TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/7 89/14/0286

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Veröffentlicht am 07.09.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
21/01 Handelsrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs5;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
HGB §1;
HGB §15;
HGB §2;
HGB §3;
HGB §5;
StGG Art2;

Beachte

Besprechung in: AnwBl 11/1990, S 636;; ÖStZB 1991, 228; ÖStZ 22/1990, S 268; SWK 1991/7, R28;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 3. Oktober 1989, Zl. 333-3/86, betreffend einheitliche und gesondere Feststellung von Einkünften für 1983:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin und ihr Bruder sind je zur Hälfte Erben nach ihrem gemeinsamen Vater, der 1977 verstorben ist. Dieser betrieb als Einzelkaufmann eine Fabrik unter einer seit 1941 im Handelsregister eingetragenen Firma. Die Beschwerdeführerin und ihr Bruder setzten nach dem Tod des Vaters den Betrieb des Unternehmens fort, ohne sich jedoch über den Inhalt eines Gesellschaftsvertrages zu einigen. 1979 wurde der Nachlaß den beiden Geschwistern je zur Hälfte eingeantwortet. Die Erben wurden vom Registergericht zur Herstellung der Registerordnung aufgefordert. Da eine Einigung über die vorgesehene offene Handelsgesellschaft (OHG) zwischen den Geschwistern nicht zustandekam, erfolgte auch keine gesetzmäßige Anmeldung einer solchen Gesellschaft zum Handelsregister. 1983 überließ die Beschwerdeführerin mit Erbübereinkommen den Betrieb ihrem Bruder, der hierauf als Alleininhaber der Firma in das Handelsregister eingetragen wurde.

Bei Feststellung der Einkünfte der Personengesellschaft (Erbengemeinschaft) aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr wurde bei dem der Beschwerdeführerin durch die Veräußerung ihres Anteiles am Unternehmen entstandenen Gewinn entgegen deren Antrag der Wert des Grund und Bodens nicht außer Ansatz gelassen. Die Beschwerdeführerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Gewinnermittlung nicht nach § 5 EStG 1972, sondern nach § 4 Abs. 1 EStG 1972 zu erfolgen habe und daher der letzte Satz dieser Vorschrift zur Anwendung komme. Dies deshalb, weil die Firma der Personengesellschaft nie in das Handelsregister eingetragen worden sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge. Sie vertrat die Ansicht, es könne nicht darauf ankommen, ob die Beschwerdeführerin bzw. die Mitunternehmerschaft im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Nach außenhin sei das Unternehmen als Firma unter deren Bezeichnung seit Jahrzehnten aufgetreten. Wer der jeweilige Inhaber sei, habe auf die Firmenbezeichnung so lang keinen Einfluß, als ein Erbe oder mehrere Erben vorhanden seien, die das Unternehmen entweder als Einzelfirma oder als Personengesellschaft ohne Änderung des Firmennamens fortführen. Andernfalls wiese das Gesetz eine Lücke auf.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht verletzt, "daß Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme und sonstige Wertänderungen von Grund und Boden in concreto nicht zu berücksichtigen sind". Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 hat nach dieser Vorschrift Gewerbetreibende zur Voraussetzung, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist. Es ist daher gleichgültig, ob die Firma zu Recht oder zu Unrecht im Handelsregister eingetragen oder ob ihre Eintragung zu Recht oder zu Unrecht unterblieben ist. Mit dieser - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Lösung hat es der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß (auf Dauer oder auch nur vorübergehend) auch der Gewinn von Vollkaufleuten nach § 4 Abs. 1 EStG 1972 zu ermitteln ist, der Gewinn von Minderkaufleuten jedoch nach § 5 EStG 1972, weil es sich hiebei lediglich um atypische Fälle handelt, in denen (ausnahmsweise) der Registerzwang noch nicht zum Durchbruch gekommen ist (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1972, B 145/72, VfSlg. 6928/1972).

