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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1151;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 13. Juni 1990, Zl. 31.365-3/88, betreffend Einkommensteuer 1986:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Laut einem vom Beschwerdeführer zur Bestätigung der Kenntnisnahme und der Richtigkeit mitgefertigten Umlaufbeschluß der Gesellschafter einer GmbH aus 1986 erhielt der Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser Gesellschaft, an der er nicht beteiligt ist, in diesem Jahr für die normale, laufende Geschäftsführertätigkeit für die Kalenderjahre 1986 bis einschließlich 1990 einen Pauschalbetrag von S 185.000,-- ausbezahlt, der für den Fall der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit vor Ablauf des Jahres 1990 von ihm anteilsmäßig an die Gesellschaft zurückzuerstatten ist.
Die belangte Behörde ging vom Beschwerdeführer unbestritten davon aus, daß Merkmale für ein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 3 EStG 1972 nicht vorgelegen seien und die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers solche aus sonstiger selbständiger Arbeit nach § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 seien (Verwaltung fremden Vermögens).
Strittig ist allein die Frage, ob auf die erwähnten Einkünfte gemäß § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 der Hälftesteuersatz anzuwenden ist.
Die belangte Behörde hat in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid diese Frage mit der Begründung verneint, Einnahmen aus einem ihrer Art nach regelmäßigen Geschäftsbetrieb fielen grundsätzlich nicht unter diese Begünstigung. Eine Vorauszahlung sei nur dann als begünstigt anzusehen, wenn sich die Zusammenballung der Einkünfte zwangsläufig ergäbe, bezwecke die Vorschrift doch Progressionsmilderung und die Einräumung der Möglichkeit durch entsprechende Vereinbarung von Zahlungsmodalitäten in den Genuß des begünstigten Steuersatzes zu gelangen. An der Einmalzahlung (im vorhinein) sei der Beschwerdeführer auf Grund des Geldbedarfes für einen geplanten Hauskauf nicht minder interessiert gewesen als die Gesellschaft. Daß es sich nicht um einen regelmäßigen Geschäftsbetrieb gehandelt habe, verneinte die belangte Behörde, weil gerade bei selbständiger Tätigkeit Zahlungen vielfach für Leistungen erbracht würden, die sich über ein Jahr hinaus erstreckten. Eine allfällige Rückzahlung würde sich "überdies zum Normaltarif" auswirken.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer der belangten Behörde den Vorwurf, sie habe unzulässigerweise das Gesetz zum Nachteil des Steuerpflichtigen berichtigend ausgelegt, indem sie sachliche Begründung oder Zwangsläufigkeit der Vorauszahlung als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 gefordert hat. Sie habe damit die äußerste Grenze des Wortsinnes des Gesetzes überschritten. Die zum Einkommensteuergesetz 1953 ergangene Rechtsprechung sei wegen Änderung der Rechtslage auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1972 nicht übertragbar. Außerdem glaubt der Beschwerdeführer, er könne sich für seinen Standpunkt auf den Wortlaut des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 berufen.
Zu letzterer Behauptung ist darauf hinzuweisen, daß in dieser Bestimmung von Vorauszahlungen auf künftige Tätigkeiten keine Rede ist. Das Gesetz spricht nicht von Einkünften, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich (in Zukunft) über mehrere Jahre erstrecken soll, sondern von Einkünften, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich auf mehrere Jahre erstreckt. Der Beschwerdeführer hat daher nicht den Wortlaut des Gesetzes für sich. Um Vorauszahlungen der genannten Vorschrift zu unterstellen, bedürfte es daher eines weiteren Auslegungsvorganges. Ob dieser im Sinne der Erstreckung auf Vorauszahlungen ausginge, kann indes dahingestellt bleiben.
Wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, ist für die Auslegung des Gesetzes die Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang entscheidend. In diesen Zusammenhang sind die Worte des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 (Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt) zu stellen. Es ist also zu berücksichtigen, daß es sich um eine Tarifbestimmung handelt, die Progressionsmilderung für den Falles der Zusammenballung von Einkünften bezweckt. Dies schließt es bereits aus, die Absicht des Gesetzgebers so zu verstehen, auch eine willkürlich herbeigeführte Zusammenballung zwecks Steuermäßigung führe zur Tarifbegünstigung. Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 114 BAO) gebietet nämlich ein Verständnis, das willkürliche Änderung der Besteuerung stets dort ausschließt, wo der Gesetzgeber nicht unmißverständlich steuerwirksame Gestaltungsmöglichkeiten einräumt. Die erwähnte Tarifvorschrift bietet aber auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie dem Steuerpflichtigen die Tarifwahl zwischen Normalsteuersatz und Hälftesteuersatz einräumen wolle, sodaß es von der Gestaltung der Zahlungsmodalitäten abhänge, bei entsprechender Antragstellung in den Genuß des begünstigten Steuersatzes zu gelangen. Eines Rückgriffs auf die Mißbrauchsvorschrift des § 22 BAO bedarf es im gegebenen Zusammenhang daher nicht.
Was Einkünfte gemäß § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 sind, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den Bestimmungen über den Einkünftebegriff und der Ermittlung der Einkünfte in § 2 EStG 1972. Der Wortlaut des § 37 Abs. 2 EStG 1972 (arg.: Außerordentliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 sind nur ...) gibt zwar zu verstehen, daß es sich um eine taxative Aufzählung handelt, in den aufgezählten Fällen die Außerordentlichkeit jedoch nicht fingiert, sondern als weiteres Merkmal gefordert wird.
Der Beschwerdeführer läßt in seiner Auslegung diese Zusammenhänge außer Betracht und mißachtet damit Grundsätze systematischer Interpretation.
Soll die Begünstigung bei betrieblichen Einkünften zum Tragen kommen, so ist es erforderlich, daß die begünstigten Einkünfte aus dem Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes herausfallen, von der übrigen Tätigkeit klar abgrenzbar sind und eine gesonderte Reinertragsermittlung zulassen. Einnahmen aus einem regelmäßigen Geschäftsbetrieb fallen somit nicht unter § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972, auch wenn es sich um Geschäftsfälle handelt, deren Bearbeitung mehrere Jahre beansprucht (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl., Tz 12 zu § 37).
Der Beschwerdeführer ist auch mit der Behauptung im Unrecht, die Änderung der Rechtslage durch das Einkommensteuergesetz 1972 mache die Rechtsprechung zur Frage der Außerordentlichkeit als eigene Voraussetzung der Tarifbegünstigung unanwendbar, sodaß ihm die Begünstigung nur im Falle des Mißbrauchstatbestandes des § 22 BAO hätte versagt werden dürfen. Daß hinsichtlich des Erfordernisses der Außerordentlichkeit keine Änderung der Rechtslage eingetreten ist und daher die ältere Rechtsprechung aufrechterhalten wird, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1984, 83/13/0081, 0082, ÖStZB 1984, 359, dargelegt. Nach dieser Rechtsprechung kann von außerordentlichen Einkünften nur gesprochen werden, wenn sie ausnahmsweise und einmalig in einem bestimmten Jahr für längere Zeiträume anfallen. Als solche außerordentliche Einkünften können Einkünfte aus selbständiger Arbeit dann nicht in Betracht kommen, wenn sie das Ergebnis einer regelmäßigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen darstellen, es sich also nicht um eine besondere, einer bestimmten Sache gewidmete, in sich abgeschlossene und abgrenzbare Sondertätigkeit handelt. Es liegt nämlich im Wesen der Sache, daß bei einer selbständigen Arbeit ebenso wie bei anderen Gewinnbetrieben Zahlungen vielfach für Leistungen erbracht werden, die sich über mehr als Jahresdauer erstrecken. Das für solche Eingänge aus einer selbständigen Tätigkeit sonach typische Auftreten dieser Erscheinung führt aber von selbst zu einem gewissen steuerlichen Ausgleich, so daß der Umstand allein, daß eine Einnahme das Entgelt für eine mehrjährige als selbständige Arbeit verrichtete Tätigkeit darstellt, nicht genügen kann, die Einnahme zu "außerordentlichen Einkünften" zu machen (vgl. Erkenntnis 29. April 1955, 2902/52, VwSlg. 