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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 307;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 30. März 1989, Zl. 163-GA3BK-DZa/88, betreffend Einkommensteuer 1987:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist in Österreich beschränkt steuerpflichtig. Er bezog im Jahr 1987 als Gesellschafter einer österreichischen Kommanditgesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von S 77.007,--.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid versagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Gewährung des allgemeinen Steuerabsetzbetrages gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1972 bei der Einkommensteuerberechnung für 1987. Die strittige Frage, ob der Verweis des § 102 Abs. 3 EStG auf § 33 Abs. 8 EStG zu einer generellen Einräumung von Absetzbeträgen bei beschränkter Steuerpflicht führt, beantwortete die belangte Behörde im wesentlichen folgendermaßen: Mit dem ersten Satz des § 102 Abs. 3 EStG, wonach sich die Einkommensteuer allein nach den Vorschriften des § 33 Abs. 1 und 2 EStG bemesse, werde klargestellt, daß bei der Berechnung der Einkommensteuer für beschränkt Steuerpflichtige ausschließlich diese Bestimmungen zur Anwendung kämen, während die in § 33 Abs. 3 bis 6 EStG vorgesehenen Absetzbeträge nicht zu gewähren seien. Der letzte Satz des § 102 Abs. 3 EStG, mit dem auf § 33 Abs. 8 EStG verwiesen werde, sei daher inhaltsleer.
Der Beschwerdeführer beantragt diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Einkommensteuer für beschränkt Steuerpflichtige, die veranlagt werden, bemaß sich seit 1973 aufgrund des § 102 Abs. 3 EStG 1972 ("allein") nach den Vorschriften des § 33 Abs. 1 und 2 ohne Berücksichtigung der in den folgenden Absätzen des § 33 angeführten Steuerabsetzbeträge, wobei gemäß § 102 EStG 1972 Abs. 3 zweiter Satz bis 1986 die Einschleifbestimmung des § 33 Abs. 8 anzuwenden war (vgl. Hofstätter - Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 102 EStG 1972 TZ 4).
Im Abgabenänderungsgesetz 1986, BGBl. Nr. 562, wurde die in § 33 Abs. 8 EStG enthaltene Einschleifregelung in den Abs. 7 vorgezogen, und die bisherige Regelung des Abs. 7, wonach die Absetzbeträge der Absätze 3 bis 6 nur bis zur Höhe der sich nach den Absätzen 1 und 2 ergebenden Steuer zu berücksichtigen sind, in den Abs. 8 übernommen. § 102 EStG erfuhr durch dieses Abgabenänderungsgesetz keine Änderung.
Mit dem zweiten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 312, wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1987 für die Berechnung der Einkommensteuer bei beschränkter Steuerpflicht eine eigene Einschleifbestimmung in den § 102 Abs. 3 EStG aufgenommen. Die Bestimmung lautet:
"Die Einkommensteuer ist bei beschränkt Steuerpflichtigen, die veranlagt werden, gemäß § 33 Abs. 1 und 2 zu berechnen. Beträgt die Einkommensteuer weniger als S 3.800,--, so ermäßigt sich der zu erhebende Betrag um den Unterschiedsbetrag zwischen S 3.800,-- und der Einkommensteuer; § 33 Abs. 8 ist zu beachten."
§ 33 Abs. 8 EStG 1972 lautet in der anzuwendenden Fassung:
"Die in den Absätzen 3 bis 7 vorgesehenen Abzüge sind insgesamt nur bis zur Höhe der nach Abs. 1 und 2 berechneten Steuer zu berücksichtigen."
Der Beschwerdeführer vertritt nun die Auffassung, daß aufgrund der geänderten Rechtslage die in § 33 EStG vorgesehenen Absetzbeträge ab der Veranlagung für das Jahr 1987 auch beschränkt Einkommensteuerpflichtigen zu gewähren sind. Dies leitet er aus dem Verweis des § 102 Abs. 3 EStG in der anzuwendenden Fassung auf § 33 Abs. 8 EStG ab. Wenn diese Bestimmung lediglich von einer betragsmäßigen Beschränkung der Absetzbeträge spreche, werde damit das grundsätzliche Recht, Absetzbeträge geltend zu machen, vorausgesetzt. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde eine nicht mehr geltende Fassung des § 102 Abs. 3 (erster Satz) EStG angewendet habe.
Tatsächlich hat die belangte Behörde in der Bescheidbegründung rechtsirrig die durch das zweite Abgabenänderungsgesetz 1987 überholte Fassung des § 102 Abs. 3 erster Satz EStG herangezogen, wonach sich die Einkommensteuer "allein" nach den Vorschriften des § 33 Abs. 1 und 2 EStG bemißt. Erst in ihrer Gegenschrift hat sie zugestanden, daß in der ab dem Veranlagungsjahr 1987 anzuwendenden Fassung das Wort "allein" fehlt, und - zutreffend - ausgeführt, dies erkläre sich daraus, daß sich der Tarif zur Berechnung der Einkommensteuer bei beschränkter Steuerpflicht nicht mehr nur auf die Absätze 1 und 2 des § 33 EStG, sondern auch auf die neu aufgenommene Einschleifbestimmung in § 102 Abs. 3 (zweiter Satz) EStG stütze.