Treten solche atypischen Fälle ein, weil der Registerstand vom Betroffenen nicht - wie es seine Pflicht wäre - sogleich berichtigt wurde und das Verfahren zur Herstellung der Registerordnung nicht, nicht zeitgerecht oder verzögert durchgeführt wurde, so hat der Gesetzgeber die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen mit der von ihm gewählten Lösung eingeplant. Von einer (unbeabsichtigten) Gesetzeslücke, die durch Auslegung zu schließen wäre, kann daher nicht gesprochen werden. Der Gesetzgeber hat nämlich dadurch, daß er nicht auf die Vollkaufmannschaftseigenschaft, sondern auf die Handelsregistereintragung abgestellt hat, bewußt dem Interesse der Verwaltungsökonomie (vgl. Quantschnigg, Steuerliche Stellung der neuen Erwerbsgesellschaft, ÖStZ 1990, 127: "Auf die Eintragung im Handelsregister wurde aus Gründen der Vereinfachung und der Transparenz abgestellt") den Vorzug eingeräumt und damit auch seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

§ 5 EStG 1972 spricht - ebenso wie § 2 Abs. 5 EStG 1972 (vgl. zu dieser Bestimmung das hg. Erkenntnis vom 26. April 1989, 89/14/0015, ÖStZB 1989, 448) - von Gewerbetreibenden, DEREN Firma im Handelsregister eingetragen ist; damit wird ausdrücklich die Eintragung der Firma im Handelsregister dem betreffenden Gewerbetreibenden zugeordnet und nicht einem Unternehmen. Auf derselben Linie liegen die die Firma betreffenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches. Aus dem Begriff der Firma (§ 17 HGB), wonach diese der Name ist, unter dem ein Kaufmann im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt, folgt, daß die Firma jeweils einer bestimmten physischen oder juristischen Person oder jedenfalls einem teilrechtsfähigen Gebilde - wie etwa einer OHG - zuzurechnen ist. § 31 HGB zählt daher zu den eintragungspflichtigen Änderungen auch die des Inhabers der Firma. § 106 HGB spricht davon, daß die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist und die Anmeldung unter anderem die FIRMA DER GESELLSCHAFT zu enthalten hat.

Die Ansicht der belangten Behörde, es komme nicht darauf an, ob die Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) im Handelsregister eingetragen war, weil nach außenhin DAS UNTERNEHMEN als Firma unter derselben Bezeichnung aufgetreten sei, ist mit der dargestellten Rechtslage unvereinbar.

Auch wenn etwa eine OHG berechtigt ist, die Firma eines registrierten Einzelkaufmannes zu führen (fortzusetzen), bedeutet dies also nicht, daß sie schon allein deshalb Gewerbetreibender ist, dessen Firma im Sinne des § 5 EStG 1972 in das Handelsregister eingetragen ist. Es fehlt nämlich bis zu dieser Eintragung eine registermäßige Zuordnung der Firma zu dem betreffenden Gewerbetreibenden, unter dem - wie bereits gesagt - gemäß § 5 EStG 1972 nicht ein Unternehmen, sondern nur eine bestimmte (physische oder juristische) Person oder ein teilrechtsfähiges Gebilde (OHG, KG) verstanden werden kann.

Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, wie die Rechtslage aus §§ 5, 4 Abs. 1 EStG 1972 für den ruhenden Nachlaß eines Einzelkaufmannes, der einen oder mehrere Erben hinterläßt, zu beurteilen wäre, weil im vorliegenden Streitjahr der ruhende Nachlaß bereits seit 1979 infolge Einantwortung untergegangen war. Die Erbengemeinschaft war aber jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Beteiligungsveräußerung kein Gewerbetreibender, dessen Firma im Handelsregister eingetragen war. Die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 lagen daher nicht vor. § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1972 wäre von der belangten Behörde somit zu beachten gewesen.

Da die belangte Behörde solcherart die Rechtslage zum Nachteil der Beschwerdeführerin verkannt hat und diese infolgedessen im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzte, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Von der Durchführung der Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140286.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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