TE Vwgh Beschluss 1990/9/7 90/14/0146

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Veröffentlicht am 07.09.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

N auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg Zl 90/14/0042 protokollierten Beschwerde:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1990, Zl 90/14/0042-5, wurde das Verfahren betreffend die vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom 27. November 1989, Zl 30.785-3/89, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1975 bis 1981 sowie Verspätungszuschläge und Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1980, 1. Jänner 1981 und 1. Jänner 1982 eingestellt, weil der Antragsteller dem an ihn ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als er zwar innerhalb der gesetzten Frist alle Beschwerdeausfertigungen um den Sachverhalt ergänzt hatte, jedoch weder den zurückgestellten angefochtenen Bescheid noch die zurückgestellte Urkunde über das Vollmachtsverhältnis (in der Folge: Vollmacht) wieder vorlegte.

Mit dem nunmehrigen, am 17. Juli 1990 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Antragsteller unter Vorlage dreier Beschwerdeausfertigungen, des zurückgestellten angefochtenen Bescheides sowie der zurückgestellten Vollmacht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei er zur Begründung ausführt, erst durch den am 3. Juli 1990 zugestellten hg Beschluß vom 22. Mai 1990 habe er Kenntnis erlangt, daß dem Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde nicht zur Gänze nachgekommen worden sei. Wie sich auf Grund der angestellten Nachforschungen ergeben habe, habe sein Rechtsfreund die vom Gerichtshof auferlegte Frist im Kanzleikalender in Evidenz gehalten. Nach Einholung der entsprechenden Information seien die Beschwerdeausfertigungen ergänzt und gemeinsam mit dem zurückgestellten Bescheid sowie der zurückgestellten Vollmacht seinem Rechtsfreund zur Unterschrift vorgelegt worden. Sein Rechtsfreund habe anläßlich der Unterschriftsleistung die in der Rubrik genannten Beilagen (3-fach, 1 Bescheidkopie, 1 Vollmacht) kontrolliert und hiebei festgestellt, daß diese den Beschwerdeausfertigungen beigelegt gewesen seien. Nach der Unterschriftsleistung seien die Beschwerdeausfertigungen samt Beilagen einer verläßlichen, bereits seit drei Jahren in Anwaltskanzleien tätigen Kanzleikraft zum Kuvertieren übergeben worden. Diese habe die Beilagen jedoch nicht kuvertiert, sondern irrtümlich im Handakt abgelegt. Es sei seinem Rechtsfreund trotz ständiger und laufender Termin- und Fristenkontrolle nicht möglich gewesen, dieses Versehen der jahrelang bewährten Kanzleikraft hintanzuhalten, weswegen die unterlassene Kuvertierung der Beilagen als entschuldbare Fehlleistung zu bewerten sei. Ein derartiger Fehler sei der Kanzleikraft bei der Abfertigung der Post noch nie unterlaufen. Die Postabfertigung werde - soweit es der Kanzleibetrieb ermögliche - von seinem Rechtsfreund persönlich überwacht. Die im § 46 Abs 3 VwGG normierte Frist sei gewahrt.

Dem Antrag ist eine eidesstättliche Erklärung der erwähnten Kanzleikraft beigeschlossen, in der die Ausführungen des Antragstellers bestätigt werden.

Die Behauptungen des Antragstellers konnten im Hinblick auf die detaillierten Angaben im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in der eidesstättlichen Erklärung im Zusammenhalt mit dem Inhalt des Aktes zur hg Zl 90/14/0042 als bescheinigt angesehen werden. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der Antrag aus folgenden Erwägungen berechtigt:

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S 656 f). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmungen des § 46 Abs 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen einer Kanzleikraft eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat. Unterläuft einer Kanzleikraft, deren Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben samt den zugehörigen Beilagen durch den Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung ein Fehler, so stellt dies nach der hg Rechtsprechung ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl den hg Beschluß vom 20. Juni 1990, Zl 90/13/0136). Eine regelmäßige Kontrolle der Kuvertierung durch eine verläßliche Kanzleikraft ist einem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht dessen Sorgfaltspflicht überspannen.

Diese in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Erwägungen kommen auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Auch hier hat der Rechtsfreund des Antragstellers das für die fristgerechte Erfüllung des ihm erteilten Auftrages zur Verbesserung der Beschwerde Erforderliche vorgekehrt. Zur Versäumung der aufgetragenen Frist kam es nur auf Grund des oben beschriebenen Versehens einer Kanzleikraft, das dieser erst nach fristgerechter Unterfertigung aller Beschwerdeausfertigungen durch den Rechtsfreund des Antragstellers und Erteilung der Weisung, diese Beschwerdeausfertigungen samt den Beilagen dem Verwaltungsgerichtshof zu übersenden, im Zug der Abfertigung unterlaufen ist. Da dem Antragsteller und seinem Rechtsfreund ein Verschulden an der Versäumung nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990140146.X00

Im RIS seit

07.09.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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