"Die Korrelation zwischen Blutalkoholkonzentration und Drehnystagmusnachweis ist nach Untersuchungen (U. Heifer) hoch signifikant. Bei Blutalkoholkonzentrationen in der Höhe ab 0,7 bis 0,8 %o wird eine deutliche Nystagmusverlängerung, wie im gegenständlichen Fall, festgestellt.

Eine Ermüdung zur Nachtzeit bewirkt weder beim Nüchternen, noch beim alkoholisierten Probanden eine Verlängerung des grobschlägigen Drehnystagmus, es wurde im Gegenteil eine mäßige und relative Erniedrigung der Nystagmuswerte gefunden.

Taschen beschrieb diese Methode als die 'sicherste Probe zur Feststellung der Alkoholbeeinflussung'. Ebenso weisen die Rombergprobe und der Finger-Finger-Versuch, die beide unsicher ausgeführt wurden, auf Gleichgewichtsstörungen hin, wie sie bei Alkoholbeeinträchtigung vorkommen. Lediglich die Rötung der Augenbindehäute ist nur im positiven Fall Hinweis für Alkoholkonsum, wobei jedoch festgestellt wird, daß diese auch durch andere Einflüsse (z.B. Raucheinwirkung im Lokal) hervorgerufen werden kann.

Beurteilung:

Eine erhebliche Ermüdungszunahme zwischen Tatzeit und klinischer Untersuchung erfolgt nicht, so daß die klinische Untersuchung die Verhältnisse einer Alkoholbeeinträchtigung und daraus resultierender Fahruntüchtigkeit wiedergibt.

Begründung:

Wie aus den Literaturangaben hervorgeht, stellt die Untersuchung des Drehnystagmus eine sichere Methode zur klinischen Untersuchung von alkoholbeeinträchtigten Probanden dar, die nicht durch Ermüdungserscheinungen zugunsten des Probanden verändert wird. Zu Ermüdungserscheinungen ist festzustellen, daß aus den Erfahrungen des täglichen Lebens und nach Literaturangaben Zustände von Schlaftrunkenheit und Übermüdung eher oberflächliche Zustände sind, die durch Ansprache, ein Geräusch, eine Berührung beendet werden können und dann schlagartig in den Zustand des Hell-Wachseins übergehen. Begünstigende Faktoren (wie sie z.B. auf monotonen Fahrstrecken wie Autobahnfahrten, monotones Motorengeräusch u. ä.), die dann kurze Schlafphasen (Sekundenschlaf) verursachen, haben nicht vorgelegen. Vielmehr stellt die Untersuchungssituation (Gendarmeriebeamte, Arzt, Atemalkoholbestimmung) eine Situation dar, die Ermüdungserscheinungen über ihre Alarmfunktion in den Hintergrund treten läßt. Auf Grund der Literaturangaben ist eine Veränderung, insbesondere des Nystagmus, der objektiven Angaben der klinischen Untersuchung durch die angeführte Ermüdung in der gegebenen Situation nicht ins Treffen zu führen."

Der Beschwerdeführer beantrage seine "Nachuntersuchung" dahin, daß allenfalls bei ihm ein Nystagmus von 10 Sekunden auch im Normalzustand, also ohne Alkoholisierung, bestünde, weil der Amtssachverständige seine individuelle Konstitution nicht berücksichtigt habe. Ferner möge das Röhrchen der Atemluftprobe beigeschafft werden, da dieses zur Bestimmung eines Alkoholwertes ungeeignet und unbrauchbar gewesen sei. Es werde in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen.

Mit Bescheid vom 7. März 1990 wies die oberösterreichische Landesregierung die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ab und bestätigte dieses vollinhaltlich. In der Begründung wurde nach Darstellung des ergänzenden Verwaltungsstrafverfahrens ausgeführt, die Behörde halte das Gutachten ihres Amtssachverständigen für schlüssig und glaubwürdig; es entspräche auch der allgemeinen Lebenserfahrung, daß eine so plötzliche Ermüdungszunahme, wie vom Beschwerdeführer behauptet, nicht vorkomme. Eine Gleichgewichtsstörung nach einer vor Jahren erlittenen Gehirnerschütterung sei nicht nachweisbar. Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers liege keine besondere Alkoholintoleranz bei ihm vor. Die Berufungsbehörde gehe daher, wie im ersten Rechtsgang, von den durch Dr. F erhobenen klinischen Befundmerkmalen aus, insbesondere von der unsicheren Rombergprobe und vom grobschlägigen Nystagmus von 10 Sekunden. Bei derartigen Ausfallserscheinungen komme die Berufungsbehörde zur Überzeugung, daß sich der Beschwerdeführer auch zur Tatzeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand befunden habe. Eine sowohl durch Alkoholkonsum als auch durch Übermüdung des Lenkers hervorgerufene Fahruntüchtigkeit sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem § 5 Abs. 1 StVO zu unterstellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Frage der angeblichen Kopfverletzung des Beschwerdeführers im Alter von ungefähr 15 Jahren ist zu sagen, daß dieser Tatsachenkomplex ausschließlich unter die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers fällt, da nach seinen eigenen Angaben damals ein Arzt nicht konsultiert wurde und sich der körperliche Zustand des Beschwerdeführers rasch besserte. Nur der Beschwerdeführer hätte demnach in diesem Verwaltungsstrafverfahren Umstände aufzeigen können, die, von dieser angeblichen Verletzung herrührend, für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes wesentlich sein könnten. Er hat dies aber unterlassen. Wenn ihm selbst weder vor der hier behandelten Straftat noch seither eine relative Alkoholintoleranz bekannt geworden ist, ist zu fragen, wem sonst eine solche Alkoholintoleranz - die vom Beschwerdeführer ausdrücklich nie behauptet wurde - bekannt sein sollte. Infolge dieser mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers ist es auch gänzlich unerheblich, ob die Eltern des Beschwerdeführers trotz ihrer Zeugnisverweigerung doch zu gewissen Aussagen durch die Erstbehörde und die ersuchte Behörde veranlaßt wurden; Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers wurden durch diesen Vorgang nicht verletzt.