1149 F/1955). Für Gewinnbetriebe wurde vom Gesetzgeber die Ermittlung der Einkünfte (Gewinne) auf Grund eines Betriebsvermögensvergleiches vorgesehen, bei dem infolge Berücksichtigung von Forderungen und Schulden, Aktivierungen und Passivierungen eine annähernd gleichmäßige Verteilung der Höhe der Gewinne erzielt und die Zusammenballung in einzelnen Jahren vermieden werden. Führt der Steuerpflichtige keinen Betriebsvermögensvergleich durch, weil es ihm zunächst vorteilhafter erschien oder für ihn einfacher war, muß er damit auch eventuelle spätere Nachteile der gewählten Gewinnermittlungsart (Einnahmenüberschußrechnung) in Kauf nehmen. Zu diesen Nachteilen kann es gehören, daß das Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit in einem Jahr bezahlt wird, was unter Umständen eine entsprechende Erhöhung der Progression zur Folge haben kann (vgl. Erkenntnis 9. November 1977, 1521/77, VwSlg. 5186 F/1977).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die belangte Behörde zu Recht ein Dienstverhältnis verneint und die Einkünfte als Gewinneinkünfte gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 behandelt hat, weshalb auch seine Überlegungen zur Behandlung von Sonderzahlungen nach § 67 EStG 1972 für den Fall einer anderen Vereinbarung, nämlich der monatlichen Ausbezahlung der Bezüge eines in einem Dienstverhältnis stehenden Geschäftsführers ins Leere gehen. Der gemäß § 41 VwGG maßgebliche, von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erlaubt es dem Verwaltungsgerichtshof nicht, die Anwendung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 durch die belangte Behörde als unrichtig zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH keineswegs immer ein Dienstvertrag im Sinne der §§ 1151 ff ABGB sein muß; der Anstellung kann auch ein sogenannter freier Dienstvertrag, ein Werkvertrag oder ein Auftragsverhältnis zugrunde liegen (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, S. 103).
Sind die Einkünfte aber Gewinneinkünfte nach § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 für Verwaltungstätigkeit, so wurden sie von der belangten Behörde zu Recht auch als solche aus dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb derartiger Tätigkeit angesehen, heißt es doch in dem vom Beschwerdeführer mitgefertigten Umlaufbeschluß der Gesellschafter ausdrücklich, daß der Betrag für die normale, laufende Geschäftsführertätigkeit während mehrere Kalenderjahre bezahlt wird. Eine Begründung dafür, warum eine solche normale, laufende Geschäftsführertätigkeit nicht unter den regelmäßigen Geschäftsbetrieb eines Vermögensverwalters fiele, gibt auch der Beschwerdeführer nicht. Nach Inhalt des Umlaufbeschlusses wäre wohl über die normale, laufende Geschäftsführertätigkeit hinausgehende Tätigkeit von der Gesellschaft dem Beschwerdeführer besonders zu vergüten. Um Entlohnung dafür handelt es sich im Beschwerdefall nicht.
Der Beschwerdeführer versucht seine Behauptung, die Einnahmen fielen aus dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb heraus, allein damit zu begründen, bei Bezügen eines Geschäftsführers einer GmbH handle es sich in aller Regel um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, welche laufend monatlich ausbezahlt und versteuert würden. Der Umstand, daß solche Bezüge für fünf Jahre im vorhinein ausbezahlt werden, sei völlig atypisch und ungewöhnlich und erfülle daher die Voraussetzungen der Außerordentlichkeit im Sinne des § 37 EStG 1972. Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, daß die belangte Behörde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses und damit den vom Beschwerdeführer erwähnten Regelfall von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausdrücklich verneint hat und der Beschwerdeführer nichts vorbringt, was die Unrichtigkeit dieser Annahme der belangten Behörde - sei es vom Sachverhalt her, sei es unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Beurteilung - als rechtswidrig erkennen ließe. Die Außergewöhnlichkeit, daß die Geschäftsführertätigkeit für eine GmbH nicht im Rahmen nichtselbständiger Arbeit, sondern im Rahmen selbständiger Arbeit erledigt wird, bildet aber keinen Nachweis für die Außergewöhnlichkeit der Einkünfte im Rahmen von Gewinneinkünften nach § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972.
Da die belangte Behörde jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Begünstigung nach § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 verneint hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob sie zu Recht aus diesem Tatbestand auch die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit des Auftretens der Zusammenballung der Bezüge als Merkmal entnommen hat. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung (hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1962, 2452/60) sei nicht veröffentlicht, ist allerdings jedenfalls unrichtig (vgl. VwSlg. 2666 F/1962).
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde zeigt die Beschwerde nicht auf.
Bereits der Inhalt der Beschwerde ließ daher erkennen, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990140188.X00Im RIS seit
07.09.1990