Das Nachschieben dieser rechtlichen Überlegung ist zulässig, weil Gegenstand einer etwaigen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nur der Spruch des Bescheides ist. Ist dieser trotz einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung rechtmäßig, darf der Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben werden (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit Seite 147; Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 563, 570). Das Parteiengehör wurde hiebei im Beschwerdefall nicht verletzt, da sich die Parteien mit der Frage der maßgeblichen Gesetzesfassung bereits im Berufungsverfahren auseinandergesetzt haben.
Der angefochtene Bescheid ist daher nicht schon wegen der im genannten Punkt zutreffenden Rechtsrüge des Beschwerdeführers aufzuheben.
In der mündlichen Verhandlung über die Berufung hat der Beschwerdeführer selbst erkannt, daß es sich bei der Belassung des Hinweises auf § 33 Abs. 8 EStG in § 102 Abs. 3 EStG (trotz Vorziehung der Einschleifregelung in den Abs. 7 durch das Abgabenänderungsgesetz 1986 und trotz Aufnahme einer eigenen Einschleifregelung in den § 102 Abs. 3 durch das zweite Abgabenänderungsgesetz 1987) offensichtlich um einen Redaktionsfehler handelt; hievon geht auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus.
Von einem Redaktionsversehen spricht man, wenn die Formulierung des Gesetzes durch einen Fehler in der technischen Ausarbeitung nachweislich mit dem zugrunde liegenden Willen nicht übereinstimmt, also etwa die Gesetzesredaktoren einen Ausdruck lediglich versehentlich im Text belassen haben (vgl. Bydlinski in Rummel, Kommentar zum ABGB I2 zu § 6 Rz 25 d; derselbe, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff Seite 393; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft4 Seite 387). Solche "Erklärungsirrtümer" des Gesetzgebers können gegebenenfalls im Wege der Auslegung entsprechend der wirklichen Absicht berichtigt werden (vgl. Bydlinski, Methodenlehre aaO).
Bei der Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden wird von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts allerdings häufig der Wortinterpretation in Verbindung mit der systematischen Interpretation ein Vorrang eingeräumt (vgl. die Judikaturhinweise in Antoniolli - Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 Seite 92 ff, sowie aus jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1987, Zl. 87/16/0022, vom 6. März 1989, Zl. 88/15/0066, und vom 17. Jänner 1990, Zl. 89/03/0194).
Im Beschwerdefall kann von einem klaren Gesetzeswortlaut, der im Sinne dieser Rechtsprechung Zurückhaltung gegenüber der Anwendung anderer Auslegungsmethoden bedingen könnte (vgl. Antoniolli - Koja aaO), aber keine Rede sein: Laut dem letzten Halbsatz des § 102 Abs. 3 EStG in der Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 1987 ist § 33 Abs. 8 zu beachten. Diese Bestimmung enthält aber lediglich eine Regel für die Begrenzung der in § 33 Abs. 3 bis 7 vorgesehenen Abzüge, somit lediglich einen mittelbaren Hinweis auf die strittigen Absetzbeträge. Damit läßt sich aber der erste Satz des § 102 Abs. 3 EStG in der anzuwendenden Fassung nicht in Einklang bringen: Sollte tatsächlich die Gewährung von Absetzbeträgen für beschränkt Einkommensteuerpflichtige eingeführt werden, so wäre zu erwarten, daß die Berechnung der Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 bis 6 und nicht bloß gemäß § 33 Abs. 1 und 2 angeordnet würde.
Zieht man nun in historischer Interpretation die Gesetzesmaterialien (1082 Blg. Sten. Prot. 16. GP, Seite 6 und 7; 108 Blg. Sten. Prot. 17. GP, Seite 33 und 37) heran, so findet sich keinerlei Hinweis auf einen Willen des Gesetzgebers zu einer Einführung der genannten Art. Angesichts der Bedeutung einer solchen Maßnahme kann aus der Angabe von ganz anderen Gesetzeszielen nur der Schluß gezogen werden, daß die Absicht des Gesetzgebers nicht darauf gerichtet war, die Rechtslage im vom Beschwerdeführer behaupteten Sinne zu ändern. Daß teleologische Argumente für seinen Standpunkt sprechen würden, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht.
§ 102 Abs. 3 EStG 1972 in der Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 1987 ist daher dahin zu verstehen, daß der Hinweis auf § 33 Abs. 8 EStG inhaltsleer ist. Der ursprüngliche Inhalt dieses Hinweises - nämlich die Bezugnahme auf eine Einschleifregelung - wurde ihm durch die Vorziehung der (allgemeinen) Einschleifregelung in den Abs. 7 des § 33 und durch die Schaffung einer eigenen Einschleifregelung für beschränkt Steuerpflichtige in § 102 Abs. 3 genommen, ohne daß ihm ein neuer Inhalt gegeben worden wäre. Beschränkt Steuerpflichtige waren demnach im Streitjahr 1987 von der Gewährung der in § 33 Abs. 3 bis 6 vorgesehenen Absetzbeträge - somit auch von der Gewährung des vom Beschwerdeführer beanspruchten allgemeinen Steuerabsetzbetrages gemäß Abs. 3 - ausgeschlossen.
Da der Beschwerdeführer somit in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989140110.X00Im RIS seit
07.09.1990Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008