Die Frage der vom Beschwerdeführer behaupteten raschen Ermüdungszunahme wurde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes durch die Aussage des Amtssachverständigen genügend geklärt; daß eine sowohl durch Alkoholkonsum als auch durch Übermüdung des Lenkers hervorgerufene Fahruntüchtigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem § 5 Abs. 1 StVO zu unterstellen ist, wurde bereits im aufhebenden Erkenntnis vom 17. Februar 1989 ausgesprochen.

Die vom Beschwerdeführer begehrte "Nachuntersuchung des Drehnystagmus im nüchternen Zustand" wurde aus folgenden Gründen zu Recht unterlassen:

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 16. November 1988, Zl. 88/02/0121, wäre es Sache des (dortigen) Beschwerdeführers gewesen, durch konkretes Tatsachenvorbringen in Bezug auf seine Person aufzuzeigen, auf welche anderen Faktoren der Nystagmuswert und die (dortige) träge Pupillenreaktion zurückzuführen gewesen seien, was aber der (dortige) Beschwerdeführer unterlassen habe. Auf die unbestimmte und allgemeine Rüge des (dortigen) Beschwerdeführers, der Nystagmuswert müsse falsch erhoben werden, brauchte die belangte Behörde nicht einzugehen, so daß in der Unterlassung einer diesbezüglichen späteren "Nüchternkontrolle" ein Verfahrensmangel nicht erblickt werden könne. Wendet man die dort ausgesprochenen Rechtssätze auf den vorliegenden Fall an, so ist nicht zu verkennen, daß der Beschwerdeführer es durchwegs unterlassen hat, durch konkretes Tatsachenvorbringen zu bescheinigen, daß und aus welchen Gründen bei ihm schon im nüchternen Zustand höhere Nystagmuswerte auftreten sollten. Seine Behauptung reduziert sich vielmehr auf den - unzutreffenden - Schluß, weil er zur Tatzeit und zur Zeit der Untersuchung nicht alkoholbeeinträchtigt gewesen sei, müsse der von Dr. F erhobene Nystagmuswert seinem Nüchternwert entsprechen. Dies ist aber ein falscher Schluß.

Da in der diesbezüglichen medizinischen Literatur Aussagen dahin nicht gefunden werden können, alle üblichen Alkoholisierungssymptome MÜSZTEN gleichzeitig bei allen derart untersuchten Personen auftreten, erübrigte sich eine Begründungspflicht für die belangte Behörde dahin, warum eine prompte Pupillenreaktion mit einer unsicheren Rombergprobe und einem Nystagmus von 10 Sekunden vereinbar sein solle.

Die Erstbehörde hat ausdrücklich den Angaben der Zeugin M aus bestimnten angegebenen Gründen keinen Glauben geschenkt. Daß sich die Berufungsbehörde im ersten Rechtsgang nicht mit der diesbezüglichen Rüge ausdrücklich auseinandersetzte, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1989 nicht als wesentlichen Verfahrensmangel aufgegriffen, weil aus der gegebenen Begründung des Berufungsbescheides hervorging, daß die Berufungsbehörde die diesbezügliche Beurteilung der Erstbehörde teilte. Daher kann dieser Umstand, bei sonst unverändertem Sachverhalt, auch im zweiten Rechtsgang keinen Verfahrensmangel darstellen.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Beischaffung des Röhrchens über die Atemluftprobe hätte zur Aufklärung des vorliegenden Sachverhaltes nichts beigetragen, weil aus dem positiven Ergebnis der Alkoholprobe allein niemals eine Fahruntüchtigkeit eines Lenkers erschlossen werden kann und eine solche im vorliegenden Fall auch nicht erschlossen wurde. Die vom Beschwerdeführer genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betrifft völlig andere Fälle, nämlich jene einer unrichtigen Gebrauchsanweisung zu Atemlufttestgeräten, was aber nur bei der Übertretung nach § 5 Abs. 4 lit. a StVO zur Aufhebung von Bescheiden führte.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung zusätzliche Komponenten Medikamente MüdigkeitAlkoholbeeinträchtigung FahrtüchtigkeitVerfahrensrecht BeweismittelVerfahrensrecht BeweiswürdigungAlkoholbeeinträchtigung AlkoholintoleranzFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkotest

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180096.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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